Magazinrundschau - Archiv

Die Weltwoche

110 Presseschau-Absätze - Seite 8 von 11

Magazinrundschau vom 11.07.2006 - Weltwoche

Nomen est omen: Larry Brilliant "spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausrottung der Pocken in Indien. Er war mit der Rockband Grateful Dead befreundet und lebte eine Zeit lang in einem Aschram im Himalaya. Er war beteiligt an der Entstehung von 'The Well', der ersten und zweifellos prägendsten 'virtual community' im Internet. Und er hat mehrere große und kleine Technologiefirmen gegründet oder geleitet", erzählt Bruno Giussani. Und nun wird der 61-jährige Kalifornier Leiter der Google Foundation. Die neue Stiftung hat viel vor - natürlich mit Hilfe des Internets. "Für die digitale Form der Anti-Pocken-Strategie sieht Brilliant ein System vor, das Suchprogramme, Satellitenbilder, historische Datenbanken und Kommunikationsmittel aller Art verbindet. Es soll das Internet nach Informationen durchforsten über neue Krankheiten wie Sars, neue Ausbrüche von Vogelgrippe, aber auch neue biologische Bedrohungen durch Terrorismus oder Unglücke. Zudem soll es über Naturkatastrophen, Chemie- und Industrieunfälle, Überschwemmungen, vergiftetes Wasser Hungersnöte und andere Katastrophen berichten, bei denen eine schnelle Reaktion entscheidend ist."

Weiteres: Auch die Schweizer werden immer kränker, konstatiert Urs P. Gasche, der die Gründe dafür in der subtilen Öffentlichkeitsarbeit der Pharmabranche vermutet. Simon Kuper sinniert darüber, warum der erfolgreichste Fußball der Welt in Europa gespielt wird - rund um die Schweiz.

Magazinrundschau vom 04.07.2006 - Weltwoche

Christoph Neidhart sieht Russlands Außenpolitik als ewiges wie vergebliches Ringen um Anerkennung. Es "zieht sich seit Peter dem Großen als Konstante durch die russische Politik - 'einholen und überholen'. Und nicht nur durch die Politik. 1838 führten Petersburger Adlige dem französischen Besucher Marquis de Custine teure Edelbetten vor. Doch sie benutzten sie nicht zum Schlafen, nur zum Vorzeigen. In seinem Reisebericht machte der Marquis sich, statt beeindruckt zu sein, über ihre Besitzer lustig. Alles sei in Russland Theater, schrieb er. Je länger, je mehr mutet Putins Demokratie an wie jene Betten: Man hat sie zum Präsentieren, benutzt sie selten - weiß kaum, wie sie funktioniert."

Weitere Artikel: In einem langen Interview verteidigt die Amnesty-Generalsekretärin Irene Khan auch ihre aufsehenerregende Aussage, Guantanamo sei der "Gulag unserer Zeit". "Ich vergleiche nicht die Opferzahlen. Ich wollte zeigen, dass Guantanamo ein Symbol ist. Es wird immer in den Köpfen der Menschen bleiben als die schwerste Menschenrechtsverletzung der USA." Walter de Gregorio übt Stilkritik am italienischen Fußballspiel wie den Trikots. Wolfram Knorr preist eine DVD-Kollektion mit Filmen des französischen Regisseurs Louis Malle.

Magazinrundschau vom 27.06.2006 - Weltwoche

Hannah Arendt, vor hundert Jahren geboren, ist drauf und dran, neben Beckett und Einstein zum "massenkulturellen Popidol" unter den Geistesgrößen aufzusteigen, staunt Daniel Binswanger. "Nicht nur schießen Preise, Tagungen und Institute mit ihrem Namen aus dem Boden, an der Universität Zürich versammelten sich im Winter 2001 auch etliche hundert Bewunderer, um in einem Zyklus öffentlicher Lesungen das voluminöse Totalitarismus-Werk in voller Länge vorgelesen zu bekommen. Doch obwohl das Interesse für das Werk der Philosophin weiter nicht gestreut sein könnte, gibt es kaum einen Konsens, was es eigentlich besagt. Sosehr sie als Vorbild bewundert wird, so scharf wird sie immer noch angegriffen, insbesondere ihr Buch über den Prozess gegen den Nazi-Schergen Adolf Eichmann. Arendts Schaffen führt weder zu Schulbildung, noch gibt es einen 'Forschungsstand'. Eine Hommage an ihre intellektuelle Autorität findet sich nicht nur bei Daniel Cohn-Bendit, sondern etwa auch bei Christoph Mörgeli. Die Bandbreite ist beachtlich. Es scheint, als müsse die Kontroverse jeden Tag wieder von vorn beginnen."

Magazinrundschau vom 20.06.2006 - Weltwoche

Julian Schütt besucht den erfolgreichsten Schweizer Schriftsteller, Martin Suter, auf seiner Hazienda auf Ibiza. Der frühere Werber macht alles richtig, findet Schütt auf der von blühenden Grapefruits umgebenen Pergola, im Leben wie im Schreiben. "Er weiß, um mit dem Philosophen Peter Sloterdijk zu reden, 'dass man bei allem mit den atmosphärischen Tatsachen beginnen muss'. Suter bringt auf den Punkt, was auch ein normales Economy-Class-Leben lebenswerter machen würde. Etwa: dass Louis-Vuitton-Taschen sich allenfalls noch für Tiertransporte eignen. Oder: dass es nicht gesund ist, auf nüchternen Magen zu weinen. Vor allem: dass uns die Wirklichkeit schneller verrutscht, als wir denken."

Weiteres: Walter De Gregorio stellt kurz den umstrittenen Schweizer Nationaltorwart und deutsch-schweizerischen "Doppelbürger" Pascal Zuberbühler vor. Alain Zucker unterhält sich mit Michael Berg, der sich über den Tod Abu Mussab al-Sarkawis, Mörder seines Sohnes, nicht freuen kann. Simon Brunner versucht sich als Verkäufer des Straßenmagazins Surprise.

Magazinrundschau vom 13.06.2006 - Weltwoche

Daniel Binswanger porträtiert Segolene Royal, die aussichtsreichste Präsidentschaftskandidatin der französischen Sozialisten, die ihre Partei mit unerhört rechten Positionen in eine Identitätskrise treibt. "Von der Armee geführte Umerziehungslager für kriminelle Jugendliche, behördliche Bevormundung von Eltern mit Autoritätsproblemen, Sozialgeldkürzung für Erziehungsberechtigte mit straffälligen Kindern: In Frankreich wird seit einer Woche über einen happigen Katalog von Maßnahmen diskutiert, um die Ursachen von Jugendgewalt und Banlieue-Problemen an der Wurzel zu packen. Für einmal ist die Debatte aber nicht vom hyperaktiven Innenminister Nicolas Sarkozy ausgelöst worden. Ungläubig reiben sich die Franzosen die Augen: Wie in einer Polit-Fata-Morgana hat der Law-and-Order-Diskurs das Lager gewechselt." Hier der Artikel über Royal in der französischen Wikipedia.

Weiteres: Babys kann man bis zu einer halben Stunde durchschreien lassen, erfährt Franziska K. Müller von Gina Ford, deren autoritäre Erziehungsratschläge in den USA sehr gefragt sind (hier die Seite der harmlos dreinblickenden Dame). Daniel Ammann betont, dass der Bundesanwalt Valentin Roschacher entgegen seiner Beteuerungen sehr wohl die Schlüsselfigur im Skandal um den als V-Mann eingeschleusten Drogenbaron Jose Manuel Ramos ist.

Magazinrundschau vom 30.05.2006 - Weltwoche

Christof Moser begibt sich nach Entropia, ein virtuelles Online-Universum mit 300.000 Mitspielern und einem Umsatz von sehr realen 165 Millionen Dollar im Jahr. In einer Galerie in New Oxford trifft er den Filmemacher Jon Jacobs, der sich hier Neverdie nennt und gerade für 100.000 Dollar auf einem Asteroiden einen Nachtclub eröffnet hat. "An die hundert Gäste aus aller Welt sind inzwischen anwesend, die Vernissage ist gut besucht. Die Bilder, meist abstrakte Kunst in der Art, wie die Amerikaner sie lieben, lassen sich hier für 1.000 bis 5.000 PED als virtuelles Objekt erwerben, können aber auch als reale Werke bestellt werden. Während ich mich setze und mit einem Künstler über das spielinterne Chatsystem unterhalte - er kommt aus Budapest, und Entropia ist inzwischen sein wichtigster Absatzkanal -, kauft sich Neverdie kurzerhand für 40.000 PED, 4.000 reale Dollar also, virtuelle Pixelkunst, die er in die VIP-Lounge seines Clubs hängen will. Jacobs sieht das als Investment. Wie die anderen virtuellen Gegenstände können auch die Bilder an der Warenbörse gehandelt werden. Steigt die Nachfrage nach einem Künstler, hat es sich gelohnt, zu seinen ersten Sammlern in der virtuellen Realität zu gehören."

Weiteres: Urs Gehriger warnt vor der gefährlichen Situation in Afghanistan und der ebenso gefährlichen europäischen Unentschlossenheit. Franziska K. Müller berichtet von Ian Mucklejohn, der als erster Familienvater bewusst auf eine Mutter verzichtet und seine drei Kinder von einer Leihmutter hat austragen lassen. Im Interview mit Roland Mischke erklärt Volker Weidermann die Ein- und Auslassungen in seiner Literaturgeschichte.

Magazinrundschau vom 23.05.2006 - Weltwoche

"Ich wollte das alles. Vaterland und vollgepisste Tote. Geschichte und Irrlichter. Erschießungen und Spione." Anfangs ein begeisterter Anhänger Fidel Castros, emigrierte Norberto Fuentes in den Neunzigern und schrieb eine 2000-seitige fiktive Autobiografie des Maximo Lider. Sandro Benini ist von der gekürzten deutschen Ausgabe begeistert und unbefriedigt zugleich. "Stilsicher geschrieben, spannend erzählt, hervorragend durchkomponiert und großartig auf Deutsch übersetzt, ist sie weder Geschichtsbuch noch historischer Roman, sondern am ehesten das hybride Zeugnis einer unbewältigten Hassliebe. Fuentes schafft eine literarische Figur und erhebt zugleich den Anspruch auf deren historische Wahrhaftigkeit. Bei aller Faszination über die Kühnheit dieses Unterfangens und aller Bewunderung für den enormen historiografischen Einsatz, den der Exilkubaner geleistet hat: Sein Werk hinterlässt den Leser ziemlich ratlos. Eine seltsame exotische Frucht, die man gerne isst, von der aber kaum ein Nachgeschmack im Munde übrig bleibt."

Weiteres: Simon Brunner schaut sich die Generation Smart an und glaubt, die Appelle an die Dreißigjährigen, doch endlich Kinder zu bekommen, werden" kraftlos verpuffen wie eine Ohrfeige in der Schwerelosigkeit". Beatrice Schlag fragt sich, warum ausgerechnet auf den amerikanischen Sektenführer Warren Jeffs mittlerweile ein Kopfgeld von 100.000 Dollar ausgesetzt ist. Hanspeter Born resümiert, wie die englischen Behörden auf die Fußball-Hooligans reagiert haben.

Magazinrundschau vom 16.05.2006 - Weltwoche

"Als ich jung war, ging so was noch nicht so einfach", bemerkt ein kopfschüttelnder 35-Jähriger über seinen jüngeren WG-Mitbewohner: Der schaltet nämlich einfach seinen Computer an "und eine Stunde später klingelt es erst an der Tür und dann stöhnt es in seinem Zimmer". Eine sexuelle Revolution sei im Gange, staunt Christof Moser: "Die Zwanzigjährigen führen ein Parallelleben im Netz, haben ihren Freundeskreis und ihre Beziehungspflege nahezu vollständig virtualisiert und pflegen ihre virtuelle Identität zuweilen sorgfältiger als ihr reales Dasein. Sie treffen sich während der Arbeit oder nach der Schule im Internet, verwalten ihre Freunde online, suchen neue Bekanntschaften in Chatrooms - und organisieren sich Sex im Netz, als wäre das nie anders gewesen."

Spätestens mit der sogenannten Clearstream-Affäre Dominique de Villepins ist die französische Republik in eine "Regimekrise" geschlittert, meint Daniel Binswanger und rekapituliert die Ereignisse. Was offenbar nicht einfach ist: "Es ist denkbar, dass hin und wieder auch die Insider Schwierigkeiten haben, harte Fakten und Spionageroman auseinander zu halten."

Weiteres: Thomas Widmer schreibt eine begeisterte Hommage an Frank Zappa (hier der Führer zu allen siebzig Alben in ihren einzelnen Erscheingungsformen). Wolfram Knorr stellt den Schweizer Drehbuchautor Peter Viertel vor, der sie alle kannte und nach Klosters lockte: Ernest Hemingway, John Huston, Irwin Shaw, Orson Welles, Ava Gardner, Billy Wilder, Lauren Bacall, Humphrey Bogart, Robert Capa. Außerdem berichtet Sacha Verna vom derzeit angesagtesten Hobby reicher New Yorker: Moderne Kunst zu sammeln ist in, zeitgenössische Kunst dagegen hip.

Magazinrundschau vom 09.05.2006 - Weltwoche

Nicht die Schriftsteller sind schuld an der vermeintlichen Krise der Schweizer Literatur, meint Julian Schütt. Der Fehler steckt im System. "Das Problem ist freilich, dass unsere Schriftsteller lausige Verteidiger ihrer selbst sind. Geht es nach ihnen, soll man ihre Produkte nicht einmal mehr Schweizer Literatur nennen dürfen, weil die Literatur so auf das Nationale reduziert werde. Aus dem gleichen Grund wollen die Schriftsteller nicht mehr Schweizer Autoren sein, sondern als 'schriftdeutsche Autoren' der Schweiz angesprochen werden, wie Peter Bichsel jüngst dekretierte. Ihren Sprachgenossen aus Österreich und Deutschland, die sich weiter unbekümmert als Österreicher und Deutsche taxieren, geben sich unsere Schriftsteller mit solch sterilen Etikettreformen eben doch als kleingeistige, an Minderwertigkeitskomplexen leidende und also als typische Schweizer zu erkennen. Hinzu kommt, dass es an hiesigen Hochschulen inzwischen erschreckend wenige Professoren gibt, die von Schweizer Literatur noch etwas verstehen. Nicht besser sieht es in den Kulturredaktionen aus."

Weiteres: Im Interview mit Thomas Bodmer spricht Abba-Mitglied Björn Ulvaeus über den Mythos und erteilt einer Wiedervereinigung eine definitive Absage. "In unserem jetzigen Alter wäre der Schock zu groß für uns - und unsere Fans." Außerdem fragt sich Claude Baumann, ob das berühmte Bankgeheimnis noch Not tut.

Magazinrundschau vom 02.05.2006 - Weltwoche

Auch in der Weltwoche kommt Salman Rushdie zu Wort. Im Interview mit Andre Müller erklärt der Schriftsteller, warum er lieber ein Sexsymbol wäre als ein Symbol im Kampf der Kulturen, warum er es aber trotzdem für den größten Fehler hält, im Kampf um die Meinungsfreiheit - wie im Fall der Mohammed-Karikaturen zu kapitulieren: "Hier muss man genau unterscheiden zwischen einer Meinungsäußerung und einer Verleumdung. In freien Gesellschaften ist es mein gutes Recht, meine Meinung über eine Religion oder eine Person zu äußern. Wenn ich sage, Sie sind ein Idiot, müssen Sie das ertragen. Wenn ich aber sage, Sie sind ein Mörder, obwohl Sie keiner sind, können Sie gegen mich strafrechtlich vorgehen. Es gab in England einen berühmten Fall, da hatte eine Zeitung über die Schauspielerin Charlotte Cornwell, die Schwester des Schriftstellers John le Carre, geschrieben, sie habe einen großen Arsch. Sie klagte gegen die Zeitung, und sie verlor. Denn über die Größe eines Arsches kann es verschiedene Ansichten geben."

Marianne Fehr widmet sich dem Umstand, dass die Zahl der Verurteilungen wegen Kindesmissbrauchs seit Jahren konstant ist, die Beschuldigungen aber zunehmen: "Eltern und Kinder wie Institutionen sind wachsam geworden, und das ist gut so, denn Wachsamkeit schützt vor Angriff. Die Kehrseite: Die Realität verleitet zur Hysterisierung. Kinder zu berühren, ist verdächtig geworden, und zur grundsätzlich verdächtigen Personengruppe gehört, wer mit Kindern zu tun hat."