Magazinrundschau - Archiv

The New Republic

166 Presseschau-Absätze - Seite 6 von 17

Magazinrundschau vom 14.01.2014 - New Republic

Adam Kirsch bespricht Claudia Roth Pierponts Biografie (Leseprobe) über Philip Roth und macht - wenig überraschend- zwei große Themen in Roth' Werk aus: Sex und sein Judentum. Beim Thema Sex findet Kirsch, das Roth' Werk merklich gealtert sei. Roth selbst sei sich dessen in seinen späten Romanen bewusst geworden: "In 'The Humbling' ('Die Demütigung', 2009) und 'Exit Ghost' (2007) stellt er noch einmal die Gleichung zwischen Impotenz und Tod auf. Roth hat seine Meinung über Sex nicht geändert. Aber er sah ein, dass Sex, um moralisches und fiktionales Gwicht zu bekommen, eine Kraft des Widerstands sein muss - gegen den Vater, die soziale Ordnung, den Tod. Nur das Verbot macht die Überschreitung möglich. Aber das Verbot verblasste schon in der Kultur, für die er schrieb."

Magazinrundschau vom 16.12.2013 - New Republic

Bo Lidegaard, Redakteur der dänischen Tageszeitung Politiken, hat mit 'Die Ausnahme' ein Buch veröffentlicht, dass sich mit der Frage auseinandersetzt, warum gerade die Dänen "ihre" Juden unter deutscher Besatzung gerettet haben. "'Die Ausnahme' sollte jeder lesen, der wissen will, genau welche Mischung aus gemeinsamen sozialen und politischen Überzeugungen es möglich macht, in Zeiten entsetzlicher Dunkelheit Zivilcourage und einen ungewöhnlichen Anstand zu bewahren", empfiehlt der kanadische Historiker und Politiker Michael Ignatieff. Doch wendet er auch ein, dass die Geschichte in Teilen komplexer ist, als Lidegaard sie erzählt: "Die zentrale Zweitdeutigkeit liegt darin, dass die Deutschen die Juden gewarnt und die meisten hatten fliehen lassen. Lidegaard behauptet, das sei geschehen, weil die Dänen sich geweigert hätten, den Deutschen zu helfen, aber es kann auch andersherum funktioniert haben: Erst als die Dänen begriffen, dass die Deutschen einige Juden gehen ließen, fanden sie die Courage, dem Rest der jüdischen Gemeinde bei der Flucht zu helfen. 'Die Ausnahme' ist eine faszinierende Studie über die Zweideutigkeit von Rechtschaffenheit."

Magazinrundschau vom 26.11.2013 - New Republic

David Thomson jubelt: Paolo Sorrentino ist sogar noch grandioser als der cineastische Großmeister Federico Fellini. Schon bald werde "La Grande Belezza" als neue Version von "Achteinhalb" gelten, glaubt er. Was zu großen Teilen auch das Verdienst von Toni Servillo sei, der darin einen gealterten Schriftsteller in der Schaffenskrise spielt. "Das Leben, so versucht er zu sagen, ist zu umfangreich, zu unordentlich, zu stetig, um auf 250 Seiten gebannt werden zu können. All das wird transportiert von Servillos elastischem Gesicht: sorgenvoll, sympathisch und niemals unfreundlich oder kalt, begierig darauf amüsiert zu werden, nicht schön, aber unvergänglich attraktiv. Er beobachtet das Leben, aber er entscheidet sich dazu, es als Traum zu behandeln."

Außerdem: Jason Farago entdeckt in Thomas Ostermeiers Inszenierung von Ibsens "Volksfeind", die es von Berlin nach Brooklyn geschafft hat, interpretatorische Parallelen zum NSA-Skandal: "Was Ibsen so modern und 'Ein Volksfeind' für die Snowden-Affäre so passend macht, ist das Verständnis, dass Whistleblower entgegen des happy-Hacker-Images von schlechten Hollywood-Filmen wie 'The Fifth Estate' viel mehr tun als geheimes Wissen aufzudecken. Der Whistelblower bei Ibsen klagt nicht nur ein einzelnes Verbrechen an, sondern ein politisches und wirtschaftliches System in seiner offen liegenden Gänze."

Hier der Trailer der Schaubühne:


Magazinrundschau vom 10.12.2013 - New Republic

Christopher Benfey würdigt Rudyard Kipling als Prosaautor, Dichter und amerikanischen Autor: "Und doch - das ist auch in Neu-England kaum bekannt - schrieb Kipling 'Das Dschungelbuch', 'Brave Seeleute' und viele seiner bekanntesten Gedichte auf einem Bergkamm, von dem aus man über den Connecticut-Fluss blicken konnte und das Flusstal von Mount Monadnock, 'geformt wie ein gigantischer Daumennagel', schrieb Kipling, 'der himmelwärts weist.' Es ist überraschend, dass Kipling, der in Bombay geboren worden war und eine junge Frau aus Brattleboro geheiratet hatte, hoffte, in den Vereinigten Staaten bleiben zu können. Über die Jahre wäre er vermutlich mehr und mehr ein amerikanischer Autor geworden - englische Freunde staunten über seinen amerikanischen Akzent - so wie der polnische Autor Joseph Conrad und der amerikanische Autor Henry James (der bei Kiplings Hochzeit den Brautführer spielte), immer englischer wurden in ihrem adoptierten Land."

Disneys Songtext ist zwar nicht von Kipling, aber jeder Vorwand ist recht, Louis Prima (King Louie) und Phil Harris (Baloo, der Bär) zu hören. Swing it!



Außerdem zu lesen: Ariel Dorfmans Nachruf auf Nelson Mandela. Christopher Beam stellt Jia Zhangkes film "A Touch of Sin" in eine Reihe mit "Herr Jedermann läuft Amok"-Filmen wie "Taxi Driver" oder "Falling down". Nur noch Geld zählt in der Kunstwelt, klagt Jed Perl.

Magazinrundschau vom 19.11.2013 - New Republic

Als sehr viel weniger konsequent in ihrem Glauben erweist sich die Familie von Sun Myung Moon. Das ist bemerkenswert, weil Moon als Religionsstifter die Glaubensregeln - pro arrangierte Ehen, contra außerehelichen Geschlechtsverkehr - selbst definiert hat. Mariah Blake erzählt die spannende Geschichte der Familie Moon und ihrer Sekte, die seit den sechziger Jahren in Korea und den USA zu beträchtlichem Reichtum und Einfluss gelangt ist, als "eine komplizierte Saga, in der es um uneheliche Kinder, geheime Sexrituale, ausländische Spionagedienste und die Familie des US-Vizepräsidenten Joe Biden geht. Selbst nach Moons bekanntermaßen exzentrischen Standards war der Zusammenbruch seines amerikanischen Projekts äußerst spektakulär und seltsam."

Außerdem: Jed Perl nutzt die Nachricht vom 142 Millionen Dollar teuren Verkauf der "Three Studies of Lucian Freud" von Francis Bacon, um den Maler postum hinzurichten.

Magazinrundschau vom 05.11.2013 - New Republic

Jed Perl ist absolut entsetzt über die Schau "See It Loud: Seven Post-War American Painters" im National Academy Museum in New York. Keine einzige Malerin, statt dessen "Macho Man Routine": "Selbst die, die die ausgestellten Gemälde bewundern, sollten platt sein, dass Nell Blaine, Lois Dodd, Jane Freilicher, Grace Hartigan, Mercedes Matter und Louisa Matthiasdottir übersehen wurden. Mit 'See It Loud' hat die National Academy die unglaubliche Leistung vollbracht, eine Nachkriegsbewegung, in der Frauen genauso prominent waren wie Männer in einen reinen Männerclub zu verwandeln. Das ist nicht nur politisch inkorrekt, das ist historisch inkorrekt. Frauen waren Anführerinnen im malerischen Realismus der Nachkriegszeit. Sicherlich waren Blaine, Freilicher, Hartigan und Matthiasdottir sehr viel bekannter als einige der Männer in der Schau - wie kann die Geschichte also ohne sie erzählt werden?" (Bild: Louisa Matthiasdottir, "Self Portrait with Red Kerchief", ca. 1990)

Ägypten entwickelt sich wieder zu einem Polizeistaat. Vor allem die jungen Ägypter geben die Hoffnung auf Veränderung langsam auf, berichtet Laura Dean, obwohl ihre Lage besonders miserabel ist. "Fünfundsiebzig Prozent der Ägypter sind unter 25, und Ägypten lässt sie im Stich: die Arbeitslosigkeit stieg in diesem Mai auf 13,2 Prozent. Was Schulbildung angeht, liegt Ägypten laut dem World Economic Forum's Global Competitiveness Report auf dem letzten Platz. Viele jungen Leute, die die Revolution im Januar 2011 entscheidend vorangetrieben haben, sehen keinen Platz mehr für sich in der Politik. In vielen Familien verteidigt die ältere Generation vollmundig den General Abdel Fattah el Sisi, den de-fakto-Herrscher Ägyptens, und nennt jeden 'Anhänger der Muslimbrüder', der nicht zustimmt. Es gibt nichts dazwischen."

Magazinrundschau vom 29.10.2013 - New Republic

Diane Mehta stellt die Comic-Porno-Figur Savita Bhabhi vor, eine fordernde Frau, die im patriarchalen, pornobesessenen Indien durchaus feministische Züge hat, so Metha: "Als Rollenmodell hat Savi nicht den besten Geschmack - sie verführt Teenager, einen BH-Verkäufer, einen Terroristen - aber sie ist herrisch, verspielt, provozierend und bekommt was sie will. Sie feiert eine Orgie mit drei Poker-Kumpels ihres Ehemanns, einfach weil sie das sexy findet. Aber sie ist eine selbstbeherrschte Frau. [Zeichner] Deshmukh erklärte mir, er wolle zeigen, dass Sex keine Einbahnstraße sei und die Gesellschaft zu einer größeren Offenheit gegenüber weiblicher Sexualität antreiben. 'Ich wollte mit Savita Bhabhi zeigen, dass indische Frauen auch sexuelle Wünsche haben', sagt er. 'Indien ist ein Land, das sexuell immer noch gefesselt ist. Um die Ketten zu brechen, müssen indische Frauen ihre Wünsche zeigen.'"

Magazinrundschau vom 22.10.2013 - New Republic

Der Historiker David Nirenberg hat eine Geschichte des Antisemitismus in der westlichen Welt vorgelegt, "Anti-Judaism", die nicht einfach nur eine Auflistung der schlimmsten antisemitischen Ressentiment ist, schreibt ein absolut hingerissener Anthony Grafton in seiner Besprechung: Nirenberg will wissen, warum so viele Kulturen und Intellektuelle sich immer wieder mit den Juden auseinandergesetzt haben. "Nirenbergs Parade imaginierter Juden - die scheußlichste Prozession seit den Flagellanten in 'Das siebte Siegel' - reicht von der arabischen Halbinsel bis nach London und vom 7. Jahrhundert v.Chr. bis zum 20. Jahrhundert nach Christus. Immer von den Originalquellen in den Originalsprachen ausgehend, beobachtet Nirenberg die verschiedenen Wege, auf denen imaginierte Juden den Zwecken realer Autoren und Denker dienen - von Mohammed, der eine neue Religion gründete, bis Shakespeare, der eine neue kommerzielle Gesellschaft beobachtete. Gott steckt hier teilweise in den Details: in der vorsichtigen, zärtlich beobachteten Art mit der Nirenberg alles zerlegt, von der scharfen politischen Rhetorik bis zur klangvollen Shakespearschen Drama."

Sehr interessant auch dieser Artikel von Matthew Shaer, der die Berichterstattung über Syrien untersucht: Neben Bürgerjournalisten und unabhängigen Organisationen gibt es inzwischen auch viele Medien, die von ausländischen Interessen gesteuert sind.

Magazinrundschau vom 15.10.2013 - New Republic

"Die Frankfurter Buchmesse entspricht meiner Vorstellung vom Himmel", bekennt Andrew Wylie, der es als Agent von Größen wie Nabokov, Rushdie und Roth zu Ruhm und Reichtum gebracht hat. In einem hochamüsanten Interview mit Laura Bennett schimpft er über den Größenwahn von Amazon und die hausgemachten Probleme des Buchmarktes: "Das größte Problem ist, dass die Verlagsbranche seit 1980 vom Einzelhandel am Nasenring geführt wird. Die Industrie analysiert ihre Strategien, als wäre sie Procter & Gamble. Dabei ist sie Hermès. Sie verkauft ein Produkt für verweichlichte, gebildete Snobs, die lesen. Nicht sehr viele Leute lesen. Die meisten streiten sich, machen Kohle und können kaum aufrecht gehen. Wir verkaufen Bücher. Das ist ein winzig kleines Geschäft. Das muss man nicht walmartisieren."

Magazinrundschau vom 10.09.2013 - New Republic

Leon Wieseltier antwortet in The New Republic auf Steven Pinkers Essay, der den Geisteswissenschaften gegen ihren Bedeutungsverlust mehr Wissenschaftlichkeit empfahl. Die Welt verstehen zu können und zu wollen, sei, anders als Pinker glauben mache, kein Privileg des Szientismus, meint Wieseltier: "Platon glaubte an die Verstehbarkeit der Welt, und das taten auch Dante, Maimonides, Thomas von Aquin und al-Farabi, ebenso wie auch Poussin, Bach und Goethe, Austen, Tolstoi und Proust. Wie Pinker bestreiten sie, dass die Welt undurchsichtig ist, undurchdringlich für den Geist. Sie teilen sein Verlangen, 'ein komplexes Geschehen mithilfe tieferer Prinzipien zu erklären'. Sie stimmen alle mit ihm überein, dass wir uns beim Erklären unserer Welt nur selten gezwungen sehen sollten zu sagen: 'So ist es eben' oder 'Es ist ein Wunder' oder 'Weil ich es sage'. Aber natürlich bezieht sich Pinker nicht auf ihre Vorstellungen von Erkenntnis, die verabscheut er."

Weiteres: Gordon Hutner und Feisal G. Mohamed sehen zumindest an den staatlichen Universitäten die Geisteswissenschaften nicht nur an Bedeutung verlieren, sie sterben buchstäblich mangels Finanzierung, schreiben sie: "Die Bürokratien sind derzeit nicht in der Lage, die Leistungen der Geisteswissenschaften zu evaluieren."