Magazinrundschau - Archiv

The Nation

162 Presseschau-Absätze - Seite 9 von 17

Magazinrundschau vom 18.09.2012 - The Nation

Thomas Meaney bespricht den historischen Essay "In the Shadow of the General - Modern France and the Myth of De Gaulle" des Oxford-Historikers Sudhir Hazareesingh. Allerdings sagt er nicht so viel über das Buch, sondern erliegt dem Mythos lieber. Wie sollte er anders angesichts solcher Episoden: "Weniger als ein Jahr nachdem Pétain seinen Frieden mit Hitler gemacht hatte, entsandte De Gaulle ein Expeditionskorps, um Saint Pierre und Miquelon, zwei Pro-Vichy-Inseln vor der Küste Neufundlands aufzubringen. Der Angriff erzürnte die Amerikaner und Kanadier, die schockiert waren, dass ihr künftiger Alliierter in ihrem Hinterhof herumpfuschte. Aber die Aktion schweißte erfolgreich die bunt gemischte Truppe der France libre zusammen und erhöhte den Druck auf die Alliierten, die die Résistance unterstützen sollten."

Magazinrundschau vom 14.08.2012 - The Nation

Hector Abads Faciolinces Erinnerungsbuch an seinen Vater, einen Arzt, der von kolumbianischen Paramilitärs ermordet wurde, war ein sehr wichtiges Buch für Kolumbien, weil es nach Jahrzehnten, in denen die Literatur den Narco, den Outlaw feierte, endlich einmal das Opfer in den Mittelpunkt stellte, schreibt Jorge Volpi. "Nach Ansicht einiger Kritiker hat der Narco zu Beginn des 21. Jahrhunderts den Magischen Realismus als Lateinamerikas auffälligstes Merkmal ersetzt. Gerade als einige Autoren dachten, sie hätten sich endlich vom Exotismus fliegender Frauen a la Garcia Marquez befreit, verschlingt die seltsame Welt der Drogenbosse und Auftragskiller die Vorstellungskraft Lateinamerikas und überschattet andere Entwicklungen - etwa den Triumph der Linken in einer Reihe südamerikanischer Länder - die damit nichts zu tun haben. ... Weil es ein Erinnerungsbuch ist, und wegen seiner Ernsthaftigkeit und dem zurückhaltenden Ton, kann 'Oblivion' [auf Deutsch: Brief an einen Schatten] nicht als Narco-Literatur bezeichnet werden. Aber als es 2006 erschien, in einer Kultur, die von Nachrichten über die Gewalttaten des Tages geprägt war, wurde es als notwendige Alternative wahrgenommen - so sehr, dass es sich seit seinem Erscheinen zu einem Bestseller für den kolumbianischen Verleger Planeta entwickelt hat. zu einem Zeitpunkt, als fast jedes literarische Werk seine Aufmerksamkeit auf das brutale und verrückte Universum der Killer richtete, hat Hector Abad Faciolinces Lobgesang auf seinen Vater die Opfer zurück auf die Bühne geholt."

Der Prozess gegen Pussy Riot ist Teil einer größeren Attacke auf die Opposition in Russland, berichtet Katrina vanden Heuvel. In der Kampagne gegen die Band ist die Orthodoxe Kirche der wichtigste Partner des Staatschefs: "Deren Sprecher hat verkündet, Gott persönlich habe ihm mitgeteilt - 'genauso wie er die Evangelien der Kirche verkündet hat' - dass er den Protest von Pussy Riot 'verdamme'. Ob zynisch oder im Ernst, die Kirchenführer pflegen eine patriarchalische Form des Patriotismus. Die Staatsanwaltschaft führt in der Begründung für die Angklageschrift gegen die Bandmitglieder 'blasphemische Akte' und das 'schwere Leiden' der Gläubigen an, trotz Russlands angeblicher Trennung von Staat und Kirche."

Magazinrundschau vom 10.07.2012 - The Nation

Man musste schon bis zur Verrücktheit exzentrisch sein, um die Welt mit so neuen Augen zu sehen wie van Gogh oder Cezanne, meint Barry Schwabsky. Aber wie unkonformistisch mussten erst die frühen Sammler dieser Kunst sein, die ihre Vermögen auf deren Zukunft verwetteten! "Es fällt heute, wo jedes kluge Investment-Portfolio zeitgenössische Kunst enthält, schwer zu glauben, dass der Kauf dieser Avantgardekunst noch verrückter erschien als die Kunst selbst. Und das lange nach dem Tod von van Gogh und Rousseau. Albert Barnes war einer dieser extremen Exzentriker. Wie naiv er war, entdeckte er 1923, als er einen Teil seiner Kollektion - Arbeiten von Soutine, Modigliani, Matisse und anderen - in der Pennsylvania Akademie der Künste in Philadelphia ausstellte. Die Lokalzeitungen hielten sie für einen Skandal und medizinische Autoritäten meinten, diese Kunst sei das Werk von Verrückten."

Magazinrundschau vom 26.06.2012 - The Nation

Seit Al Qaida das World Trade Center in die Luft jagte, sieht sich die westliche Welt dem Vorwurf der Islamophobie ausgesetzt. The Nation bringt in ihrer neuesten Nummer ein ganzes Dossier zum Phänomen. "Wir haben heute in den USA zwei Systeme des Bürgerrechts", schreibt Laila Lalami im Grundsatzartikel: "eines für Muslime und eines für Nicht-Muslime. Muslime leben unter einer Wolke des Verdachts, egal was sie tun oder sagen."

Auch ein anderer Artikel widmet sich religiösen Verblendungszusammenhängen - diesmal kritischer, denn es geht um Kreationismus in den USA. 46 Prozent aller Amerikaner, so Katha Politt unter Bezug auf eine Gallup-Studie, glauben in irgendeiner Weise an kreationistische Doktrinen, und das schlimmste ist, dass das auch für College-Studenten nach 16 Jahren Ausbildung gilt. "Patricia Princehouse, Direktorin des Evolutionary Biology Programs an der Case Western Reserve University (Bio) lachte, als ich sagte, dass die Ergebnisse der Gallup Studie die mangelhafte Ausbildung in den Staaten zeige. 'Es gibt nicht sehr viel Ausbildung über Evolution an den Schulen', sagte sie mir, 'meist eine Schulstunde oder zwei ohne Bezug zu anderen Themen der Biologie.' Und viele Schüler bekommen nicht einmal das. Nach Princehouse lehren mindestens 13 Prozent der Lehrer trotz Verbots sogenannten 'young earth'-Kreationismus (laut dem nicht nur die Menschen, sondern auch die Erde seit höchstens zehntausend Jahren existieren), und 60 Prozent der Lehrer lehren eine verwässerte Version der Evolution."

Magazinrundschau vom 05.06.2012 - The Nation

Steve Wasserman, ehemals Redakteur der Los Angeles Times Book Review, begibt sich auf eine ausführliche und faszinierende Tour d'horizon durch zehn Jahre Buchhandelsgeschichte in den USA. Hauptakteur ist natürlich Amazon mit seiner beängstigend aggressiven Strategie. Im Rückblick wird klar, wie viel Wandel wir schon hinter uns haben: "Die Buchhandelskriege sind vorbei. Die unabhängigen Buchhandlungen sind ramponiert, Borders ist tot, Barnes & Noble angeschlagen, aber noch am Leben, und Amazon triumphiert." Während die Zahl der unabhängigen Buchhändler in den USA von 4.000 auf 1.900 gesunken ist, so Wasserman, toben bereits neue Kriege - diesmal geht's gegen die Verleger. Bedrohlicher als Amazons Versuche, selbst verlegerisch tätig zu werden, findet er das Kindle Single Programm, mit dem bekannte (und unbekannte) Autoren zuweilen ganz gut verdienen. Und "die Tantiemen werden monatlich überwiesen. Autoren können jederzeit ihre Verkäufe checken - ein Niveau an Transparenz und Effizienz, das bis dato in der Verlagswelt unbekannt war."

In einem zweiten Artikel erklärt Michael Naumann, ehemals Rowohlt-Chef, das deutsche System der Buchpreisbindung, das Amazon, vergleichen mit den USA, noch etwas bremst. Und der Historiker Anthony Grafton vermisst die differenzierten Suchfunktionen, durch die Amazon einst brillierte.

Magazinrundschau vom 07.02.2012 - The Nation

In ihrer großen Reportage über Apple zitierte die New York Times letzte Woche Steve Jobs, der auf die Frage Präsident Obamas, warum Apple nicht mehr in den USA produziert, antwortete: "Diese Arbeitsplätze kommen nicht zurück." Und weiter: "Wir sind nicht verpflichtet, Amerikas Probleme zu lösen." Über diesen Satz hat sich jetzt Clyde Prestowitz, ehemaliger Handelsberater von Ronald Reagan, aufgeregt, berichtet Alexander Cockborn. Prestowitz erinnert Apple daran, das Jobs und seine Manager Anfang der achtziger Jahre "die lustige Vorstellung hatten, dass die amerikanische Regierung verpflichtet sei, ihnen zu helfen. Wir taten, was wir konnten und lernten dabei, dass praktisch alles, was Apple zum Verkauf anbot - vom Speicherchip bis zur Maus - seinen Ursprung in Programmen hatte, die ganz oder teilweise mit amerikanischen Steuergeldern unterstützt wurden. Das Herz des Computers ist der Mikroprozessor und der von Apple leitete sich her aus Motorolas 680X0, der mit viel Unterstützung aus dem Verteidigungsministerium entwickelt worden war. Ebenso der DRAM Speicherchip. Die Maus kam von Xerox' PARC-Zentrum bei Stanford (das ebenfalls staatliche Unterstützung genoss). Zusätzlich wurde fast die gesamte Computersoftware jener Zeit bei Arbeiten entwickelt, die vom Staat unterstützt wurden."

Außerdem: In einem sehr langen Artikel beschreibt Jonathan Blitzer die Lage linker Tageszeitungen wie El Pais und Publico in Spanien.

Magazinrundschau vom 13.12.2011 - The Nation

Dies ist ein Essay, den man gerne in deutscher Übersetzung (NZZ? Lettre?) lesen würde! Der mexikanische Autor Jorge Volpi setzt sich mit Enrique Krauzes neuem Buch "Redeemers. Ideas and Power in Latin America" auseinander. Krauze ist ein Intellektueller in der Tradition von Octavio Paz und Mario Vargas Llosas. In seinem Buch porträtiert er die bedeutendsten Intellektuellen Lateinamerikas. Selbst wer sich mit diesem Kontinent nicht so gut auskennt, versteht bei der Lektüre, wie hingerissen und zwiegespalten zugleich Volpi ist: "Krauze ist ein rara avis [ein seltener Vogel] im Panorama der mexikanischen Intelligentsia: ein Jude unter Katholiken oder der brutal antiklerikalen Mehrheit; ein 'Liberaler' unter Linken, ein Fremder im akademischen und öffentlichen Dienst in einem Land, in dem die Mehrheit von dem einen oder anderen lebt, ein Geschäftsmann in einer kulturellen Umgebung, die von staatlicher Förderung lebt. Aber seine freiwillig marginale Position wurde auf zweierlei Weise kompensiert: durch die ausdrückliche Unterstützung von Paz, die mächtigste intellektuelle Figur in Mexiko im letzten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts, und durch Krauzes Fähigkeit, um sich eine Gruppe zu versammeln, die 'liberale' Ideen vertrat - manche würden sie rechts nennen - in einem Land, in dem die liberale Tradition vom revolutionären Regime praktisch ausgelöscht wurde."

Magazinrundschau vom 04.10.2011 - The Nation

Joshua Kurlantzick kann nach Ezra Vogels Deng-Xioaping-Biografie wenigstens in Ansätzen die Bewunderung nachvollziehen, die auch der Westen für diesen Autokraten lange gehegt hat. Aber selbst die gesichtslosen Bürokraten, die heute in Peking regieren, haben ihre Anhänger: "Bis vor zwei oder drei Jahren sagte der 'Peking Konsens' vor allem den repressivsten Autokraten der Welt zu - Mahmud Achmadinedschad im Iran, Bashar al-Assad in Syien oder Islam Karimow in Usbekistan - sie alle waren erpicht darauf zu lernen, wie China seinen Autoritarismus modernisiert hat. Aber in den letzten Jahren haben nicht nur Autokraten von Peking lernen wolle. Für das chinesische Modell interessieren sich zunehmend auch Politiker und normale Menschen in jungen Demokraten wie Indonesien, Thailand, Senegal, Venezuela, Nicaragua und Bolivien - in Ländern also, in denen die öffentliche Unterstützung der Demokratie abnimmt und in denen Politiker nach dem Scheitern des Washington Konsens nach neuen Wachstumsmodellen suchen."

Magazinrundschau vom 13.09.2011 - The Nation

Benjamin Nathans bespricht zwei Bücher über das "Tauwetter" in der Sowjetunion in den Fünfzigern und Sechzigern unter Chruschtschow: Vladislav Zuboks "Zhivago's Children" und Miriam Dobsons "Khrushchev's Cold Summer". Ein kritischer Punkt waren die Amnestien, die damals für Häftlinge aus der Stalin-Zeit ausgesprochen wurden. Die "einfachen" Sowjetbürger verstanden das nicht, für sie waren das alles Kriminelle. Miriam Dobson meint, "dass - mehr noch als die Angst des Regimes vor einer zu schnell befreiten Intelligentsia - es vor allem die harsche öffentliche Reaktion auf die Amnestien war, die dafür sorgte, dass der Versuch in den späten Fünfzigern scheiterte, das sowjetische System zu reformieren. Sie behinderte die Bemühung, Schutz vor dem staatlichen Terror der Stalinzeit zu schaffen."

Außerdem: James Longenbach schreibt über die Briefe von T.S. Eliot.
Stichwörter: Behinderte, Stalin, Josef

Magazinrundschau vom 26.07.2011 - The Nation

Die CIA unterhält ein geheimes Gefängnis in Somalia, berichtet Jeremy Scahill in einer investigativen Reportage. Dort soll sich auch der 26jährige Ahmed Abdullahi Hassan befinden, der 2009 aus Nairobi verschwand. "Das Untergrundgefängnis, wo Hassan angeblich festgehalten wird, ist in dem Gebäude untergebracht, in dem einst Somalias schändlicher National Security Service (NSS) während des Militärregimes von Siad Barre hauste, der von 1969 bis 1991 regierte. Ein ehemaliger Gefangener, der Hassan dort traf, sagt, er habe draußen das alte NSS-Schild gesehen. Während Barres Regime war das berüchtigte Kellergefängnis und Verhörzentrum, das hinter dem Präsidentenpalast in Mogadischu liegt, ein wesentlicher Bestandteil des staatlichen Repressionsapparates. Man nannte es Godka, 'das Loch'."
Stichwörter: Somalia, Security, Nairobi, Mogadischu