Magazinrundschau - Archiv

The Nation

162 Presseschau-Absätze - Seite 10 von 17

Magazinrundschau vom 17.05.2011 - The Nation

Heather Hendershot erzählt in einem langen Artikel, wie Pony tragende Hippies in den späten Sechzigern Hollywood übernahmen. Es dauerte nicht lange: In den frühen Achtzigern hatten die Anzüge wieder das Sagen. Aber dazwischen gab es einige großartige Filme. Nur mit Frauen konnten sie nicht viel anfangen: "Wenn wir hinter die Mythen dieser Filme sehen, stellt sich heraus, dass die Schauspielerinnen ihre schwachen Rollen oft transzendieren. In Martin Scorseses 'Alice doesn't live here anymore' erklärt die von Diane Ladd gespielte Kellnerin ihrem aufdringlichen Chef: 'Mann, ich kann unter dir liegen, panierte Hähnchen essen und ein Kreuzworträtsel lösen. Alles zur gleichen Zeit.' Bedauerlicherweise gestanden nur wenige Filme dieser Zeit Frauen soviel Schneid zu. Im New American Cinema waren nur die Männer 'born to be wild'."
Stichwörter: Hippies, Scorsese, Martin

Magazinrundschau vom 25.01.2011 - The Nation

Drei Lektionen haben die Tunesier der Welt erteilt: "An die arabischen Diktatoren: Ihr seid nicht unsichtbar. An den Westen: Ihr werdet nicht gebraucht. Und an die arabische Bevölkerung: Ihr seid nicht machtlos", schreibt Laila Lalami. Das sei sehr viel wichtiger, als sich über die Heuchelei der westlichen Staaten aufzuregen. Und die gab's ja reichlich: "Während Tunesien, das vorbildlich 'bescheidene arabische Land', gegen die Tyrannei rebellierte, schlug die französische Außenministerin Michele Alliot-Marie der Nationalversammlung vor - als Teil der Kooperation zwischen den beiden Ländern - französische Truppen nach Tunesien zu schicken, um die Proteste unterdrücken zu helfen. Der Kulturminister Frederic Mitterand erklärte, Tunesien als Diktatur zu bezeichnen, sei eine 'Übertreibung'. Nachdem Ben Ali vertrieben war, weigerte sich Präsident Nicolas Sarkozy allerdings, ihn nach Frankreich einreisen zu lassen. In einer letzten ironischen Wendung musste der Diktator, der vom Westen als Bollwerk gegen den islamischen Extremismus gefeiert wurde, nach Saudiarabien flüchten. Währenddessen belehrte Außenministerin Hillary Clinton, gerade auf einer Tour durch die Golfstaaten, die arabischen Staaten über die Notwendigkeit demokratischer Reformen, vermied aber peinlich genau jede Erwähnung der tunesischen Proteste."

Magazinrundschau vom 18.01.2011 - The Nation

The Nation bringt eine Rede, die Roberto Bolano im Jahr 2000 auf einem Symposium der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien hielt und in der sich strikt weigerte, über Literatur und Exil zu sprechen. Er glaube nicht an das Exil, und schon gar nicht in Zusammenhang mit der Literatur: "In ganz Europa hört man das immergleiche Lied, es ist das Lied vom Leiden des Exils, es ist eine aus Beschwerden und Klagen und einer verblüffenden Nostalgie komponierte Musik. Kann man sich nach einem Land zurücksehnen, in dem man beinahe gestorben wäre? Kann man sich zurücksehnen nach Intoleranz, Arroganz, Unrecht? Dieses Lied, das Lateinamerikaner ebenso anstimmen wie Schriftsteller aus anderen verarmten und traumatisierten Regionen, beharrt auf der Nostalgie, auf der Rückkehr in das Geburtsland. Für mich hat es immer wie eine Lüge geklungen. Bücher sind die einzige Heimat des wahren Schriftstellers, Bücher, die im Regal oder im Gedächtnis ihren Platz haben."

Alexandra Schwartz hat Nicole Krauss' neuesten Roman "The Great House" ("Das große Haus") mit wenig Begeisterung gelesen: "Wo ist der Humor?" Greg Mitchell listet noch einmal detailliert auf, welche Erkenntnisse wir WikiLeaks verdanken: über die saudischen Finanziers des Terrors, Korruption bei Boeing oder Papst Benedikts Widerstand gegen die Untersuchung von Kindesmissbrauch.

Magazinrundschau vom 14.12.2010 - The Nation

Ed Vulliamy erinnert an den Fall der Wachovia Bank, ihren Kontrolleur Martin Woods und daran, dass Whistleblower meist dann als unverantwortlich diskreditiert werden, wenn sie richtig liegen: "2005 kam Woods zur Wachovia Bank. Er war zuständig für das Melden von Geldwäsche. Woods schlug erstmals während des Libanonkriegs 2006 offiziell Alarm, nach Berichten, dass Wachovia-Konten von der Hisbollah benutzt wurden. Zu seiner Überraschung wurde er für seine Versuche, die verdächtigen Konten einzufrieren, gemaßregelt. Im Laufe des Jahres stieß er auf 'mehrere verdächtige Transaktionen' in Verbindung mit mexikanischen Wechselstuben. Eingezahlt wurden Reisechecks mit fortlaufenden Nummern über hohe Summen - höher, als eine unschuldige Person bräuchte - und ohne oder ohne hinreichende Identifizierung, dafür mit mit verdächtigen Unterschriften." Woods reichte einen Bericht ein und die Bank reagiert prompt: "Woods wurde, wie er sagt, 'von der Bank unter Druck gesetzt, sich zu verändern, ein besseres Verständnis von Mexiko zu entwickeln'. Er solle aufhören, Fragen zu stellen und suspekte Transaktionen zu stoppen."

Im November 2009 berichtete Jeremy Scahill in The Nation detailliert über geheime Kampfeinsätze amerikanischer Spezialkommandos in Jemen und Pakistan. Die Wikileaks liest er jetzt mit einer gewissen Genugtuung: "Damals nannte der Pentagon-Sprecher Geoff Morrell die Geschichte reine Verschwörungstheorie und bestritt, dass amerikanische Kommandos irgendetwas anderes in Pakistan täten als auszubilden." Aber Scahill bleibt fair, er zitiert eine weitere Depesche: "'Diese Einsätze sind politisch hochsensibel... Sollten diese Entwicklungen in pakistanischen oder amerikanischen Medien Erwähnung finden, würde das pakistanische Militär wahrscheinlich solche Hilfe nicht mehr erbeten.' Solche Äußerungen erklären, warum der Gesandte Richard Holbrooke log, als er im Juli rundheraus sagte: 'Die Leute denken, dass die USA Truppen in Pakistan haben. Haben sie nicht.'"

Magazinrundschau vom 23.11.2010 - The Nation

Samuel Moyn bespricht Timothy Snyders Buch "Bloodlands" als eine der wichtigsten Neuerscheinungen zu Holocaust und Totalitarismus der letzten Jahre. Als das Herz der Finsternis beschreibt Snyder nach Moyn die Region zwischen den baltischen Staaten und der Ukraine und als Wesen des Geschehens eine Interaktion zweier Totalitarismen, zeitweise sogar als "gemeinsames Projekt". Snyder relativiert allerdings auch die Bedeutung von Auschwitz - und hier will Moyn nicht zustimmen, unter anderem auch wegen des Mords an den ungarischen Juden, der mit der Interaktion Hitlers und Stalins nichts zu tun hat: "Für einen Historiker, der so viele Zahlen zitiert, sollte es von Bedeutung bleiben, dass mehr Juden in Auschwitz starben - über eine Million - als irgendwo sonst. Und wichtiger: Auschwitz enthüllte mehr als jeder andere Ort die kontinentale Dimension von Hitlers Hass, die den Raum der 'Blutgebiete" weit übertraf."

Magazinrundschau vom 02.11.2010 - The Nation

David Wallace-Wells, Redakteur der Paris Review, findet Lewis Hydes Streitschrift "Common as Air" gegen die absurde Ausweitung des "geistigen Eigentums" zu romantisch. Und dass Hyde von so vielen Künstlern verehrt wird, versteht er nicht. "Die Sehnsucht, in der Gegenwart etwas von dem zu bewahren, was die Reinheit des künstlerischen Schaffens ausmacht, speist viele Argumente in 'Common as Air', das sich im Verlauf von mehreren hundert Seiten als Abhandlung über das unsichere Schicksal von Kunst in einer Kultur entpuppt, die Kreativität als Unternehmenswert feiert, die 'künstlerisch' als Euphemismus für 'teuer' benutzt und jeden Frosch in der unternehmerischen Troposphäre ermutigt, sich als Künstler zu betrachten. Was Hyde als anregenden Gegenstandpunkt anbietet, ist eine Meditation über das Kunstwerk im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit und des Konsumentennarzissmus. So wie der Boom der Druckerpresse im England der Restaurantszeit während der Debatten über Copyright eine Krise der Autorenschaft auslöste, so hat der Konsumentenboom im Internetzeitalter während der Debatten über intellektuelles Eigentum eine Krise des Künstlerstatus' ausgelöst. Das Gefühl, der erhabene Status der Kunst sei bedroht, ist zentral für das befremdliche Verlangen nach freier Kultur unter denen, die eigentlich hoffen sollten, von ihrer kreativen Arbeit leben zu können, Und es ist zentral für die unglückselige Ehe zwischen den Autoren und Künstlern, die behaupten, die Kultur zu verehren, und den Konsumenten, Unternehmern und Internetabsolutisten, die sie liquidieren wollen." (Hier ein Interview mit Hyde und hier ein Auszug aus seinem Buch als pdf, hier ein weiterer Auszug auf der Webseite seines Verlags.)

Außerdem: John Palattella handelt in einem Artikel drei Bücher ab, Franzens "Freedom", Jeremy Hardings "Mother Country. Memoir of an Adopted Boy" und Robert Darntons "Poetry and the Police", ein Buch über die Anklage gegen 14 Personen, die 1749 beschuldigt wurden, schlimme Gedichte über König Louis XV. zitiert und verbreitet zu haben: "For Darnton, poetry was an information network long before networks were news", erklärt Palattella. Natasha Wimmer, die amerikanische Bolano-Übersetzerin, stellt einige mexikanische Noir-Autoren vor, vor allem Martin Solares, der gerade seinen ersten Roman, "The Black Minutes", veröffentlicht hat.

Magazinrundschau vom 16.11.2010 - The Nation

Benjamin Nathans liest Gal Beckermans Buch "When They Come For Us We'll Be Gone" ("Wenn sie uns holen kommen, werden wir nicht mehr da sein") über die Geschichte der Juden in der Sowjetunion. Eine sehr komplexe und insgesamt auch widersprüchliche Angelegenheit, wie Nathans betont: "Alles in allem waren die sowjetischen Juden spektakulär erfolgreich, allen anderen ethnischen Gruppen der UdSSR weit überlegen - die Russen inklusive -, und zwar egal, ob man nun die Hochschulbildung, das Wohnen in begehrten städtischen Zentren wie Moskau und Leningrad, den Zugang zu prestigeträchtigen Berufen oder die Prominenz in hoch angesehenen Tätigkeiten wie Filmregie oder Physik zum Maßstab nimmt. Hinter den hunderttausenden von jüdischen Erfolgsgeschichten verbirgt sich jedoch ein kollektiver Verlust von Sprache und Kultur, das komplexe Ergebnis sowohl einer Selbst-Russifizierung als auch einer Unterdrückung des jüdischen Erbes durch das Sowjetregime. In der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hatte sich überdies die Sowjetunion, der erste anti-antisemitische Staat der Welt und das Land mit der Haupverantwortung für die Vernichtung der Nazis, in einen Staat verwandelt, der erklärtermaßen Jagd machte auf jene, die er als 'Kosmopoliten' und 'Zionisten' brandmarkte."

Weitere Artikel: John Nichols und Robert W. McChesney beklagen "die radikale Verwandlung der US-Politik durch einen Geld-und-Medien-Wahl-Komplex, der das Geschehen heute stärker definiert als irgendein Kandidat irgendeiner Partei". Die große (aber auch wieder begrenzte) Retrospektive der feministischen Künstlerin Nancy Spero im Centre Pompidou in Paris nimmt Barry Schwabsky zum Anlass, über die Rolle ihres Werks in der amerikanischen Nachkriegskunst nachzudenken.

Magazinrundschau vom 21.09.2010 - The Nation

Wikileaks ist nicht die private Erfindung eines Einzelnen, also Julian Assanges, meint Peter Ludlow, sondern Ergebnis einer Jahrzehnte alten Bewegung von politisch engagierten Hackern. Andere Hacktivisten seien zum Beispiel die Google-Gegner Cult of the Dead Cow, die anarchistische Anonymous-Truppe von 4Chan oder die Portugiesen Urban Ka0s: "Der politische Kompass dieser Hacktivisten hat nie eindeutig nach links oder rechts gezeigt - zumindest nicht in der uns geläufigen Einteilung der politischen Landschaft. Sie sind sich aber einig in ihrer Beachtung der grundlegenden Hacker-Prinzipien, wie sie Steven Levy und Der Mentor in den Achtziger formuliert haben: Informationen dürfen nicht von mächtigen Institutionen gehortet werden - sie gehören in die Hände der allgemeinen Öffentlichkeit. Dieses Prinzip wird selbst auf die Gefahr 'idiotischer Konsequenz' hin beachtet - wie die jüngste Veröffentlichung von Wikileaks, die von fünf Menschenrechtsorganisationen einschließlich Amnesty International kritisiert wurde, weil sie meinten, dass zivile Quellen nicht ausreichend geschützt wurden."

Weiteres: In der Debatte um den Sexismus der amerikanischen Literaturkritik kann die Autorin Katha Pollitt gewisse Verzerrungen nur bestätigen: "Wenn Männer Bücher über die Familie schreiben - John Updike, Jonathan Franzen - werden diese als Schriften über Amerika und die conditio humana gelesen. Wenn Frauen ambitionierte, politische und engagierte Bücher über die großen Themen der Welt schreiben, werden sie als Geschichten über das Gefühlsleben ihrer Protagonistinnen angesehen." Und Noah Isenberg stellt dem amerikanischen Publikum Ingo Schulze vor.

Magazinrundschau vom 03.08.2010 - The Nation

Im April veröffentlichte Wikileaks Videomaterial, das die Tötung von irakischen Zivilisten und zwei Reuters-Korrespondenten durch amerikanische Soldaten zeigt. Drei Soldaten aus dem Infanterie-Regiment, das verantwortlich ist für den Tod dieser Zivilisten, haben jetzt öffentlich erklärt, dass diese Art von Kriegsführung Methode hat, berichten Sarah Lazare und Ryan Harvey: "Einer nach dem anderen wurden Soldaten, die gerade in Bagdad angekommen waren, in einen Raum gebracht und von ihrem kommandierenden Offizier befragt: 'Alle Fragen führten zu der einen großen Frage', erklärt der frühere Army Spc. Josh Stieber. 'Wenn jemand auf einem Marktplatz voller unbewaffneter Zivilisten eine Waffe zieht, würdest du das Feuer eröffnen, auch wenn du weißt, dass du viele unschuldige Menschen dabei verletzen wirst?' Es war eine Trickfrage. 'Sie wollten nicht nur, dass du Ja sagst, du musstest ohne zu zögern Ja sagen', erklärt Stieber. 'Es war nicht ungewöhnlich, dass jemand, der nicht mitzog, zusammengeschlagen wurde', fügt er hinzu. 'Sie brachten dich in einen Raum, schlossen die Tür und schlugen dich, wenn ihnen deine Antwort nicht gefiel', sagt der ehemalige Army Spc. Ray Corcoles, der mit Stieber diente. Lauter dieser ehemaligen Soldaten war dies ein typischer Moment beim Training der Bravo Kompanie 2-16 (2. Bataillon, 16. Infanterie-Regiment), die Bodentruppe, die involviert war in das berühmte 'Collateral Murder'-Video". Stieber und der dritte Kollege, Ethan McCord, haben sich in einem offenen Brief bei den Irakern entschuldigt, die bei dem Vorfall Angehörige verloren haben.
Stichwörter: Irak, Reue

Magazinrundschau vom 20.07.2010 - The Nation

Der Verleger Colin Robinson ficht einen Strauß aus mit Amazon: Erstens, weil die riesige Buchdatenbank bei Amazon letztlich dazu führt, dass immer mehr Leser die selben Bücher lesen. Von wegen Diversifizierung. Und zweitens, weil der Internetbuchhändler Verlagen mit seiner marktbeherrschenden Position die Preise diktieren kann. "Natürlich mag jeder niedrige Preise. Aber auch das ist komplizierter als es zuerst erscheint. Um so niedrige Preise zu erreichen, muss der Verkäufer immer größere Rabatte von den Verlegern verlangen. Vor zehn Jahren lag der Gesamtrabatt für ein Buch bei 40 Prozent. Heute sind es eher 50 Prozent und bei vielen Großauslieferern können es sogar 60 Prozent und mehr werden. Amazon erwartet ganz klar, dass der Trend zu immer größeren Rabatten und immer niedrigeren Preisen anhält. Ein prominenter britischer Verleger erzählte mir, dass er und seine Vertriebsleute gerade von Amazon zurückgekommen seien, wo man ihn zu besseren Konditionen gezwungen habe. 'Die gute Nachricht ist, dass sie gesagt haben, ich müsse in den nächsten 18 Monaten nicht mehr hin.'"

(Verblüffend an diesem Artikel ist, dass Robinson den ersten Verlag ausschließlich für elektronische Bücher mitgegründet hat, OR Books. Und doch überlegt er nicht eine Sekunde, ob elektronische Bücher die Verlage von Zwischenhändlern wie Amazon oder Thalia nicht wenigstens zum Teil unabhängig machen könnten. Warum erstellen die Verleger nicht eine gemeinsame eigene Buchdatenbank, über die sie ihre eBücher verkaufen?)
Stichwörter: Amazon, Gute Nachrichten