Magazinrundschau
Etwas wie die Frauenrechte
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27.03.2012. Die Republikaner führen einen Krieg gegen die Frauen, erklärt das New York Magazine. Vielleicht, weil Frauen sich gern in aller Öffentlichkeit Pornos vorlesen, behauptet jedenfalls die Verlegerin Beatriz de Moura in El Pais Semanal. Im Guardian denkt Ian McEwan über Originalität nach. In Le Monde fragt Abdennour Bidar, ob nicht vielleicht der Islam selbst krank ist. Der Chronicle berichtet über einen Streit um Noam Chomskys Universalgrammatik. In Slate winkt Chomsky ab: Die menschliche Natur ändert sich nie. Polityka erinnert an die Aktion Reinhardt. Prospect propagiert den Post-Liberalismus. Wired steht vor dem größten Spionagezentrum der Welt.
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New York Magazine (USA), 02.04.2012
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Außerdem: Emily Nussbaum ist hin und weg von der neuen HBO-Serie "Girls" - geschrieben, gedreht und gespielt von der 25-jährigen Lena Dunham. "Es ist eine Sexkomödie aus dem weiblichen Blickwinkel, die Themen wie sexuell übertragbare Krankheiten und Abtreibung mit einem radikalen savoir faire behandelt und einer visuellen Schlampigkeit, die selbst schon ein Statement ist. Noch bevor die republikanischen Kandidaten 'Die Geschichte der Dienerin' zu ihrem Fundament gemacht haben, ist Dunhams schlaue, dreiste, grafische Komödie mit ihrer Betonung weiblicher Freundschaft, ihrem Vergnügen an der geschmacklosen Pointe und ihrem Verständnis für die Notwendigkeit, Fehler zu machen, eine scharfe Erwiderung auf eine Kultur, die weibliche Abenteuer pathologisiert." Hier ein Trailer.
El Pais Semanal (Spanien), 24.03.2012
"Bücher veröffentlichen ist wie Roulette spielen." Beatriz de Moura, Mitbegründerin und bis heute Leiterin von Tusquets Editores - also des Verlages, dem für die spanischsprachige Welt ziemlich genau die Rolle zukommt, die hierzulande Hanser einnimmt - unterhält sich mit Jesús Ruiz Mantilla über die Vergangenheit und Zukunft des gedruckten Buches: "Die besten Erfindungen überleben. Die Menschheit hat sich im Lauf der Geschichte als viel klüger erwiesen, als wir gedacht haben. Sie war immer darauf bedacht, unterwegs nichts von den guten Dingen zu verlieren." Tusquets war auch einer der ersten literarischen Verlage Spaniens, die sich, in Gestalt der Reihe "Das vertikale Lächeln", unbekümmert auf erotische Texte einließen: "Ja, nenn es ruhig Pornos. Aber diese Bücher sind gut geschrieben und man kann viel daraus lernen. Männer gehen ziemlich verdruckst damit um, viele Frauen dagegen lesen sich gegenseitig lautstark daraus vor, in aller Öffentlichkeit und mit wirklich herzerfrischender Ungeniertheit."
Guardian (UK), 24.03.2012
Der Schriftsteller Ian McEwan denkt ausgiebig über Originalität und Autorschaft in Wissenschaft und Kunst nach. So wie Darwin vor Wallace der erste sein wollte, der die Evolutionstheorie veröffentlicht, wollte Einstein die Relativitätstheorie vor David Hilbert formulieren. Aber spielt es für den Fortschritt eine Rolle, wer eine Entdeckung zuerst gemacht hat? "In der Literatur ist jeder der erste. Wir brauchen nicht zu fragen, wer als erster den 'Don Quixote' geschrieben hat. Sinnvoller ist es, über die Möglichkeit nachzudenken, es als zweiter zu tun - wie Pierre Menard, der sich in Borges' berühmter Geschichte Jahrhunderte nach Cervantes noch einmal ganz neu den ganzen Roman ausdenkt, bis zum letzten Wort. Der schlechteste Autor der Welt kann sich zumindest sicher sein, dass er als erster seinen schrecklichen Roman geschrieben hat. Und gnädigerweise auch der letzte. Und dennoch, der erste zu sein, originell zu sein ist entscheidend für die Qualität eines literarischen Werks. Wie geringfügig auch immer, es muss - in Bezug auf das Thema, den Ausdruck - unser Verständnis von uns selbst, es muss uns selbst in der Welt voranbringen."
Le Monde (Frankreich), 23.03.2012
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"Die Republik geht nicht in die Knie", ruft Caroline Fourest und fordert, die eigenen Vorstellung zu dekontaminieren. Sie zieht eine Verbindung von Mohammed Mehra zu Anders Breivik: "Das ist es, was die Fanatiker wollen: Zorn säen und spalten. Wenn ein Wahnsinniger ins Herz eines pluralen Landes zielt und sich dabei auf eine Religion beruft, dann verhärten sich die Gemüter. Diejenigen, die sich mit den Opfern identifizieren, befürchten, selbst Zielscheiben zu werden. Diejenigen, die die gleiche Herkunft oder Religion wie der Täter haben, befürchten, für Terroristen gehalten zu werden. Jeder betrachtet den anderen mit diesem Zweifel in den Augen, der zu einem tiefen Graben im Inneren eines Landes führt. Wir leben nicht mehr auf dem gleichen Planeten, nicht mehr zusammen."
Chronicle (USA), 26.03.2012
Tom Bartlett berichtet über einen - sogar mit Videospielen im Dschungel ausgetragenen - Streit um Noam Chomskys linguistische Theorien, den der Linguist Daniel Everett ausgelöst hat. Der fand in seiner Forschung über das Leben und die Sprache der Piraha vieles heraus: ganze Unterhaltungen können bei ihnen gepfiffen werden, sie nutzen keine Zahlen und - in ihrer Sprache gibt es keine "recursions", Einbettungen, die Möglichkeit also, Sätze immer weiter zu verschachteln. Dieser letzte Umstand hat jetzt erneut die Debatte um Chomskys "Universalgrammatik" entfacht, da dieser in einem 2002 veröffentlichten Aufsatz geschrieben hatte, dass genau diese Einbettung der eine wesentliche Aspekt sei, durch den sich die Universalgrammatik der menschlichen Sprache auszeichne: "Everetts Buch ist ein Versuch, der Universalgrammatik, wenn schon keinen fatalen Schlag, wenigstens einen ordentlichen rechten Haken zu verpassen. Er ist der Überzeugung, dass die Stuktur der Sprache nicht unseren Köpfen entspringt, sondern hauptsächlich von der Kultur geformt ist und verweist als Beleg auf jenen Stamm am Amazonas, den er dreißig Jahre lang untersucht hat. Es ist nicht so, dass Everett glaubt, unsere Gehirne spielten keine Rolle - ganz offensichtlich tun sie das. Aber er argumentiert, dass nur, weil wir zur Sprache fähig sind, diese nicht zwangsläufig vorstrukturiert ist. Wie er in seinem Buch schreibt: 'Die Entdeckung, dass Menschen besser darin sind, sich Häuser zu bauen als Delphine, sagt uns nichts darüber, ob Architektur den Menschen angeboren ist.'" Die Debatte, obwohl von beiden Seiten heftig geführt, kommt aus zwei Gründen allerdings nicht recht voran: Zum einen ist Everett einer von sehr wenigen "Außenseitern", die die Sprache der Piraha beherrschen. Es ist also sehr schwierig, seine Aussagen zu überprüfen. Auf der anderen Seite vermeidet es Chomsky, seine Vorstellung von einer Universalgrammatik zu konkretisieren. In Barletts Worten: "Ein Phantom lässt sich nur schwer erlegen."
Slate (USA), 26.03.2012
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Polityka (Polen), 23.03.2012
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New Yorker (USA), 02.04.2012
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Weiteres: Joan Acocella bespricht das Buch "When God talks back" der psycholgischen Anthropologin Tanya Luhrmann, die in einer evangelikalen Gemeinde herauszufinden versuchte, wie der Glaube dieser größten amerikanischen Religionsbewegung funktioniert. David Denby sah im Kino Gary Ross' Romanverfilmung "The Hunger Games" und den Dokumentarfilm "Bully" über Mobbing und Schikane unter Kindern von Lee Hirsch und Cynthia Lowen.
Elet es Irodalom (Ungarn), 26.03.2012
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Prospect (UK), 21.03.2012
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Außerdem: Michael Coveney fragt sich, ob eine neue Aufführung von Eugene O'Neills "Eines langen Tages Reise in die Nacht" auch heute noch funktioniert, nachdem das lange nicht gespielte Stück heute in eine von epigonalen und motivisch nahen Stücken bestimmte Theaterszenerie tritt.
Salon.eu.sk (Slowakei), 19.03.2012
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Open Democracy (UK), 22.03.2012
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Wired (USA), 20.03.2012
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Weiteres: Jason Fagone erzählt die sagenhafte Geschichte, wie aus einem Kommentar von Prufrock451 auf eine Reddit-Anfrage, ob ein heutiges US-Bataillon das römische Imperium zu Zeiten Augustus' in die Knie zwingen könnte, binnen weniger Stunden ein millionenschwerer Hollywood-Deal werden konnte (hier der dazugehörige Themenschwerpunkt auf Reddit). David Rowan porträtiert den LinkedIn-Gründer Reid Hoffman, der zum einen gerne Philosoph geworden wäre, zum anderen viel zu seufzen hat, dass keiner das wahre Potenzial von LinkedIn erkenne. Felix Salmon ist sich unterdessen nicht so sicher, ob der Börsengang von Facebook wirklich nur Vorteile für das Unternehmen mit sich bringt.
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