Joseph Massad,
Professor an der Columbia Universität in New York, spricht im
Interview über sein Buch "Desiring Arabs" und erklärt, dass
Homosexuelle in der arabischen Welt eine sozialdarwinistische, kulturalistische, zivilisatorische, orientalistische, kolonialistische
Erfindung des Westens sind. "Westliche Anthropologen und schwule Internationalisten sind unglücklich, weil ihre eigenen 'Forschungen' ergeben haben, dass die meisten arabischen (oder lateinamerikanischen oder indischen oder iranischen etc.) Männer, die Sex mit anderen Männern haben, sich genauso wenig mit diesen intimen Praktiken identifizieren oder sich danach benennen wie jene Männer, die Sex mit Frauen haben, sich nach diesen Praktiken benennen. Es gibt zwar eine
kleine Gruppe verwestlichter Araber aus der Oberklasse und oberen Mittelklasse, die von Homosexualität und dem amerikanischen Beispiel verführt
sind, doch sie sind nicht repräsentativ für die Mehrheit der Frauen und Männer, die Sex mit dem gleichen Geschlecht praktizieren und sich nicht mit diesen Praktiken identifizieren."
Einige dieser in Massads Augen "verwestlichten Araber" haben in
Beirut Helem, eine Organisation zum Schutz schwuler, lesbischer und Transgender-Libanesen gegründet. Hossein Alizadeh von Helem weist Massads Vorwurf
strikt zurück: "Es stimmt, dass das Konzept von Homosexualität, wie wir es im Westen kennen und verstehen, eine strikt westliche Erfahrung ist. Es hat aber
auch in anderen Kulturen schon Menschen gegeben, die sich nach dem gleichen Geschlecht sehnten, bevor sie Kontakt zum Westen hatten. Die Wahrheit ist, dass die arabische islamische Gesellschaft nie einen
offenen Dialog über Sexualität akzeptiert hat. Die Vorstellung schwul zu sein und eine andere Identität zu haben, hat sich unter Muslimen nie entwickelt. Das heißt nicht, dass Homosexualität aus dem Westen exportiert wurde, so wie
Menschenrechte nicht nur im Westen, sondern auch für Muslime gültig sind."