Magazinrundschau - Archiv

ResetDoc

31 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 4

Magazinrundschau vom 08.12.2009 - ResetDoc

Joseph Massad, Professor an der Columbia Universität in New York, spricht im Interview über sein Buch "Desiring Arabs" und erklärt, dass Homosexuelle in der arabischen Welt eine sozialdarwinistische, kulturalistische, zivilisatorische, orientalistische, kolonialistische Erfindung des Westens sind. "Westliche Anthropologen und schwule Internationalisten sind unglücklich, weil ihre eigenen 'Forschungen' ergeben haben, dass die meisten arabischen (oder lateinamerikanischen oder indischen oder iranischen etc.) Männer, die Sex mit anderen Männern haben, sich genauso wenig mit diesen intimen Praktiken identifizieren oder sich danach benennen wie jene Männer, die Sex mit Frauen haben, sich nach diesen Praktiken benennen. Es gibt zwar eine kleine Gruppe verwestlichter Araber aus der Oberklasse und oberen Mittelklasse, die von Homosexualität und dem amerikanischen Beispiel verführt sind, doch sie sind nicht repräsentativ für die Mehrheit der Frauen und Männer, die Sex mit dem gleichen Geschlecht praktizieren und sich nicht mit diesen Praktiken identifizieren."

Einige dieser in Massads Augen "verwestlichten Araber" haben in Beirut Helem, eine Organisation zum Schutz schwuler, lesbischer und Transgender-Libanesen gegründet. Hossein Alizadeh von Helem weist Massads Vorwurf strikt zurück: "Es stimmt, dass das Konzept von Homosexualität, wie wir es im Westen kennen und verstehen, eine strikt westliche Erfahrung ist. Es hat aber auch in anderen Kulturen schon Menschen gegeben, die sich nach dem gleichen Geschlecht sehnten, bevor sie Kontakt zum Westen hatten. Die Wahrheit ist, dass die arabische islamische Gesellschaft nie einen offenen Dialog über Sexualität akzeptiert hat. Die Vorstellung schwul zu sein und eine andere Identität zu haben, hat sich unter Muslimen nie entwickelt. Das heißt nicht, dass Homosexualität aus dem Westen exportiert wurde, so wie Menschenrechte nicht nur im Westen, sondern auch für Muslime gültig sind."

Magazinrundschau vom 19.05.2009 - ResetDoc

Die berühmt-berüchtigen neuen Ehegesetze für Schiiten in Afghanistan widersprechen dem Koran, meint der liberale islamische Denker Nasr Abu-Zayd in dem interkulturellen Magazin ResetDoc.org: "Der Koran brach mit der alten arabischen Tradition, die den ältesten Sohn zum einzigen Erben des Vaters machte. Er verteilte das Erbe stattdessen an alle Söhne, Töchter und die Ehefrau. Ironischerweise spricht der Koran im Kontext des Erbe-Themas nur von einer Frau, von mehreren Frauen ist nicht die Rede. Frauen hatten also ihren Anteil. Die Ehe wird im Koran in Begriffen der gegenseitigen Liebe vorgestellt; der Ehemann ist das Gewand der Gattin und umgekehrt. Sie enthalten einander. Verglichen mit der Scharia, wo die Heirat in Begriffen des Kaufs und Verkaufs behandelt wird und die Frau eine Ware ist, verleiht der Koran der Ehe einen hohen Status."
Stichwörter: Scharia, Heirat, Schiiten

Magazinrundschau vom 31.03.2009 - ResetDoc

Reset wirft einen Blick auf den bereits im Vorfeld feststehenden Sieg von Präsident Abdelaziz Bouteflika bei den algerischen Wahlen am 9. April. Der Journalist Mahmoud Belhimer beschreibt, wie Bouteflika die Begrenzung der Amtszeit abgeschafft hat; Oppositionsparteien boykottieren die Wahlen und glaubwürdige Oppositionsführer weigern sich, mit der Presse zu sprechen. In dem Bewusstsein, dass die Wahrnehmung dieses abgekarteten Spiels die Apathie der Wähler erhöht hat, "eilen [die Behörden], um das einzige zu retten, was noch auf dem Spiel steht: eine ehrenvolle Höhe der Wahlbeteiligung. (...) Arabische Regime sind erfolgreich darin, totalitäre Mittel selbst in scheinbaren Demokratien zu entwickeln. Das ist wirklich die eiserne Hand im Samthandschuh. Sie erhalten ihre Macht, indem sie gewisse 'pluralistische' Aktivitäten tolerieren, die genau kontrolliert werden, um nicht die etablierte Ordnung zu stören."

Marco Cesario interviewt den algerischen Schriftsteller Mohammed Benchicou, Autor von "Bouteflika: An Algerian Deception": Um "die zwei großen Probleme illegale Immigration und Terrorismus, die derzeit Europa erfassen, zu lösen" "muss die Europäische Union unbedingt verstehen, dass die Stabilisierung der Länder, die die südlichen Ufer des Mittelmeers überblicken, die Demokratisierung der politischen Macht in diesen Ländern einschließt." Cesario spricht auch mit Benjamin Stora, einem Pariser Geschichtsprofessor, der viele Essays über den Algerienkrieg verfasst hat.

Magazinrundschau vom 17.03.2009 - ResetDoc

Die Behauptung, die Zivilgesellschaften in muslimischen Staaten seien rückständig und unfähig zur Kritik, folgt nur der postkolonialen Logik westlicher Staaten, glaubt Marco Cesario. Er zählt einige Beispiele für Dissidenz in Ägypten, der Türkei, dem Libanon, Tunesien, Algerien und Jordanien auf, um dann festzuhalten: Unbemerkt vom Westen ändern sich die arabischen Gesellschaften und dazu, so Cesario, trägt vor allem das Internet bei. "Wie Jihad Al Khazan in der panarabischen Tageszeitung Al Hayat feststellte, schreibt der Nahe Osten heute dank des Internets und der Blogs ein vollkommen neues Kapitel, weil diese den Weg zu größerer Meinungsfreiheit öffnen. Heute zerstört eine Armee von Bloggern, Intellektuellen, Künstlern und politischen Flüchtlingen mit verschiedenen Formen der Dissidenz die politische Unbeweglichkeit der Regierungen und verursacht profunde Veränderungen in ihren Gesellschaften. Alles, was in einem Land passiert, kann gefilmt und für jeden sichtbar online gestellt werden. Ein Blog kann leicht die Zensur eines Regimes umgehen und über die Fakten berichten. Die Machtbeziehung zwischen politischen Regimen und den Zivilgesellschaften, früher zugunsten der Regime neigend, erreicht langsam eine neues Gleichgewicht."

Außerdem: Khalid Chaouki kritisiert die Tendenz westlicher Regierungen, sich mit autokratischen Regimen in der arabischen Welt gutzustellen. Nadia Urbinati, Professorin für Politische Theorie an der New Yorker Columbia University erklärt, wie wichtig Dissidenz für die Demokratie ist. Michael Kazin, Geschichtsprofessor an der Georgetown University beschreibt im Interview die Rolle oppositioneller Bewegungen in den USA.

Magazinrundschau vom 27.01.2009 - ResetDoc

Seyla Benhabib wünscht sich eine Konföderation aus Israel und Palästina. "Angenommen, die Neutralisierung von Gruppen wie Hamas und Hizbollah, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen, wäre erklärtes Ziel der Palästinenser wie anderer arabischer Nationen, die Hamas aber, sobald sie das Existenzrecht Israels anerkennen würde, dürfte mit an den Tisch; angenommen, es gäbe eine Kontrolle von Wasser, Luft und Meer, die von israelischen und palästinensischen Behörden gemeinsam ausgeübt würde; angenommen, es gäbe eine gemeinsame Währung und eine regulierte Siedlungsrechte für alle ethnischen Gruppen in bestimmten Teilen des gemeinsamen Gebiets. Israel müsste keinen Bürgerkrieg gegen die fanatischen Siedler in Hebron und auf der Westbank befürchten, die entweder unter einer örtlichen palästinensischen Kommunalbehörde leben oder nach Israel zurückkehren müssten. Israel müsste seinen Landraub nicht mehr durch Einfälle in palästinensisches Gebiet verteidigen; die Palästinenser müssten nicht mehr vorgeben, das Bantustan in Gaza könne in irgendeiner Form Teil eines palästinensischen Staates sein; statt dessen wäre Gaza eine autonome Region, die einer israelisch-palästinensischen Konföderation angeschlossen wäre."

Außerdem: Daniele Castellani Perelli gibt einen Überblick über die Reaktionen in der internationalen Presse auf den Krieg in Gaza. Marta Federica Ottaviani beschreibt die Betretenheit der türkischen Regierung, dass der Konflikt trotz ihrer Vermittlungsbemühungen eskaliert ist.

Magazinrundschau vom 14.10.2008 - ResetDoc

Der ägyptische Journalist Wael Abbas, Gründer des Blogs MisrDigital@l, erklärt im Interview, was Blogs für Ägypten bedeuten, aber auch für Marokko oder Bahrain und warum in Algerien die Radiosender wichtiger sind als Blogs. Sein ganz persönliches Credo: "Ich war schon als Kind von den politischen Parteien enttäuscht. ... Einige meiner Idees sind liberal, manche links, manche islamistisch, manche nationalistisch und diese Kombination - das bin ich. Ich und meine politischen Ansichten. Ich muss keiner Regel der Linken, der Liberalen oder der Islamisten gehorchen."

Außerdem: Amr Hashem Rabie, politischer Analyst am Ahram Centre for Political and Strategic Studies in Kairo erklärt in einem kurzen Interview, warum es keine Entwicklung - auch keine wirtschaftliche - ohne politische Veränderung sprich Demokratisierung in Ägypten geben wird. Und Mohammed Helmy, Forscher am Kairoer Institute for Human Rights Studies und Director des Magazins Ruwaq Arabi, analysiert im Interview das Kidnappinggeschäft in Ägypten.
Stichwörter: Algerien, Bahrain, Marokko, Abbas, Wael

Magazinrundschau vom 29.07.2008 - ResetDoc

Das dem interkulturellen Dialog verpflichtete Magazin Resetdoc.org bringt ein Dossier über die internationale Öffentlichkeit im Zeitalter englischsprachiger Satellitenkanäle mit konkurrierenden Weltsichten - von CNN bis Al Jazeera (Editorial). Am interessantesten scheint uns ein Gespräch, das Karin Wahl-Jorgensen mit der politischen Philosophin Seyla Benhabib führte, die zunächst eine kleine Hommage auf Jürgen Habermas darbringt und dann erklärt, was sie sich vom Wechselspiel zwischen Blogosphäre und Printmedien in den USA erwartet: "Ich sehe beide Trends. Auf der einen Seite werden Blogs oft von Amateuren gemacht, und das führt leicht zu verzerrten Darstellungen und Desinformation. Aber andererseits findet man auf Blogs oft ein Mehr an Informationen, und das zwingt die etablierten Medien, sich dazu zu verhalten. Insgesamt ist das ein guter Prozess, denn er führt zu mehr Transparenz in den Medien."

Magazinrundschau vom 10.06.2008 - ResetDoc

Rechts oder Links - das ist nicht mehr die Frage, wenn es um die Lösung der Probleme geht, die die Globalisierung verursacht, erklärt der polnische Soziologe Zygmunt Bauman im Interview. "Global produzierte Probleme lassen sich nur global klären. Lokale Regierungswechsel bringen uns der Lösung dieser Probleme nicht näher. Die einzig denkbare Lösung für die global verursachte Welle existenzieller Unsicherheit ist die Anpassung der Macht der Politik, der Volksvertretung, des Gesetzes und des Gerichtsstandes an die schon globalisierten Kräfte. Die Lösung, wenn sie überhaupt denkbar ist, besteht in einer Neuvermählung von Macht und Politik - aber dieses Mal auf einer höheren, globalen, planetarischen, gesamtmenschlichen Ebene."

Magazinrundschau vom 20.05.2008 - ResetDoc

Resetdoc widmet sich Christen im Nahen Osten. Der koptische Priester Giuseppe Scattolin stellt im Gespräch mit Khalid Chaouki fest, dass die alten Diktatoren aus christlicher Sicht so schlecht nicht waren. "Zur Zeit von Nassers Revolution haben sich die ägyptischen Kopten interessanterweise weitaus mehr eingebunden gefühlt in die Geschicke ihres Landes, dank der arabischen nationalistischen Bewegung , die zwar von arabischer Kultur inspiriert, aber völlig säkular angelegt war. Auch Saddam Husseins Baath-Partei hat die Rolle, die arabisch-christliche Gemeinden spielten, vor einem säkularen Hintergrund anerkannt."

Vom Libanon bis nach Griechenland ist Frederic Pichon gereist, um alte christliche Gemeinden und Konvente in der Region zu besuchen. Elisabetta Ambrosi spricht mit Pichon über die prekäre Lage der Christen in muslimischen Ländern und ihre nützliche Rolle in islamischen Mehrheitsgesellschaften. "In Wirklichkeit ist der Extremismus, der die muslimische Welt aufwühlt, eine interne Angelegenheit des Islam. Die wahre Kluft öffnet sich zwischen Sunniten und Schiiten. Die Christen haben immer als Kitt zwischen diesen Gemeinschaften fungiert, und deshalb ist ihre Präsenz derzeit noch wichtiger als in der Vergangenheit, als sie die Moderne in die arabische Welt brachten." Pichon hat seine Reise auch in einem Buch festgehalten.

Außerdem betont der Schriftsteller Massimo Carlotto im Gespräch mit Amara Lakhous die gemeinsamen mediterranen Wurzeln von Christen und Muslimen. Und Andrea Riccardi ruft die Muslime in einem ursprünglich in La Stampa erschienenen Artikel auf, gemeinsam mit den Christen die Zukunft der arabischen Welt zu gestalten.

Magazinrundschau vom 25.03.2008 - ResetDoc

Die neueste Ausgabe von Reset.doc sieht sich an, welche Rolle Immigranten im italienischen Wahlkampf spielen: Keine. Sie dürfen nicht einmal auf lokaler Ebene wählen. Und Walter Veltronis DP hat ihren einzigen Politiker arabischer Herkunft nicht noch einmal aufgestellt. Gad Lerner, Journalist und Moderator der Talkshow "L'Infidele", sieht darin den "zigsten Beweis für den italienischen Provinzialismus", jeder Fußballclub sei in dieser Hinsicht weiter als die Politik. "Als könnte die Allgemeinheit die Augen davor verschließen, dass sie sich heutzutage etwas anders zusammensetzt als früher. Was unsere provinzielle Naivität noch verschlimmert, ist der Irrglaube, dass jeder, der das Thema Einwanderung angeht, also offen bekennt, dass es ein Problem gibt, ein Masochist sein muss. Deswegen scheint es probater, einfach die Immigranten von den Wahlen auszuschließen."

Im Interview mit Daniele Castellani Perelli erklärt Souad Sbai, Herausgeberin der marokkanischen Boulevard-Zeitung in Italien Al Maghrebiya, warum sie für Silvio Berlusconis "Volk der Freiheit" kandidiert: "Warum nicht? Ist der Immigrant denn ein Monopol der Linken? Die Immigranten in Italien denken, essen und wählen genauso wie andere Italiener, rechts, links, mittig. In unseren Herkunftsländern wählen wir Parteien jeder politischer Ausrichtung, von der extremen Rechten bis zur extremen Linken. Woher rührt die Idee, dass wir links wählen müssen, sobald wir italienischen Boden betreten?"

Weiteres: Der algerische Autor Amara Lakhous versteht nicht, warum es Migranten unmöglich gemacht wird, Politik mitzugestalten. Khalid Chaouki ruft dagegen die Einwanderer auf, von sich aus aktiver zu werden.