Magazinrundschau - Archiv

Le Monde

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Magazinrundschau vom 14.07.2009 - Le Monde

In Le Monde des livres liest Jean Birnbaum ein Buch (Auszug auf englisch) des amerikanischen Historikers John Merriman über einen der ersten Terroristen Europas, den Anarchisten Emile Henry, der 1894 in Paris ein belebtes Cafe in die Luft jagte: "Emile hatte eine Zigarre und ein Bier bestellt. Nicht ohne seine Rechnung zu bezahlen, beschloss er dann, dass der Moment gekommen sei. Seine Tat ist eine Wegmarke in der Geschichte der politischen Gewalt: Zum ersten Mal entscheidet sich ein Anarchist in Europa, nicht einen Repräsentanten des Staates anzugreifen, sondern eine anonyme, per Zufall zu tötende Masse."
Stichwörter: Politische Gewalt

Magazinrundschau vom 07.07.2009 - Le Monde

Es ist Zeit für eine radikale Umkehr, meint der ehemalige amerikanische Radsportler Greg LeMond in seiner Kolumne zur diesjährigen Tour de France. Der dreimalige Gewinner der Tour schreibt über das Ereignis, das eigens von einer Zeitung geschaffen wurde, damit sie darüber berichten konnte (mehr hier): "Ich will mir die Tour ansehen können, ohne mich zu fragen zu müssen, wer sauber ist und wer schummelt, was am Sportler liegt oder am Medikament eines berühmten italienischen oder spanischen Arztes... Wann sagt man endlich: 'Es reicht!'? Der Radsport hat in ein paar Jahren einen Großteil seiner Glaubwürdigkeit verloren, für die er so lange gearbeitet hat. Es ist nicht zu spät, die Richtung zu ändern und sie sich zurückzuerobern. Aber das ist nicht Job der Medien. Es sind die Fahrer, die Sportchefs, die Organisatoren und das Publikum, die diesen Wandel fordern müssen."
Stichwörter: Medikamente

Magazinrundschau vom 05.05.2009 - Le Monde

Jacques Mandelbaum, Filmkritiker von Le Monde, sieht eine ganze Welle politischer Dokumentarfilme auf Frankreich zurollen. Der Erfolg der Michael-Moore-Filme mag im Hintergrund stehen, auch die Tatsache, dass die Fernsehsender immer weniger zu derartigen Inhalten fähig sind. Aber es kommt noch etwas anderes hinzu: der Live-Aspekt, der nach dem Musik- nun auch das Filmbusiness retten soll. Mandelbaum zitiert einen Verleiher: "Die Begegnung zwischen dem Publikum und den Filmleuten ist wesentlich für diese Art von Filmstart. Das ist nicht irgendeine wilde Talkshowrunde. Die Leute haben einfach Lust sich das anzusehen, sie sind mit völligem Ernst bei der Sache. Das ist eine entscheidende Luftzufuhr für die heutige Landschaft, genau diese Art der Präsentation kann die Zukunft des Kinos sichern."

Magazinrundschau vom 28.04.2009 - Le Monde

Mezri Haddad, tunesischer Philosoph und Theologe, denkt über die "Vampirisierung" des Islam nach. Dem Westen wirft er vor, keinen Unterschied zu machen zwischen Quietisten und Fundamentalisten, intellektueller Elite und Masse, theokratischen und halb-laizistischen Staaten. Denn die religiöse Pflicht jedes Muslims, für seinen Glauben einzutreten und ihn gegen Feinde und Verschwörer zu verteidigen, werde in den einzelnen Strömungen des Islams sehr unterschiedlich interpretiert. Über die Taliban schreibt er: "Diese Sekte ist eins zu eins ein Auswuchs des saudi-arabischen Wahabismus, der für den Islam das ist, was die Inquisition für das Christentum war: eine theologisch-politische Perversion. Der Schritt vom Wahabismus zum Talibanismus ist ein psychologisch und ideologisch natürlicher Prozess. Der Fall von Osama Bin Laden ist bezeichnend. Als diese Sekte Afghanistan regierte, waren die einzigen Staaten, die ihr blutrünstiges Regime anerkannten, Saudi-Arabien und Pakistan, zwei Länder, die ebenfalls auf einer religiösen Basis beruhen und ihre Entstehung dem anglo-amerikanischen Strategiegenie verdanken."

Zu lesen ist außerdem ein Portrait der amerikanischen Schriftstellerin und Literaturnoblpreisträgerin Toni Morrison, deren jüngstes Buch "A mercy" in Frankreich erscheint.

Magazinrundschau vom 02.12.2008 - Le Monde

Im November vergangenen Jahres schockte der amerikanische Journalist Donald Morrison die Franzosen, als er im Time Magazine den "Tod der französischen Kultur" verkündete. Auf diesem Artikel beruht sein im September erschienenes Buch "Que reste-t-il de la culture française?" (Les Editions Denoel). Im Interview erklärt er: "Gerade die, die immer das Gegenteil behaupten, schätzen ihre Kultur gar nicht. (...) Frankreich unterstützt seine Kultur, und es ist einfach, hier mit mittelmäßigen, ichbezogenen Romanen und Filmen berühmt zu werden, die sich außer auf Canal plus kein Mensch ansieht. Künstler müssen sich nicht durchkämpfen, ebenso wenig wie Verleger, Produzenten und Galeristen. Es ist viel einfacher, hier Künstler, vor allem Schriftsteller zu sein, als in den Vereinigten Staaten."

Magazinrundschau vom 07.10.2008 - Le Monde

Jonathan Littell, der einst als Abgesandter der Soros-Foundation in Georgien arbeitete, war während des kurzen Krieges auf dem Terrain. In Le Monde veröffentlicht er eine epische Reportage, die mit Kritik an beiden Seiten nicht spart. Unter anderem schreibt er über die Pressepolitik beider Seiten. Auch durch Südossetien durfte er reisen. Anders als die Georgier hätten die Russen den Journalisten allerdings keine Gelegenheit zu freier Recherche gegeben. "Der Clou dieser Magical Mystery Tour ist das klassische Konzert mit dem Orchester des Mariinsky-Theaters aus Sankt-Petersburg unter Valery Gergiev vor den Ruinen des örtlichen Parlaments. Seit Jahren hatten die Georgier versucht, Gergiev, einen Nordosseten und dicken Freund Putins, für ein Versöhnungskonzert einzuladen. In Tschinwali leitet er, umgeben von einer Kinderschar, sein vom russischen Fernsehen live übertragenes Konzert mit einer Ansprache auf russisch und englisch ein. Er spricht über den 'Genozid', der von den Georgiern verübt worden sei und vergleicht sie mit den Attentätern des 11. September. Und obwohl selbst die ossetische Stellen nur noch von 133 Ziviltoten sprach, hält er sich lieber an die anfängliche Version mit den 2000 Toten."

Magazinrundschau vom 05.08.2008 - Le Monde

Unter der Überschrift "Karadzic und der poeto-militärische Komplex" mahnt der slowenische Philosoph Slavoj Zizek, in dem ausgebildeten Psychiater nicht nur den schonungslosen Politiker und Militärmann zu sehen, sondern auch den anderen Aspekt seiner Persönlichkeit zu berücksichtigen und ernst zu nehmen: den des Lyrikers beziehungsweise Literaten. Denn eine aufmerksame Lektüre, so Zizek, könne uns helfen, das "Funktionieren ethnischer Säuberungen" zu verstehen. Zu den ersten Zeilen eines Gedichts von Karadzic, das zu entfesselter Gläubigkeit in eine Sache aufruft, schreibt er: "Der Verweis auf diesen Gott, der 'euch nichts untersagt', ist entscheidend um zu verstehen, wie zur Erzeugung ethnischer Gewalt moralische Verbote aufgehoben werden. Das Klischee will, dass eine ethnische Identifikation die Rückkehr zu Werten bedeutet. Dieses Klischee müssen wir umdrehen. Ein ethnischer Fundamentalismus gründet sich im Gegenteil auf eine stillschweigende Aufforderung: Ihr dürft!"

Magazinrundschau vom 11.09.2007 - Le Monde

Sollen Roboter angesichts ihrer künstlichen Intelligenz auch Rechte haben? Mit dieser Frage, weiß Le Monde, beschäftigen sich diverse wissenschaftliche Projekte, aber auch Verbände in Roboter herstellenden Ländern. Während man in England über Wahlrecht und Steuerpflicht von Maschinenhelfern und in Amerika über eine mögliche Gleichstellung mit Tieren nachdenkt, hat man in Japan ein eher pragmatisches und wenig von ethischen Überlegungen geprägtes Verständnis. In Südkorea wiederum, dem größten Rivalen der Japaner auf dem Robotermarkt, soll noch in diesem Jahr ein "Ethikkatalog für Roboter" abgefasst werden. "Der Text lehnt sich an Prinzipien an, die der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov formuliert hat. Roboter dürfen sich nicht an Menschen vergreifen oder Menschen Schmerzen zufügen tun. Roboter müssen Menschen gehorchen, solange es nicht gegen die erste Regel verstößt. Roboter müssen für deren Schutz sorgen, sofern es nicht gegen die anderen Regeln verstößt."

Magazinrundschau vom 03.04.2007 - Le Monde

Dem Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe weht derzeit heftig der Wind um die Ohren. Grund ist seine Verkehrspolitik, die bereits im Januar in der Liberation unter der Überschrift "Die Zerstörung von Paris" heftig gegeißelt wurde. Nun beschwert sich in Le Monde auch der Filmemacher Claude Lanzmann in einem herrlich beleidigten (und unfreiwillig komischen) Artikel über die "Ökologisierung" von Paris, namentlich und besonders über die Einführung von Busspuren. "Fahren Sie mal über den Boulevard Saint-Germain Richtung Boulevard Saint-Michel und versuchen Sie, nach rechts in die Rue de Seine oder de l'Odeon abzubiegen, das ist lebensgefährlich: durch die graue Spur neben der normalen Fahrspur begünstigt, rasen die Taxis bei Grün los und hindern einen am Abbiegen. Wenn Sie es trotzdem versuchen, haben Sie alle Chancen, mit Hochgeschwindigkeit gerammt zu werden. Auch die Fußgänger sind nicht in Sicherheit. Ich habe mich auf diesen aufs Pflaster gemalten Schachbrettmustern schon verlaufen, auf diesen Himmel-und-Hölle-Hüpffeldern, der neuesten Marotte dieses Öko-Pausbacks, wusste nicht, ob oder ob ich nicht losgehen sollte, und wer oder was mich eigentlich schützt. Ich bin nicht der Einzige." Wir wussten es schon immer: Das Leben in Saint-Germain des Pres ist gefährlich!

Magazinrundschau vom 20.03.2007 - Le Monde

Der französische Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy hat kürzlich angekündigt, im Falle seiner Wahl ein Ministerium einrichten zu wollen, das sich einzig den Problemen der Immigration und der nationalen Identität widmen solle. In einem Interview konfrontiert der Historiker Pierre Nora ("Erinnerungsorte") wenige Wochen vor der Wahl die Franzosen nun mit einigen Thesen zum beschädigten französischen Selbstverständnis, die vermutlich einige Diskussionen auslösen werden. Als Hauptursache der französischen Identitätskrise macht Nora eine bisher in dieser Länge seit Ende des Algerienkriegs 1962 nie gekannte Friedenszeit aus. Daneben nennt er aber noch eine Reihe weiterer Gründe: "den Machtverlust Frankreichs seit Ende des Kolonialreichs; die Veränderung traditioneller Parameter der staatlichen Souveränität (...) mit dem Verschwinden des Franc; die Integration Frankreichs in einen europäischen Raum, in dem es als Mittelmacht auf den Rang der anderen herabgesetzt wurde; die Schwächung der staatlichen Macht, die in Frankreich eine fundamentale Dimension des nationalen Bewusstseins war, und der Sog der Dezentralisierung."