Sandro Magister ist
erstaunt über die wertkonservative Konkurrenz nebenan, den
L'Osservatore Romano. Die Zeitung des Vatikans entwickelt sich zwar nicht gerade zum Dissidentenblatt, aber seit Giovanni Maria Vian vor gut einem Jahr das Ruder übernommen hat, segelt der L'Osservatore auch mal gegen den Strom. Zum Beispiel in Sachen
Tod. "Den man heutzutage üblicherweise nicht mehr daran festmacht, ob das Herz aufgehört hat zu schlagen, sondern ob sämtliche
Gehirnfunktionen erloschen sind. Diese Abmachung, die 1968 in Harvard getroffen wurde, hat beträchtliche Auswirkungen auf die Praxis, denn sie erlaubt Organtransplantationen bei schlagendem Herz. Aber es handelt sich eben um eine bloße Vereinbarung. Sie ist streitbar und es wird auch über sie gestritten. Am 2. September veröffentlichte der
L'Osservatore Romano auf der ersten Seite einen
Kommentar von Lucetta Scaraffia, die im Endeffekt die Debatte darüber neu eröffnete, wann das Leben zu Ende ist und damit die Legitimität von heute üblichen Organtransplantionen in Frage stellte. Der Artikel löste ein
Erdbeben aus. Vor allem innerhalb der Kirche. Die vorherrschende Linie im Vatikan war bis dato, Organtransplantationen zu billigen, wenn zuvor das Hirnversagen festgestellt wurde. In der Kurie erhob sich ein Proteststurm gegen den L'Osservatore Romano. Schließlich war ja bald eine Tagung über Organtransplantationen angesetzt, und es gab Druck, dass der Papst bei dieser Gelegenheit die Debatte beenden könnte, indem er den Gehirntod als Kriterium bekräftigt. Aber Benedikt XVI. äußerte sich am 7. November etwas anders." Er sagte, man solle sehr vorsichtig sein, den Tod eines Menschen zu verkünden, und stützte damit die
Quertreiber im Osservatore.