Magazinrundschau
Blicken Sie ins Dunkel
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
20.12.2011. In der Lettre erklärt Peter Nadas, an welcher Station die Ungarn auf ihrem langen Marsch in die Demokratie gerade angekommen sind. Im New Statesman rühmt Slavoj Zizek die Mordmaschine Coriolanus. Im Guardian staunt Julian Barnes über den Unterschied zwischen Essay und Essai. In Elet es Irodalom erkennt Adam Michnik keinen Unterschied zwischen lechts und rinks mehr. Nonfiction.fr fordert eine Liberalisierung der Migration. Prospect skizziert die Zukunft der Literatur: Sie ist kurz, aber ernst.
Lettre International (Deutschland), 01.12.2011
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Georg Stefan Troller erinnert sich an bedeutende Fotografen, die er kennengelernt hat, zum Beispiel Man Ray, der er in Zusammenhang mit einem Film rund um Hemingways Memoirenband "Paris - ein Fest fürs Leben" interviewte: "'Have fun and hunt for liberty', diesen Satz sollten wir immerhin bringen über ihn und ihn ansonsten in Ruhe lassen. Aber natürlich fällt ihm gerade jetzt noch etwas ein, das er unbedingt drin haben möchte: 'Auch das mit der verlorenen Generation habe ich nie ganz kapiert. Ich hielt mich eher für die gefundene!' Und mit plötzlicher Eingebung: 'La generation trouvee. Also der Zufallsfund, den man spornstreichs zum Konzept umfunktioniert.' Das alles in dem ordinären näselnden Brooklyn-Dialekt." Hier der Auszug.
New Statesman (UK), 16.12.2011
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Jason Cowley wird in seinem Nachruf auf Christopher Hitchens, der im New Statesman seine Journalistenkarriere begann, nicht unhöflich, bleibt aber kühl: "Hitchens war vieles zugleich: Polemiker, Reporter, Autor, Rhetoriker, militanter Atheist, Trinker, Name-dopper, Erzähler. Er war auch ein Absolutist. Er mochte es, ein klares Ziel ins Visier zu nehmen und drauflos zu feuern; er wusste, wogegen er schreiben wollte und tat dies mit all der Kraft und Macht seiner formidablen Gelehrsamkeit und Eloquenz."
Zu lesen ist ein kurzer Auszug aus dem letzten Interview, das Richard Dawkins mit seinem atheistischen Mitstreiter Hitchens führte.
Espresso (Italien), 16.12.2011
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Guardian (UK), 17.12.2011
Julian Barnes hatte noch nie vom Europäischen Buchpreis gehört, bis er vor einem Monat gebeten wurde, als diesjähriger Präsident der Jury zu fungieren. Alles in allem hatte er Spaß mit seinen französischen und belgischen Kollegen: "Manchmal waren wir allerdings etwas verwirrt von der Unschärfe der Kategorien. Ich fragte einen französischen Journalisten in der Jury, ob er mir erklären könne, was genau als Essai gelte. Er lächelte pariserisch: 'Das ist eine Kategorie für Intellektuelle.'" Mit dem Preis für den besten Essai wurde dann die polnische Journalistin Anna Bikont ausgezeichnet, die über das Massaker von Jedwabne schrieb. Der Preis für den besten Roman ging an den deutschen Autor Maxim Leo für "Haltet Euer Herz bereit". Der Buchpreis wurde übrigens, wie man auch aus diesem Artikel erfährt, von Jacques Delors begründet.
Der Schriftsteller Ian McEwan erzählt, wie er Christopher Hitchens in dessen letzten Lebenswochen bei einem Besuch im Krankenhaus in Houston erlebt hat: Schreibend natürlich, an einem langen Stück über Chesterton: "Stellen Sie sich diese Kombination vor: Chronische Schmerzen, schwach wie ein Kätzchen, runtergezogen vom Morphium, dann das Gewirr von Theologie und Politik während der Reformation, Chestertons romantisches Fantasie-England..., mit dem Christopher aufräumen wollte. Von Zeit zu Zeit sank sein Kopf, seine Augen waren geschlossen, dann weckte er sich mit übermenschlicher Anstrengung selbst wieder auf, um noch eine Zeile zu schreiben. Sein gutes Gedächtnis kam ihm zupass, denn er hatte nicht all die üblichen Bücher zur Hand. Wenn die Kritik herauskommt, lesen Sie sie."
Der Schriftsteller Ian McEwan erzählt, wie er Christopher Hitchens in dessen letzten Lebenswochen bei einem Besuch im Krankenhaus in Houston erlebt hat: Schreibend natürlich, an einem langen Stück über Chesterton: "Stellen Sie sich diese Kombination vor: Chronische Schmerzen, schwach wie ein Kätzchen, runtergezogen vom Morphium, dann das Gewirr von Theologie und Politik während der Reformation, Chestertons romantisches Fantasie-England..., mit dem Christopher aufräumen wollte. Von Zeit zu Zeit sank sein Kopf, seine Augen waren geschlossen, dann weckte er sich mit übermenschlicher Anstrengung selbst wieder auf, um noch eine Zeile zu schreiben. Sein gutes Gedächtnis kam ihm zupass, denn er hatte nicht all die üblichen Bücher zur Hand. Wenn die Kritik herauskommt, lesen Sie sie."
Elet es Irodalom (Ungarn), 16.12.2011
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Economist (UK), 17.12.2011
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Weiterhin erfährt man, was für ein Geschäftsmann Albrecht Dürer war, dass Martin Luther ein Social-Media-Pionier war, auf welche Weisen sich die Schwarmintelligenz von Fußgängermassen erforschen lässt, was es mit dem Higgs-Teilchen auf sich hat, das womöglich im CERN gefunden wurde, und welchen Zweck die menschliche Körperbehaarung hat. Daneben werden eine Ausstellung im Pariser Museum Jacquemart-Andre mit Arbeiten von Fra Angelico, sowie eine Ausstellung im Florentiner Fondazione Palazzo Strozzi über Boticcelli und seine Bankiers empfohlen.
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nonfiction.fr (Frankreich), 18.12.2011
Hm, ob hiesige Globalisierungskritiker diese Überlegungen nachvollziehen könnten? In nonfiction.fr fragt ein Autor, dessen Name nicht zu finden ist: "Was wäre, wenn die Menschen dieser Welt sich frei bewegen dürften?" Zwei neuere Bücher haben ihn zu dieser Frage inspiriert. Es sei nicht mehr akzeptabel, "die Bewegungen von Menschen zu begrenzen, während Waren und Geld ohne jede Beschränkung zirkulieren dürfen. Wir müssen zu einem System zurückkehren, in dem der Mensch vor den Gütern und den Märkten steht. Der Konnex zwischen Migration und und Entwicklung zeigt, wie sehr Migration von den Regierungen als Instrument wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und als Hebel für eine globale Verbesserung des menschlichen Schicksals begriffen werden muss. Jenseits eines utopischen Denkens ist es an der Zeit, die Migration aus dem Prisma eines bloßen Sicherheitsdenkens zu rücken und die Augen für den realen Beitrag der Migranten für ihre Heimat- und für ihre Gastländer zu öffnen." Zumindest solange, bis die Gewerkschaften protestieren!
Prospect (UK), 14.12.2011
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Weiteres: Rachel Aspden trifft in Ägypten die koptische Christin Samia, die skeptisch abwartend in die Zukunft ihres Landes blickt (und schon jetzt nur zwei Drittel des Lohns ihrer muslimischen Kollegen verdient). James Maxintyre verbringt die Nacht im Londoner Occupy-Camp vor St. Paul's.
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