Magazinrundschau
Es sieht nicht aus wie ein Leonardo
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
06.07.2010. Der New Yorker überlegt vor einem umstrittenen Leonardo, wer fehleranfälliger ist: der Kunstkenner oder der Wissenschaftler. Polityka erklärt, was von der Vierten Republik übrig bleibt. Im Observer spricht Claire Denis über Scham. In La regle du jeu sieht Roberto Saviano einen unerwünschten Ausdruck in den Augen seiner Bewunderer. MicroMega sieht ein neues politisches Monstrum erstehen: die illiberale Demokratie. Die LRB hat einen Dummen für unseren Atommüll gefunden: Außerirdische.
New Yorker (USA), 19.07.2010
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Weiteres: Anthony Lane sah im Kino die Komödie "The Kids Are All Right" von Lisa Cholodenko und die DVD "Die Hölle von Henri-Georges Cluzot". Zu lesen ist außerdem die Erzählung "An Honest Exit" von Dinaw Mengestu und Lyrik von John Ashbery und Stanley Plumly.
Polityka (Polen), 02.07.2010
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Observer (UK), 04.07.2010
Andrew Hussey spricht mit Claire Denis über ihre Filme - auch über "White Material", in dem Isabelle Huppert eine Kaffeepflanzerin irgendwo in Afrika spielt, in einem Land, das kurz vor der Revolution steht. Drei Menschen werden genannt, die für Denis wichtig sind: Marguerite Duras, George Bataille und Frantz Fanon: "Denis las Fanon als sie um die 14 war und fand seine Ideen verheerend. Am beschämendsten in seinem Werk fand sie seine Analyse der entwürdigenden Folge von Scham und Erniedrigung, der Kolonisten wie Kolonisierte gleichermaßen befällt. 'Ich begriff, dass Scham das entscheidende Gefühl in dieser Beziehung war', sagt sie, 'auf beiden Seiten, der schwarzen und der weißen.'"
La regle du jeu (Frankreich), 01.07.2010
Stefano Montefiori schildert ein Treffen mit dem Schriftsteller und Journalisten Roberto Saviano, das strengstens bewacht in einem kleinen Restaurant stattfand. Der seit seinem Mafia-Buch "Gomorra" über ihm schwebende Todesfluch, schreibt Montefiori, beeinflusse selbst seine zahllosen Bewunderer. Saviano meint dazu: "Manchmal wird mir bewusst, dass um mich herum eine bizarre Atmosphäre herrscht, eine Art vorauseilender Trauer. Ich sehe in den Augen der anderen eine vorweggenommene Rührung, als hätten meine Äußerungen schon einen gewissen Wert, aber einen geringeren, als sie morgen haben werden, wenn man mich - endlich - ermordet hat."
Open Democracy (UK), 01.07.2010
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Literaturen (Deutschland), 01.07.2010
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Im Netz findet sich immerhin Frauke Meyer-Gosaus Kritik des neuen Christa-Wolf-Romans "Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud". Über weite Strecken hat die Rezensentin ihn gerne gelesen, aber nicht bis zum Schluss: "Tempi passati also allenthalben, ob das Ich nun auf die Sowjetunion zurückblickt oder eine Fahrt zu den Häusern deutscher Exilanten in L.A. unternimmt, und überall trifft sie auf letztlich sympathische Menschen: ein versöhntes Buch, harmonische Abrundung des langen Wegs einer deutschen Schriftstellerin im 20. Jahrhundert - endete der Roman mit ihrer Abreise von Los Angeles, wäre alles gut. Doch ist dies leider nicht der Fall, und auf den letzten gut dreißig Seiten entringt sich der Leserbrust so manches Stöhnen."
Außerdem: Der Autor Jochen Schmidt schreibt einige sehr schöne Einzeilenromane. Der Schriftsteller Ingo Schulze denkt über den Begriff "Intensität" nach. Stefanie Peter hat "Just Kids", Patti Smiths Erinnerungen an ihre Freundschaft mit dem Künstler Robert Mapplethorpe gelesen. Anders als die meisten Kritiker findet Daniel Kothenschulte durchaus freundliche Worte für Richard Eyres Bernhard-Schlink-Verfilmung "Der Andere" mit Liam Neeson und Antonio Banderas. Jürgen Flimm beantwortet den Fragebogen.
MicroMega (Italien), 29.06.2010
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La vie des idees (Frankreich), 02.07.2010
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London Review of Books (UK), 08.07.2010
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Jenny Turner berichtet von einer "Battle of Ideas" genannten Veranstaltung, auf der es um allerlei Vorschläge für eine bessere Zukunft ging: "Zwischen den Vorträgen wanderte ich von Stand zu Stand im Marktplatz Der Ideen... Da gab es den ManifestoClub ('Für Freiheit im Alltagsleben'): 'Wir veranstalten Picknicks an öffentlichen Orten', erklärte mir das sehr nette Mädchen, 'und wir rauchen und trinken dabei.' Oder WorldWrite ('Ferraris für alle'): 'Wir sind gegen die Idee des Mitleids', sagte ein junger Mann, während er mir eine DVD mit dem Titel Flush It! andrehen wollte, auf der es darum geht, wie der Westen den 'Mitbewohnern unserer Welt' qualitativ schlechte Toiletten andreht."
Weitere Artikel: Madelaine Reeves schildert die Ursprünge der Gewalt in Kirgistan. Peter Godfrey-Smith erklärt, wie Jerry Fodor und Massimo Piattelli-Palmarini in ihrem Buch "What Darwin Got Wrong" (dt. "Hier irrte Darwin") mit Hilfe sprachanalytischer Philosophie Mängel der Evolutionstheorie nachweisen wollen - und vor allem deshalb scheitern, weil sie einen zu engen Begriff vom Darwinismus haben. Peter Campbell besucht die Ausstellung "Magnificent Maps" in der British Library.
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