Magazinrundschau
Heilige Bücher sind oft einfach
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
12.08.2008. In Elet es Irodalom erklärt Miklos Tamas Gaspar am Beispiel von Solschenizyn den Unterschied zwischen Klassikern und Heiligen Büchern. Der Economist ist froh, dass im Westen kein Intellektueller mehr die Bedeutung Solschenizyns hat. The New Republic fragt, warum niemand das Schlachten in Darfur aufhalten konnte, obwohl alle davon wussten. Die London Review betrachtet Matisses "Dame mit Hut". Im Magazin denken die serbischen Psychoanalytiker Alek Vuco und Tamara Stajner-Popovic über die Symbolkraft von Karadzics Sprache nach. George Orwell hat jetzt ein Blog, berichtet das Time Magazine.
Elet es Irodalom (Ungarn), 11.08.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q88/A21388/es.jpg)
"Hätte man Zeit gehabt, die Reformen weiterzuentwickeln, hätte es vielleicht zu jenem freien gesellschaftlichen System kommen können, das den Sozialismus wettbewerbsfähig gemacht hätte - aber mit den damaligen Reformen wäre das auch nicht gelungen. ... Heute bin ich davon überzeugt, dass demokratische Wohlstandsgesellschaften nur durch marktwirtschaftliche Reformen zustande gebracht werden können. Es gibt keinen 'dritten Weg', der Wirtschaftssysteme ohne Privateigentum betreiben könnte", sagt der Ökonom Jiri Kosta, der sich nach 1962 an der Ausarbeitung jener Wirtschaftsreformen beteiligt hatte, die dem Prager Frühling vorausgingen. Nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts musste Kosta emigrieren und erhielt später einen Lehrstuhl an der J.W. Goethe Universität in Frankfurt am Main.
Economist (UK), 08.08.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q14/A21391/economist.jpg)
Ein dritter Artikel beschreibt den Niedergang der Intelligentsia in Russland. In der Jelzin-Ära "verließen viele Wissenschaftler das Land. Einige wurden Geschäftsleute (die meisten russischen Oligarchen dieser Zeit, eingeschlossen Boris Berezowsky, waren in ihrem früheren Leben Wissenschaftler). Einige nahmen Jobs in der Regierung an. Einige widmeten sich den Menschenrechten. Aber als Klasse schuf die Intelligentsia weder dauerhafte demokratische Institutionen noch festigte sie die 1991 errungenen Freiheiten. (...) Dem Geschmack des Erfolgs und der Eingemeindung lässt sich schwerer widerstehen als dem Zorn des Staates. Zuckerbrot ist korrumpierender als die Peitsche. Dieses Phänomen ist anschaulich beschrieben in Wassili Grossmans Roman "Leben und Schicksal" (1960). Einer der zentralen Charaktere, Viktor, ist ein talentierter Physiker, der stoisch seine Wissenschaft auch angesichts drohender Haft verteidigt. Aber er wird schwach und unterwürfig, als Stalin ihn anruft, um ihm Erfolg zu wünschen. 'Viktor hatte die Kraft gefunden, sein Leben zu riskieren - aber nun schien er unfähig zu sein, die Süßigkeiten und den Kuchen zurückzuweisen.'"
New Republic (USA), 27.08.2008
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Plus - Minus (Polen), 09.08.2008
Das Magazin der Tageszeitung Rzeczpospolita befragt den britischen Historiker Norman Davies sowie den russischen Dissidenten und Publizisten Wladimir Bukowski zu Alexander Solschenizyn. Letzterer erklärt, warum der Schriftsteller 2007 einen Orden von Putin angenommen hat: "Ich möchte ihn dafür nicht verurteilen. In seinen letzten Jahren war er schwer krank, konnte nicht gehen, vielleicht war er seiner Entscheidung nicht bewusst. Sicher ist jedoch, dass der Kreml ihn zynisch für seine Zwecke ausgenutzt hat. Für Putin, einen ehemaligen KGB-Agenten ging es darum, den Makel der Vergangenheit abzulegen. Seine Umgebung hatte erkannt, dass ein Besuch bei Solschenizyn sich gut dazu eignet." Davies versucht wiederum, die antiwestliche Haltung des Nobelpreisträgers mit einem Schock zu rechtfertigen: "Von den Lagern und dem Schriftstellertum im eingesperrten Russland zum Dissidenten-Leben im Westen war es ein großer Sprung, auf den Solschenizyn nicht vorbereitet war. Vieles hat ihm nicht gefallen; er war ein strenger und fordernder Mensch, der Materialismus und Konsumismus des Westens passte ihm nicht. Mir gefällt dieser Aspekt unseres Lebens auch nicht."
Außerdem erzählt der Journalist Bohdan Osadczuk, wie er dank der NZZ im Sommer 1955 Tschou En-lai kennenlernte und von diesem nach China eingeladen wurde. Einen interessanten Einblick in die Zeit und das chinesische Selbstverständnis erlaubt die Aussage des damaligen Botschafters in Warschau über das Zerwürfnis zwischen Moskau und Peking: "Junger Mann, ich sage Ihnen die ganze Wahrheit. Eine so junge Nation wie die russische, hat sich angemaßt, die alte chinesische Nation zu beleidigen. Solange sich Russland nicht entschuldigt, gibt es keine Versöhnung." Zu erwähnen sei noch, dass Osadczuk - polnischer Exilautor in Westberlin - und Botschafter Wang Ping-nan, der mit Tschou En-lai an der TU Berlin studiert hatte, Deutsch miteinander sprachen!
Außerdem erzählt der Journalist Bohdan Osadczuk, wie er dank der NZZ im Sommer 1955 Tschou En-lai kennenlernte und von diesem nach China eingeladen wurde. Einen interessanten Einblick in die Zeit und das chinesische Selbstverständnis erlaubt die Aussage des damaligen Botschafters in Warschau über das Zerwürfnis zwischen Moskau und Peking: "Junger Mann, ich sage Ihnen die ganze Wahrheit. Eine so junge Nation wie die russische, hat sich angemaßt, die alte chinesische Nation zu beleidigen. Solange sich Russland nicht entschuldigt, gibt es keine Versöhnung." Zu erwähnen sei noch, dass Osadczuk - polnischer Exilautor in Westberlin - und Botschafter Wang Ping-nan, der mit Tschou En-lai an der TU Berlin studiert hatte, Deutsch miteinander sprachen!
Spectator (UK), 06.08.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q62/A21390/spectator.jpg)
Michael Prescott, Fahrgast der Londoner U-Bahn während der Bombenanschläge am 7. Juli 2005, lobt den Film "Shoot on Sight", der die Ereignisse des Tages offenbar sehr angemessen dramatisiert, und geißelt die Tatsache, dass er in England keinen Verleih findet - pure Feigheit, wie er meint. "Das Drehbuch von Carl Austin lässt keinen einfach davonkommen. Polizisten, Prediger, Saudis, Briten, Busfahrer: Jeder darin ist von den Schockwellen von 9/11 und 7/7 betroffen und jeder wird für unzulänglich befunden. Jenseits des Kinos sind unsere Kultur- und Kunstbeauftragten mit Sicherheit auch unzulänglich. Es waren ein Drehbuchautor aus Los Angeles und zwei indischstämmige Amerikaner erforderlich, um sich der Frage anzunehmen, was es heißt, Londoner in Zeiten von Islamismus und Selbstmordattentätern zu sein." Aron Govil, der Produzent, hat mit allen großen Verleihern gesprochen, aber keiner will den Film anfassen, "sie sagen, das Thema sei zu sensibel".
London Review of Books (UK), 14.08.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q10/A21394/lrb.jpg)
Das Magazin (Schweiz), 09.08.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q123/A21392/1108maga.jpg)
Time (USA), 18.08.2008
![](https://www.perlentaucher.de/cdata/fliess/B2/Q204/A21393/1108time.jpg)