Heute in den Feuilletons
Wir dynamisieren das Hamsterrad
Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
06.01.2014. In der NZZ erinnert Bora Cosic an den jugoslawischen Architekten und Freund Bogdan Bogdanovich. Der Guardian bringt einen Auszug aus Claudia Roth Pierponts neuer Philip Roth-Biografie. In der FAZ wendet sich Kunsthistoriker Jeffrey Hamburger entschieden gegen die Ökonomisierung der Wissenschaft. In der Welt legt der Historiker Thomas Weber ein Wort für die deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs ein. Und Necla Kelek fordert, dass die Kinder der Roma und Sinti von der Politik nicht im Stich gelassen werden.
NZZ, 06.01.2014
Der Schriftsteller Bora Cosic erinnert an den jugoslawischen Architekten und Freund Bogdan Bogdanovich , der für seine Denkmale und Nekropolen ebenso berühmt wie verfemt wurde: "Der Mensch ist ein geborener Baumeister, das ist der Grundsatz dieses Architekten, aber nicht nur, solange er mit der Kelle in der Hand dieses oder jenes Objekt errichtet, sondern indem er sein Bauwerk zuerst im Kopf erzeugt. Unzählige seiner Texte erläutern diesen menschlichen Drang, der eine Vorbildung in der Geometrie, der Algebra und im Zeichnen verlangt. Vieles hat Bogdanovic ersonnen, um seine Umwelt, ihre Städte und die Straßen dieser Städte weiterzubringen, seine urbanistischen Theoreme sind genauso wichtig wie seine verwirklichten Werke. Da es aber keine Gelegenheit gab, diese Ideen umzusetzen, zog er sich auf die Friedhöfe unseres Landes zurück." (Foto: Die Nekropole von Mostar)
Weiteres: Uwe Justus Wenzel blickt jetzt auch erwartungsvoll auf das Erscheinen von Heideggers "Schwarzen Heften", die einen systematischen Antisemtismus zum Vorschein bringen sollen. Jürgen Tietz besichtigt David Chipperfields neues Berliner Büro.
Weiteres: Uwe Justus Wenzel blickt jetzt auch erwartungsvoll auf das Erscheinen von Heideggers "Schwarzen Heften", die einen systematischen Antisemtismus zum Vorschein bringen sollen. Jürgen Tietz besichtigt David Chipperfields neues Berliner Büro.
Welt, 06.01.2014
Der Historiker Thomas Weber, Autor eines Buchs über Hitler im Ersten Weltkrieg, legt im Forum ein Wort für die deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs ein, die mehrheitlich keineswegs nationalistisch verblendet gewesen seien: "Wir sollten aufhören, Goebbels' späte, nichts ahnende Opfer zu sein. Soldaten fühlten sich damals oftmals sowohl mit den gegnerischen Soldaten als auch mit der 'feindlichen' Zivilbevölkerung verbunden. Selbst im Schrecken des Krieges waren auch die Deutschen noch Europäer. Es gibt eine Kontinuität von den kosmopolitischen Nationalisten der Vorkriegszeit über die Soldaten des Ersten Weltkriegs bis zu den Gründungsvätern der europäischen Einigung."
Weder die nationalen Besitzstandswahrer von der CSU noch die wohlmeinenden Kräfte der politischen Linken interessieren sich für die Lage der Kinder der Roma und Sinti, meint Necla Kelek: "Es ist schon ein Skandal, dass die Regierungen ihrer Heimatländer sie im Stich lassen. Aber dürfen wir das auch? Romakinder werden von ihren Eltern und Clanchefs zum Betteln oder Arbeiten auf die Straße geschickt - dabei gehören sie in die Schule. Auch sie haben ein EU-weites Recht auf Kindheit und Bildung."
Im Feuilleton unterhält sich Thomas Hahn mit der Primaballerina und Putin-Freundin Diana Vishneva und geht absprachegemäß jeder politischen Frage aus dem Weg. Gerhard Gnauck fragt anlässich eines Videos des polnischen Rappers Donatan, ob es einen neuen Panslawismus gibt. Frank Fischer und Joseph Wälzholz begeben sich auf eine launige Reise durch die Kulturlandschaften Thüringens. Besprochen wird eine Ausstellung über Edgar Allan Poe in der der New Yorker Morgan Library.
Und in der Welt am Sonntag denkt Richard Herzinger über das Desaster der westlichen Syrien-Politik nach: "Aus Angst vor islamistischem Einfluss verweigerte der Westen den ihm nahe stehenden Diktaturgegnern so lange wirksame Unterstützung, bis sie zermürbt waren" - und die Islamisten neben Assad als zweite Sieger dastehen.
Weder die nationalen Besitzstandswahrer von der CSU noch die wohlmeinenden Kräfte der politischen Linken interessieren sich für die Lage der Kinder der Roma und Sinti, meint Necla Kelek: "Es ist schon ein Skandal, dass die Regierungen ihrer Heimatländer sie im Stich lassen. Aber dürfen wir das auch? Romakinder werden von ihren Eltern und Clanchefs zum Betteln oder Arbeiten auf die Straße geschickt - dabei gehören sie in die Schule. Auch sie haben ein EU-weites Recht auf Kindheit und Bildung."
Im Feuilleton unterhält sich Thomas Hahn mit der Primaballerina und Putin-Freundin Diana Vishneva und geht absprachegemäß jeder politischen Frage aus dem Weg. Gerhard Gnauck fragt anlässich eines Videos des polnischen Rappers Donatan, ob es einen neuen Panslawismus gibt. Frank Fischer und Joseph Wälzholz begeben sich auf eine launige Reise durch die Kulturlandschaften Thüringens. Besprochen wird eine Ausstellung über Edgar Allan Poe in der der New Yorker Morgan Library.
Und in der Welt am Sonntag denkt Richard Herzinger über das Desaster der westlichen Syrien-Politik nach: "Aus Angst vor islamistischem Einfluss verweigerte der Westen den ihm nahe stehenden Diktaturgegnern so lange wirksame Unterstützung, bis sie zermürbt waren" - und die Islamisten neben Assad als zweite Sieger dastehen.
TAZ, 06.01.2014
Der Kölner Psychologe Stephan Grünewald versucht sich im Interview mit Jan Feddersen einen Reim auf die deutsche Verzagtheit zu machen: "Wir leben in einer Zeitenwende. Und die Ängste vor dem Verlust unserer bisherigen Lebensweise überwiegen derzeit die Neugier, die Zukunftslust und die Entwicklung neuer Visionen... Das Schöpferische scheint mir momentan lahm gelegt. Wir dynamisieren das Hamsterrad, wir arbeiten oder konsumieren bis zur Erschöpfung. Denn durch diese besinnungslose Betriebsamkeit geraten unsere Ängste und Probleme aus dem Blick. Aber auch unsere Träume."
In der Kultur: Brigitte Werneburg besichtigt die neue Fondation Pierre Arnaud, die sich im malerischen Walliser Bergdorf Lens am Ufer des Lac du Louché der Schweizer Kunst des 19, und 20. Jahrhunderts verschrieben hat. Beate Barrein berichtet von der Digitalisierung der Krakauer Bestände der Staatsbibliothek Berlin.
Besprochen werden außerdem zwei Ausstellungen mit Fotos von Hans-Jürgen Raabe und Jim Rakete in Istanbul und Berlin, Jörg W. Gronius' Briefroman "Last Call" und Annegret Erhards Biografie der Malerin Anita Rée (mehr ab 14 Uhr in unserer Bücherschau des Tages).
Und noch Tom.
In der Kultur: Brigitte Werneburg besichtigt die neue Fondation Pierre Arnaud, die sich im malerischen Walliser Bergdorf Lens am Ufer des Lac du Louché der Schweizer Kunst des 19, und 20. Jahrhunderts verschrieben hat. Beate Barrein berichtet von der Digitalisierung der Krakauer Bestände der Staatsbibliothek Berlin.
Besprochen werden außerdem zwei Ausstellungen mit Fotos von Hans-Jürgen Raabe und Jim Rakete in Istanbul und Berlin, Jörg W. Gronius' Briefroman "Last Call" und Annegret Erhards Biografie der Malerin Anita Rée (mehr ab 14 Uhr in unserer Bücherschau des Tages).
Und noch Tom.
Weitere Medien, 06.01.2014
Der Guardian bringt einige Auszüge aus Claudia Roth Pierponts neuer Biografie über Philip Roth. Das liest sich wie eine handvoll kurzer Geschichten, alle aus der Zeit, nachdem er mit dem Schreiben aufgehört hat: "He has just seen Ann Mudge, his girlfriend of the mid-60s, and is under the spell of counterlives past. He hadn't seen her in more than 40 years. 'The only person who could write this, it isn't me, it's Proust,' he says. She is six months older than him - that makes her 80, as we speak - and has been long and happily married. 'She was a little old white-haired lady I wouldn't recognise in the street,' he says, 'until she sat down and began to speak, and then I began to see her face. And you know what never changes? The facial expressions - they're exactly the same.'"
FAZ, 06.01.2014
Der Kunsthistoriker Jeffrey Hamburger richtet sich entschieden gegen die zunehmende Ökonomisierung der Wissenschaft: "Forschung um ihrer selbst willen ist ein Luxus, den man sich nicht länger leisten will. Es geht nicht einmal um die Frage, ob die Naturwissenschaften Vorrang vor den Geisteswissenschaften haben sollten; von einigen wenigen Prestigeprojekten abgesehen, hat die reine Wissenschaft längst ihren Vorzugsplatz der angewandten Wissenschaft und dem Ingenieurswesen überlassen."
Weitere Artikel: Mark Siemons sorgt sich, dass der einst versöhnliche Tonfall gegenüber Japan auf den Texttafeln im Pekinger Widerstandsmuseum im Zuge jüngerer diplomatischer Abkühlungen fallen gelassen wurde. Jordan Mejias fasst die Diskussionen in den USA über Martin Scorseses neuen Film "The Wolf of Wall Street", in dem es um einen kriminellen Börsenmakler geht, zusammen. Jürgen Richter informiert über die Restaurationsarbeiten am Rödelheimer Wöhlerhaus. Verena Lueken schreibt den Nachruf auf den Filmproduzent Saul Zaentz, Edo Reents den auf Phil Everly von den Everly Brothers.
Besprochen wird eine Ausstellung über Ventilblasinstrumente im Berliner Musikinstrumentenmuseum (das leider keine wirklich verlinkungswürdige Internetadresse hat). Ein großer Förderer des Ventilhorns war bekanntlich Robert Schumann:
Weitere Besprechungen gelten der Aufführung der "Illusions Perdues" des Bolschoi-Balletts in Paris und Büchern, darunter Lee Hochols Erzählungsband "Heimatlos" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).
Weitere Artikel: Mark Siemons sorgt sich, dass der einst versöhnliche Tonfall gegenüber Japan auf den Texttafeln im Pekinger Widerstandsmuseum im Zuge jüngerer diplomatischer Abkühlungen fallen gelassen wurde. Jordan Mejias fasst die Diskussionen in den USA über Martin Scorseses neuen Film "The Wolf of Wall Street", in dem es um einen kriminellen Börsenmakler geht, zusammen. Jürgen Richter informiert über die Restaurationsarbeiten am Rödelheimer Wöhlerhaus. Verena Lueken schreibt den Nachruf auf den Filmproduzent Saul Zaentz, Edo Reents den auf Phil Everly von den Everly Brothers.
Besprochen wird eine Ausstellung über Ventilblasinstrumente im Berliner Musikinstrumentenmuseum (das leider keine wirklich verlinkungswürdige Internetadresse hat). Ein großer Förderer des Ventilhorns war bekanntlich Robert Schumann:
Weitere Besprechungen gelten der Aufführung der "Illusions Perdues" des Bolschoi-Balletts in Paris und Büchern, darunter Lee Hochols Erzählungsband "Heimatlos" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).
SZ, 06.01.2014
Die Bayern feiern Heilige Drei Könige.
Statt dessen binden wir ein Video des SZ-Magazins ein, das wichtige Szenen des NSU-Prozesses nachstellt. Im Editorial dazu heißt es: "Durch die Stimmen des Richters, der Zeugen, der Sachverständigen, der Anwälte und der Angeklagten entsteht ein Gesamtbild von zehn Jahren Terror, dem nicht endenden Schmerz der Opfer, dem eiskalten Vorgehen der Täter, dem Dilettantismus der Ermittler und der schwierigen Suche nach der Wahrheit, die doch so offensichtlich zu sein scheint."
Statt dessen binden wir ein Video des SZ-Magazins ein, das wichtige Szenen des NSU-Prozesses nachstellt. Im Editorial dazu heißt es: "Durch die Stimmen des Richters, der Zeugen, der Sachverständigen, der Anwälte und der Angeklagten entsteht ein Gesamtbild von zehn Jahren Terror, dem nicht endenden Schmerz der Opfer, dem eiskalten Vorgehen der Täter, dem Dilettantismus der Ermittler und der schwierigen Suche nach der Wahrheit, die doch so offensichtlich zu sein scheint."
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