Magazinrundschau - Archiv

The New York Times

771 Presseschau-Absätze - Seite 3 von 78

Magazinrundschau vom 28.02.2023 - New York Times

Wenn man Jeneen Interlandis Reportage über die amerikanische Drogenepidemie liest, fällt es einem europäischen Leser wie Schuppen von den Augen: Amerika, so scheint es, kriminalisiert Drogengebrauch ausschließlich, aber es gibt so gut wie keine Ansätze einer Sozialarbeit, die verständnisvoll mit den Kranken umgeht. Interlandi schildert die Arbeit der Organisation OnPoint, die teilweise gegen geltende Gesetze Drogenkranke mit sauberen Nadeln und hellen Räumen versorgt und schnell zur Stelle ist, wenn einer Rettung braucht. Dieser Ansatz mag das spezifische Verhältnis der Amerikaner zu Drogen nicht heilen, aber viele Alternativen dazu gibt es für Interlandi nicht: "Wir geben etwa fünfmal so viel für die Inhaftierung von Menschen mit Drogenkonsumstörungen aus, wie es uns kosten würde, sie zu behandeln, und der Ertrag dieser Ausgaben ist bestenfalls mager. Der Drogenkonsum steigt rasant an, und jährlich sterben mehr als 100.000 Menschen an einer Überdosis - mehr als je zuvor in der modernen Geschichte. Die Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten ist zum ersten Mal seit Generationen rückläufig, was großenteils auf diesen Umstand zurückzuführen ist. Die Wirtschaft verliert jedes Jahr etwa eine Billion Dollar - das entspricht etwa 5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts - unter anderem an Produktivität, Gesundheitskosten und Ausgaben für die Strafjustiz."
Stichwörter: Lebenserwartung

Magazinrundschau vom 21.02.2023 - New York Times

Der japanische Animationsfilm-Auteur Hayao Miyazaki ist mit den Filmen seines Ghibli-Studios so etwas wie der japanische Walt Disney - allerdings allein in der Hinsicht, was seinen Erfolg und seine Präsenz in der japanischen Kultur betrifft. Künstlerisch und inhaltlich hingegen trennen beide Filmuniversen Welten. Das muss auch Sam Anderson feststellen, als er den seit Jahren angekündigten, von Miyazakis Sohn Goro geplanten und im vergangenen November endlich eröffneten Studio Ghibli Park besuchte und von Disneyworld gefütterte Vorstellungen im Gepäck mitbrachte: Ein kulturindustrieller Vergnügungspark und Miyazakis von einem tiefen ökologischen Bewusstsein durchtränkte Filme - geht das zusammen? Schon - nur von Disneyworld muss man sich dabei verabschieden: "Flüsse und Berge und Ozeane sind im Grunde genommen die Helden vieler Ghibli-Filme. Miyazakis Wälder sind so unverwechselbar, dass gewisse moosige Grüntöne mich automatisch an sie denken lassen. Tatsächlich vergleicht Miyazaki das Geschichtenerzählen oft mit einem Baum: Es geht nicht so sehr protzige Verzierungen, wie er gerne sagt, sondern um die tiefen, unsichtbaren Wurzeln, die den Stamm stützen, der wiederum die Zweige stützt - was dir alles in allem am Ende gestattet, daran deine Ornamente zur allseitigen Bewunderung aufzuhängen. Ghibli Park wurde, wie es die offizielle Website ausdrückt, 'in enger Beratung mit dem umgebenden Wald' gestaltet. Erstaunlicherweise wurde dafür kein einziger Baum gefällt, wie mir mein Reiseführer erzählt. Und wieder denke ich an Disneyworld, das zu Lasten eines ganzen Ökosystems errichtet wurde - Quadratmeilen, die denaturiert und patt gemacht wurden, um lukrativen und kundenfreundlichen Welten aus Plastik und Metall Raum zu geben. Ganz im Gegensatz dazu ist Ghibli Park im Großen und Ganzen ein für sich belassener Wald. Will man seine Attraktionen sehen, geht man schier endlos auf bewaldeten Pfaden. ... Mir kam der Gedanke in den Sinn, dass dies ein Ort ist, denn ich wohl in 100 Leben nicht besucht hätte: dieser unscheinbare, kleine Wald in einem Gemeindepark in den Außenbezirken irgendeiner industriellen Stadt in Japan. Und genau dies war Goros Plan: Leute hierherzulocken mit dem Versprechen auf Ghiblis Fantasiewelt - nur um ihnen dann diese echte Welt zu geben. Dieser Ort war echt, ich war echt und diese beiden Echtheiten überlappten sich allmählich. Bäume, Bäume, Bäume. Es war ganz mir überlassen, wohin ich gehen, was ich betrachten, wann ich wieder gehen sollte."

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Magazinrundschau vom 17.01.2023 - New York Times

Unerhörte Retro-SciFi-Helme: "Tron" in der nie gedrehten und auch nie geplanten Version von Alejandro Jodorowsky, konzipiert von Johnny Darrell mit der K.I.-Software Midjourney.

Mit niemals realisierten Filmen kennt sich Frank Pavich aus: 2013 drehte er einen Dokumentarfilm über Alejandro Jodorowskys größenwahnsinnig konzipierte, aber letzten Endes nie umgesetzte Adaption von Frank Herberts Science-Fiction-Klassiker "Dune". Von daher ist Pavich wohl der richtige Mann, um auf einen populären Trend innerhalb der sich explosionsartig verzweigenden A.I. Art zu blicken: annähernd fotorealistische, anhand bloßer Textanweisungen und einen endlosen Schatz an Bildarchiven realisierte Stills aus imaginären Filmen - wie etwa eine von Alejandro Jodorowsky gedrehte Version des Cyberkino-Klassikers "Tron" aus den Achtzigern. Ein mit der Software Midjourney erstellte Filmgalerie lädt zum "Was wenn"-Träumen ein. "Ich versuche immer noch, meinen Verstand darum zu wickeln. Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie Alejandro Jodorowskys Arbeiten von nachfolgenden Filmemachern aufgenommen und referenziert wurde und wie seine Arbeit von Computerprogrammen einverleibt und metabolisiert wurden. Aber das ist nicht dasselbe. Eigentlich möchte ich sagen, dass Einfluss und Algorithmus nicht dasselbe sind. Aber kann ich mir da so sicher sein? ... Einerseits kredenzt die Software uns eine Art turbo-aufgeladenes Pastiche. Und dennoch steckt in dieser Imitation etwas vom Glanz des Neuartigen. Ihr glückt eine der wichtigsten Aufgaben des Filmemachens: die Leute in eine andere Zeit, in eine andere Welt zu versetzen. Wären Künstliche Intelligenzen bei den Oscars zugelassen, würde ich meine Stimme 'Jodorowskys Tron' in der Kategorie 'bestes A.I.-Kostümdesign' abgeben und zwar schon alleine deshalb, weil sie sich solche unerhörten Retro-SciFi-Hüte und -Helme erträumt hat." Aber "was wird es bedeuten, wenn Filmemacher, Produktionsdesigner und Filmstudenten mit ihren Imaginationen sehen können, wenn sie mit all dem digital archivierten, visuellen Material der menschlichen Zivilisationen malen können? Wenn unsere Kultur von Szenen, Sets und Bildern von alten Filmen beeinflusst wird, die es nie gegeben hat oder die noch nicht ausgedacht wurden? Ich habe da so ein Gefühl, dass es wir es bald herausfinden werden."

Der Newsletter Good Internet hat hier, dort und da drei großartige Sammel-Dossiers mit Links zu weiteren solcher Filmgalerien. Viel Spaß beim Stöbern - es lohnt sich!

Magazinrundschau vom 20.12.2022 - New York Times

Eine Autorengruppe rekonstruiert für eine Riesenreportage im Grunde alles was man bisher über Putins Krieg weiß. Manche Vermutungen, etwa dass Putin einsam und allein entschieden hat und dass sich die Russen, was ihre Kapazitäten angeht, katastrophal verschätzten, scheinen sich hier zu bewahrheiten. Die Autoren erzählen unter anderem, wie die USA sehr früh zur Ansicht gelangten, dass Putin es ernst meint. Das geht zurück auf eine Reise des CIA-Chefs William J. Burns nach Moskau, wo er offizielle Gesprächspartner traf: Die Vereinigten Staaten glaubten, dass Putin eine umfassende Invasion der Ukraine in Erwägung ziehe, erklärte Burns da. "Sollte er diesen Weg einschlagen, warnte Burns, würde der Westen reagieren - entschlossen und geschlossen - und die Folgen für Russland wären schwerwiegend. Nikolai Patruschew, Sekretär von Putins Sicherheitsrat, merkte auf und sah Herrn Burns in die Augen, wie Augenzeugen, die im Raum waren, sagen. Er ließ seine Notizen beiseite und lobte die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte. Sie seien unter Putin so gründlich modernisiert worden, dass sie nun militärisch mit den Vereinigten Staaten konkurrieren könnten, sagte er. 'Patruschew hat das nicht näher ausgeführt,' sagt John Sullivan, der damalige amerikanische Botschafter in Russland, der bei dem Gespräch anwesend war. 'Er sah Burns einfach an und sagte: 'Wir können das. Wir sind zurück.' Ich würde es so beschreiben, dass die Sache bereits entschieden war und sie äußerst zuversichtlich waren. Seine Botschaft war: 'Es wird kein Problem für uns sein, zu tun, was wir tun wollen.'"
Stichwörter: Russland, Ukraine-Krieg 2022

Magazinrundschau vom 01.11.2022 - New York Times

David Wallace-Wells' zwei große Artikel über die Folgen des Klimawandels zeigen, wie instruktiv Artikel über dieses Thema sein können, wenn sie nicht in deutsche Moralinsäure getaucht werden. Wallace-Wells  kriegt es sogar hin, in vernünftigem Maße optimistisch zu sein, so in Artikel Nr. 1, "The New World: Envisioning Life After Climate Change": "Dank des erstaunlichen Preisverfalls bei den erneuerbaren Energien, einer wirklich globalen politischen Mobilisierung, einer klareren Vorstellung von der Energiezukunft und einer ernsthaften politischen Ausrichtung der führenden Politiker der Welt haben wir die erwartete Erwärmung in nur fünf Jahren fast halbiert."

Die eklatante Ungleichheit in der Bewältigung des Klimawandels, um die es in Artikel Nr. 2 ("Beyond Catastrophe: A New Climate Reality Is Coming Into View") unter anderem geht, verschweigt er dabei nicht: "Wenn es eins gibt, das man wissen muss - ob sich die Welt nun um zwei Grad erwrämt, oder sogar heute schon, wo sie sich um 1,2 Grad erwärmt hat - dann ist es die Tatsache, dass die Erwärmung ungerecht ist. Die Regenfälle, die in diesem Jahr zu den historischen Monsunüberschwemmungen in Pakistan geführt haben, wurden durch den Klimawandel um 50 Prozent verschlimmert, obwohl das Land in seiner gesamten Industriegeschichte nur so viel Kohlenstoff in die Atmosphäre abgegeben hat wie die Vereinigten Staaten jedes Jahr. Und obwohl die Zukunft überall hart sein wird, wird Wohlstand vielerorts eine Anpassung ermöglichen. Hier oder dort könnte das Leben sogar angenehmer werden, da mit dem Ende der fossilen Brennstoffe auch die Millionen von vorzeitigen Todesfällen wegfallen, die jedes Jahr durch deren Verbrennung verursacht werden. Die Städte könnten sich zunehmend vom Auto abwenden und sich für Fahrradfahrern und Grünflächen öffnen." Falls Fahrradfahrer angenehmer sind.
Stichwörter: Klimawandel, Ungleichheit

Magazinrundschau vom 11.10.2022 - New York Times

Nicholas Casey erzählt Geschichten aus dem franquistischen Spanien, wie man sie schon aus Irland oder Kanada kennt - Geschichten von Kindern, die armen Müttern bei der Geburt weggenommen werden. Die Katholische Kirche spielt die in diesen Kontexten übliche Rolle: "Nach Angaben der Mütter nahmen Nonnen, die in Entbindungsstationen arbeiteten, die Säuglinge kurz nach der Geburt an sich und teilten den Frauen, die oft unverheiratet oder arm waren, mit, dass ihre Kinder tot geboren worden seien. Doch die Babys waren nicht tot: Sie waren diskret an wohlhabende katholische Eltern verkauft worden, von denen viele keine eigenen Familien gründen konnten. Unter einem Stapel gefälschter Papiere verbargen die Adoptivfamilien das Geheimnis des Verbrechens, das sie begangen hatten. Die entführten Kinder waren in Spanien einfach als die 'gestohlenen Babys' bekannt. Niemand weiß genau, wie viele entführt wurden, aber Schätzungen gehen von Zehntausenden aus." Manche Kinder haben erst im Erwachsenenalter von ihrem Schicksal erfahren. Wie in Irland oder auch Kanada war es so, dass die Kirche wirtschaftlich von den Verhältnissen profitierte, weil der Staat Sozialfürsorge an sie delegierte. Es waren häufig Frauen, die so ermächtigt wurden: Die Nonnen "hatten das Kommando über das Bildungssystem, in dem den Kindern katholische Werte vermittelt werden sollten und sie anhand der Bibel lesen lernen sollten. Franco übertrug auch die Aufsicht über Teile des staatlichen Krankenhauswesens an den Klerus… Doch ihr Einfluss war vielleicht am stärksten in den karitativen Einrichtungen der Krankenhäuser, die die Armen aufnahmen."

Bei Meta, dem Konzern, dem Facebook und Instagram gehört, läuft's nicht so gut. Das von Mark Zuckerberg herbeigesehnte Metaverse mit seinen Spielen und Konferenzen in virtueller Realität will und will sich nicht einstellen, und sogar die Mitarbeiter scheinen nicht recht motiviert zu sein, hat ein Reporterteam, das mit vielen Mitarbeitern des Konzerns gesprochen hat, herausgefunden: "Während der Druck wächst, hat Zuckerberg eine klare Botschaft an die Meta-Mitarbeiter gesandt: Macht mit oder verschwindet. In einem Treffen im Juni, über das Reuters zuerst berichtete, stellte der 38-jährige Milliardär fest, dass es 'wahrscheinlich eine Reihe von Leuten im Unternehmen gibt, die nicht hier sein sollten' und dass er 'die Erwartungen und Ziele höher schrauben' werde, wie aus Kopien seiner Kommentare hervorgeht, die der Times vorliegen. Seitdem heuert das Unternehmen fast nicht mehr an, die Budgets sind gekürzt, und Zuckerberg hat die Manager aufgefordert, leistungsschwache Mitarbeiter zu identifizieren. Angesichts möglicher Entlassungen fangen einige Meta-Mitarbeiter an, mehr Begeisterung für das Metaverse zu zeigen."

Noah Gallagher Shannon erzählt die erbauliche und sehr lange Geschichte, wie es Uruguay mit viel politischem Geschick und einer Ideologie des Verzichts schaffte, das Land zu 98 Prozent mit alternativen Energien zu versorgen. Und selbst die Methangas-Bäuerchen der zwölf Millionen Rinder des Landes werden klimaneutral kompensiert, da das Grasland, auf dem sie weiden, die gleiche Menge Klimagase in sich aufnimmt - diese Berechnungen seien allerdings umstritten, so Shannon. Nebenbei erfährt man in dem Artikel, dass ein Deutscher durchschnittlich 15 Tonnen CO2 pro Jahr verursacht, und ein Franzose 9 Tonnen. Gut wären 2.

Magazinrundschau vom 20.09.2022 - New York Times

Es gibt ungefähr 200.000 chassidische - also ultraorthodoxe - Juden in der Stadt und im Bundesstaat New York, sie machen etwa zehn Prozent der gesamten jüdischen Bevölkerung des Staates aus. Ihre Kinder schotten sie in religiösen Privatschulen, Jeschiwas, ab, für die sie, wie andere Betreiber von Privatschulen auch, Subventionen bekommen, etwa eine Milliarde Dollar in den letzten vier Jahren, berichten Eliza Shapiro und Brian M. Rosenthal. Vieles davon fließt als Sozialhilfe. Ernstlich kontrolliert werden diese Schulen nicht. Die Schüler verlassen sie in kompletter Ignoranz und können am Ende oft nicht mal Englisch (ein Grund, warum die Times ihre große Recherche auch auf Jiddisch präsentiert). Internet ist ihnen verboten, weltliche Stoffe lernen sie kaum. Jungen leiden noch mehr als Mädchen, weil ihnen täglich stundenlang religiöse Texte eingetrichtert werden. Schlafen sie ein, gibt es Schläge mit dem Lineal auf die Hand. Die Reporter haben mit vielen Abtrünnigen gesprochen. "Chaim Fishman, 24, der die Jeschiwa Kehilath Yakov in Williamsburg besuchte, sagt, dass die Englischlehrer, wenn er sie nach dem Sinn von Wörtern fragte, oft sagten, dass sie ihn nicht kennen. Die Schule will auf Nachfrage nicht Stellung nehmen. Wie andere in der Gemeinde versuchte auch Fishman, auf eigene Faust Englisch zu lernen, etwa indem er heimlich Radio hörte. Nachdem es ihm gelungen war, seine Jeschiwa zu verlassen, meldete er sich an einer öffentlichen Schule an und war beschämt, wie wenig er wusste. 'Ich gehöre zur dritten Generation, die in New York City geboren und aufgewachsen ist', sagt er, 'und trotzdem konnte ich mit 15 kaum Englisch sprechen.' Trotz des Versagens der chassidischen Jungenschulen hat die Regierung ihnen weiterhin einen stetigen Strom von Geldern zukommen lassen." Das System funktioniert, weil die Rabbis den Lokalpolitikern kollektiv die Stimmen ihrer Gemeinden zukommen lassen.

Die Suche nach Aliens geht weiter, allerdings gibt es jetzt neue Teleskope und bald noch viel bessere, schreibt Jon Gertner. Man sucht heute nicht mehr so sehr nach "Biosignaturen", sondern nach "Technosignaturen", also etwa nach Verschmutzungen in der Atmosphäre von Planeten. Unsere eigenen technologischen Fortschritte machen wie gesagt Hoffnung: "Der erste ist, dank neuer Teleskope und Techniken, die Identifizierung von Planeten, die ferne Sterne umkreisen. Im August zählte die NASA 5.084 solcher Exoplaneten, und die Zahl wächst jedes Jahr um mehrere hundert. 'So gut wie jeder Stern, den man am Nachthimmel sieht, hat einen Planeten in der Nähe, wenn nicht sogar eine ganze Familie von Planeten', sagt Adam Frank vom Forschungsprojekt CATS, der anmerkt, dass sich diese Erkenntnis erst in den letzten zehn Jahren durchgesetzt hat. Da es wahrscheinlich mindestens 100 Milliarden Sterne in der Milchstraße und schätzungsweise 100 Milliarden Galaxien im Universum gibt, könnte es eine fast unvorstellbare Zahl potenzieller Kandidaten für Leben - und auch für Zivilisationen, die über Technologie verfügen - geben."

Magazinrundschau vom 13.09.2022 - New York Times

James Verini hat für die New York Times mit vielen Überlebenden des Theaters von Mariupol gesprochen, wo mehr als tausend Personen während der russischen Belagerung der Stadt Unterschlupf fanden. Dann kamen die Bomben, und die fliehenden Menschen wurden mit Granaten beschossen. Das war im März. Wie viele Menschen starben, weiß man wegen der russischen Besatzung bis heute nicht, zwischen sechzig und 600, lauten die Schätzungen. Das Leben vor den Bomben sah so aus: "Es gab an verschiedenen Stellen des Theaters Toiletten, aber nicht annähernd genug, um die Bedürfnisse der Bewohner zu befriedigen, insbesondere, wenn es kein fließendes Wasser gab. Die Toiletten waren auch der Ort, an dem die Menschen ihr Geschirr und ihre Tassen abwuschen. Das Toilettenteam sammelte Schnee in Plastikflaschen und ließ ihn im Theater schmelzen, um die Toiletten zu reinigen, aber wie ein Freiwilliger es unverblümt ausdrückte: 'Die Toiletten waren immer voll mit Scheiße.' Vira, die musikalische Leiterin, die zum Team gehörte, sagte: 'Wir konnten wenigstens unsere Füße mit nassen Servietten reinigen.' Durch die vielen Bakterien und die kalten Temperaturen breitete sich Krankheiten schnell aus. Die Menschen erkrankten an Erkältungen und Grippe, und es gab einen Corona-Ausbruch."

Magazinrundschau vom 29.08.2022 - New York Times

Fascinating Read. Die gigantische Anwaltskanzlei, um die es in diesem Artikel geht, Jones Day, könnten sich die Autoren einer TV-Serie wie "The Good Wife" oder "The Good Fight" als Gegner ausgemalt haben. Aber es ist eine wahre Geschichte, hier erzählt von David Enrich. Es handelt sich um eine Kanzlei, die sich ihre Sporen erwarb, indem sie über Jahrzehnte die Tabak- und die Waffenindustrie verteidigte, und die sich dann mit Donald Trump zusammentat. Unter ihrem Partner Don McGahn besetzte die Kanzlei weit über hundert Richterposten in Bundesgerichten und trug letztlich maßgeblich dazu bei, dass die demokratische Nachfolgeregierung Trumps immer wieder in Gerichten an ihre Grenzen stößt. "Die Macht dieser Revolution, die sich auf Gerichtssäle und Bundesinstitutionen im ganzen Land ausbreitete, ist jetzt deutlich zu spüren. Obwohl die Demokraten das Weiße Haus und den Kongress kontrollieren, hat der Oberste Gerichtshof einen Rechtsruck erlebt. In der letzten Legislaturperiode haben die drei von Trump ernannten Richter - die ersten beiden wurden von McGahn ausgewählt und die dritte, Amy Coney Barrett, wurde von ihm aus der akademischen Welt für den Supreme Court geholt - dazu beigetragen, das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung aufzuheben, die Trennung von Kirche und Staat auszuhöhlen, die Befugnisse der Bundesstaaten zur Kontrolle von Waffen zu untergraben und die Befugnisse der Bundesbehörden einzuschränken. Jones Day war an einigen dieser Fälle beteiligt, und die Kanzlei hat verlauten lassen, dass sie weitere juristische Anfechtungen im Einklang mit der Ideologie ihrer Führer ins Auge fasst."

Magazinrundschau vom 09.08.2022 - New York Times

In Afghanistan droht die größte humanitäre Krise auf der ganzen Welt. Die Hälfte der Bevölkerung ist von Hunger bedroht, schreibt Matthieu Aikins. Grund sind die Sanktionen gegen das Land. Dabei hätten Milliarden Dollar bereitgestanden. Sie fließen nicht, weil den Mädchen zumindest offiziell der Zugang zu Schulbildung versperrt wurde. Die Lage im Land sei kompliziert, so Aikins. Der Erziehungminister möchte ja gern, aber es gibt noch die Schura in Kandahar, eine Art religiöse Parallelregierung. "Am ersten Unterrichtstag verkündete das Bildungsministerium plötzlich, dass die Mädchenschulen nun doch nicht wieder öffnen würden. Da die Meldung so spät kam, waren viele Schulen überhaupt nicht darauf vorbereitet. Die Mädchen kamen zu Schule, nur um gleich wieder herausgeworfen zu werden. Andere Mädchen erschienen und fanden die Türen ihrer Schule verschlossen vor. Diese Szenen wurden von der ausländischen Presse aufgegriffen, die über diesen Tag, der eigentlich ein hoffnungsvoller Tag für das Land sein sollte, berichten wollte und stattdessen Bilder von weinenden Mädchen im Teenageralter veröffentlichte."