Magazinrundschau - Archiv

Al Ahram Weekly

202 Presseschau-Absätze - Seite 5 von 21

Magazinrundschau vom 10.08.2010 - Al Ahram Weekly

Als Youssef Rakha den seit 2002 in Madrid lebenden ägyptischen Dichter Ahmad Yamani fragte, wie sein jüngstes Buch "Amakin Khati'ah" (Wrong Places, Cairo: Dar Miret, 2009) entstanden ist, schickte der ihm eine Liste mit kurzen Beobachtungen, die Rakha zu weiteren Überlegungen anregen: vor allem darüber, wie befreiend es vielleicht ist, in ein Land zu ziehen, dessen Sprache man nicht kann und in dem man keinen Menschen hat, nicht einmal - wie in Kairo - die Gruppe Gleichgesinnter, deren Einfluss so zwiespältig ist. "Im guten wie im schlechten", so Rakha, "ist die 'Gruppe' gleichzeitig Segen und Fluch im Leben eines Schriftstellers: Als Freunde ... bemänteln Schriftstellerkollegen, die ja auch Leser im Entstehungsprozess des Werks sind, die Hoffnungslosigkeit dieses Berufs. Sie nehmen einem das Gefühl der Isolierung und Unsicherheit und täuschen einen darüber hinweg, dass die Gesellschaft kein Bedürfnis hat nach Romanen, ganz zu schweigen von Prosagedichten. An dem neuen Ort, stelle ich mir vor, erscheint diese Last [der Einfluss der Gruppe] plötzlich als ortsgebunden, beschränkt und beschränkend, oder sie bekommt plötzlich ganz unerwartete Bedeutungen."
(Hier noch vier ins Englische übersetzte Gedichte aus dem neuen Band und hier ein kurzes Interview mit Yamani, in dem er auch über gewisse Ähnlichkeiten zwischen arabischen und spanischen Prosagedichten spricht.)

Vielleicht sollten auch die ägyptischen Theatermacher mal ein Weilchen außer Landes gehen? Nehad Selaiha fühlte sich jedenfalls vom fünften Theatertreffen in Ägypten wenig inspiriert: "Ein Gefühl künstlerischer Erschöpfung und ein beschränkter Horizont zeichnete die Angelegenheit aus."

Magazinrundschau vom 13.07.2010 - Al Ahram Weekly

Die arabische Welt sollte aufhören, von der Türkei Erfüllung ihrer politischen Träume zu erhoffen, schreibt Azmi Bishara. Die Türkei habe ihre eigene Art mit innen- und außenpolitischen Problemen umzugehen, die auch auf ihrer Geschichte beruhe. Das gelte ganz besonders für das Verhältnis zu Israel: "Die Art, wie die Türkei ihren Streit mit Israel austrägt, ist einem Land angemessen, das sich im Frieden mit Israel befindet. Sie ist effektiv, eben weil sie in diesem Kontext stattfindet. Wenn Länder oder Bewegungen, die sich in einem Kriegszustand mit Israel befinden (oder in einem mutmaßlichen Kriegszustand), versuchen, den türkischen Stil der Gespräche und Aktionen nachzuahmen, wird das nicht effektiv sein. Damit diese Länder ebenfalls effektiv agieren können, müssen sie ganz anders handeln. Entweder tun sie das jetzt oder sie warten, bis sie es tun können. Der Versuch, die türkische Verhandlungsart mit Israel zu imitieren, kann nur als eine Form des Zurückweichens betrachtet werden."

Außerdem: Abgedruckt ist ein Interview mit dem kürzlich verstorbenen Islamwissenschaftler Nasr Abu-Zaid aus dem Jahr 1995, kurz nachdem ihn ein Gericht wegen Apostasie von seiner Frau zwangsgeschieden hatte. Ein mildes Urteil, wo auf Apostasie doch eigentlich der Tod steht. Aber dies immerhin hat Hauptankläger Abdel-Sabour Shahin nicht gefordert, so die Interviewerin. Darauf Abu-Zaid: "Oh, ich sollte darüber sehr glücklich sein. Ruhm für Shahin, wir sollten ihn alle um Buße bitten. Aber ich weiß wirklich nicht, auf welcher Basis er zu diesem Dispens kommt, den die Vorfahren, deren Ansichten er vertritt, sehen das ganz anders."
Stichwörter: Zaid, Abu

Magazinrundschau vom 22.06.2010 - Al Ahram Weekly

Das geplante Verbot des Niqab in Frankreich ist intolerant, bigott und "ein moralischer Skandal ebenso wie eine Beleidigung westlicher Traditionen", schreibt Khalil El-Anani. Dies gesagt, findet er aber auch die Haltung vieler europäischer Muslime kontraproduktiv: "Einige Mitglieder der islamischen Community, vor allem solche arabischen Ursprungs, benehmen sich in westlichen Gesellschaften, als wären sie immer noch in Peschawar oder Islamabad. (...) Die Schizophrenie europäischer Muslime wird befeuert durch eine falsch verstandene Loyalität mit dem Salafismus oder anderen fundamentalistischen Trends. Wie viele wissen, lehnt die salafische Bewegung Integration ab und will keine konstruktive Koexistenz. Der Salafismus fördert die gegenwärtige Islamophobie und zieht gleichzeitig Nutzen aus ihr."

Außerdem: Nader Habib stellt den arabischen Linguisten Gamal Hammad vor, der erzählerische Strukturen in arabischen Texten entdeckt, die sonst eher für ihre Poesie gerühmt werden. Und Ati Metwaly hört und sieht eine gelungene Aufführung von Donizettis "Liebestrank".

Magazinrundschau vom 09.03.2010 - Al Ahram Weekly

Die amerikanische Religionswissenschaftlerin Margot Badran besuchte kürzlich eine Moschee in Washington DC. Ein deprimierendes Erlebnis: Eine Gruppe von Frauen, die im Hauptgebetssaal hinter den Männern beten wollten, erregten beim Moscheeverwalter solches Missfallen, dass er die Polizei holen ließ, die die Frauen hinausdrängte, erzählt sie. "Draußen auf der Straße wandte ich mich an einen der Polizisten, der wie der andere Polizist Afroamerikaner war, und sagte: 'Sie wissen Bescheid über Rasse und Geschlecht in diesem Land. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Frauen hinauswerfen? Hätten Sie je gedacht, dass Ihr Job das von Ihnen verlangt?' Alles was er sagte, war: 'Das ist der Grund, warum ich sie nicht verhaftet habe.' Er wiederholte, was auch der andere Polizist gesagt hatte: 'Die Moschee ist ein privater Ort und sie haben das Recht, jeden rauszuwerfen, der nicht nach ihren Regeln spielt.' ... Alles was ich zu meinem Landsmann sagen konnte war: 'Der lunch counter war auch ein privater Ort.' Was, wenn die jungen [schwarzen] Männer, die sich dort hinsetzten, nach den Regeln gespielt hätten? Wessen Regeln?"
Stichwörter: Afroamerikaner, Washington, Rasse

Magazinrundschau vom 02.02.2010 - Al Ahram Weekly

Mohamed Abdel-Baky resümiert kurz den Streit um den Niqab, den das Gesicht bedeckenden Schleier, in Ägypten. So hat das oberste Verwaltungsgericht entschieden, dass Universitäten den Studentinnen den Niqab auch während der Examen nicht verbieten dürfen. "In einem sechseitigen Urteil erklärt das Gericht, dass 'das Verbot, den Niqab zu tragen, keine legale Basis hat und die persönlichen Freiheiten verletzt, die die Verfassung garantiert'." Andererseits hatte im Oktober Sheikh Mohamed Sayed Tantawi, der Großimam von Al Azhar, den Niqab vom Campus der Universität von Al Azhar, den Klassenzimmern und Schlafsälen verbannt. "Tantawis Vorgehen wurde von Statements begleitet, wonach der Niqab 'aus Sicherheitsgründen' nicht länger in den Frauenwohnheimen getragen werden dürfe."

Zur Buchmesse in Kairo bringt Gamal Nkrumah dem Ehrengast Russland ein Ständchen. Injy El-Kashef erzählt von ihrem Auftritt bei Oprah Winfrey, wo sie über ägyptische Frauen, Heirat, Scheidung und den Schleier sprach. Nehad Selaiha war bei einer Theateraufführung die Samuel Johnsons Klage, sogar ein schlechter Text könne Vorlage für eine erfolgreiche Theatervorstellung sein, als richtig erwies - wenn vielleicht auch nicht ganz in dem Sinne wie Johnson das meinte.
Stichwörter: Schleier, Heirat, Winfrey, Oprah

Magazinrundschau vom 26.01.2010 - Al Ahram Weekly

Aijaz Zaka Syed von der Khaleej Times verurteilt mit deutlichen Worten Selbstmordattentate und weist darauf hin, dass in Mekka der Großmufti Scheik Abdel-Aziz Al-Sheikh gerade "eine ungewöhnlich starke Sprache" benutzt habe, um Selbstmordattentate zu verurteilen: "Muslime auf der ganzen Welt vor Extremisten warnend, bezeichnete der Großmufti das Gespenst des Terrors und der Selbstmordattentate als 'Fluch der muslimischen Länder'. Er nannte den Extremismus und den Todeskult der Selbstmordattentate 'das ernsteste Problem' der muslimischen Gemeinschaften."

Außerdem: Weihnachten waren in Nagaa Hamadi sechs Kopten vor ihrer Kirche erschossen worden (mehr hier). Muqtedar Khan erinnert daran, dass Mohammed 628 n.Chr. einer Delegation von Christen aus dem St. Katherinen-Kloster in einem Schutzbrief versprochen habe, bis zum jüngsten Tag alle Christen zu beschützen.

Magazinrundschau vom 08.12.2009 - Al Ahram Weekly

Was wollen die Vertreter eines politischen Islam? Sie "erklären uns nicht, was für einen muslimischen Staat sie eigentlich wollen. Wollen sie einen Staat, der sich vor allem auf religiöse Rituale konzentriert, oder einen, für den praktische Fragen zuerst kommen?", fragt kritisch Galal Nassar. "Laut dem Wissenschaftler Abdallah Turkoman 'ist Loyalität in den islamischen Staaten eine Streitfrage. Soll man loyal sein zum Staat oder zum Glauben? Auch die Frage der Nichtmuslime ist eine dornige. Und die Frage der Loyalität von Muslimen in nichtmuslimischen Ländern ist ungelöst.' Muslime, die moderaten eingeschlossen, haben es versäumt, Fragen über Loyalität und Patriotismus zu beanworten, obwohl solche Ideen zentral sind für die Zusammensetzung eines modernen politischen Staates. Die Antworten, die sie geben, sind verschwommen und ungereimt und verraten ihre Unfähigkeit, die Sache zu durchdenken. In einer Welt, in der muslimische Länder moderne politische Konzepte diskutieren müssen, ist das islamische Denken fundamental fehlerhaft."

Nehad Selaiha bedankt sich herzlich beim Institut für Darstellende und Bildende Künste der Amerikanischen Universität in Kairo (AUC), die Klassiker des Welttheaters nach Kairo bringt. Besonderes Verdienst hat in ihren Augen der Schauspieler, Regisseur und Lehrer Mahmoud El-Lozy, der dafür sorgt, dass die AUC einmal im Jahr ein Stück aus dem modernen ägyptischen Repertoire inszeniert. Diesmal hat er sich ein Melodram von Tawfiq El-Hakim ausgesucht: "Der Dieb". Es geht um eine junge Frau, die sich mit Witz und Einfallsreichtum gegen ihren lüsternen Stiefvater zu Wehr setzen muss, bis nichts mehr hilft und sie nur durch das Eingreifen eines ehemaligen Angestellten gerettet wird, der den Stiefvater erschießt. Den Schluss hat El-Lozy allerdings verändert: Der Stiefvater stirbt nicht, sondern schäumt vor Wut. Er verstößt seine Frau in die Armut, wirft die Tochter raus und bedroht ihren Ehemann. Was Selaiha alles ganz hervorragend findet, denn: "Indem er das künfigte Schicksal aller Hauptfiguren in der Schwebe hängen lässt, ist El-Lozy nicht nur das einfache, symmetrische Design des Stücks losgeworden - die Handlung wird durch einen Schuss ausgelöst und beendet -, er hat auch den Stiefvater in ein unsterbliches Symbol für Nötigung, Ausbeutung, ungehemmte Gier und moralische Korruption verwandelt. Die Botschaft des Stücks war nicht mehr, dass man in die göttliche Gerechtigkeit glauben soll, sondern eine Warnung, dass solche Geschäftsmänner wie der korrupte, skrupellose und ausbeuterische Pascha noch immer unter uns sind, nur in neuer Gestalt, die jüngere Generation verführend und ausnutzend. Es war, als wäre El-Hakims Pascha von der Bühne direkt in unseren heutigen Alltag getreten."

Magazinrundschau vom 10.11.2009 - Al Ahram Weekly

Warum zieht die arabische Welt keine Konsequenzen aus den niederschmetternden Arab Human Development Reports der Uno, fragt Ramzy Baroud. Zwar wurden in letzter Zeit vereinzelt Anstrengungen unternommen, zum Beispiel Ausbildung und Erziehung zu verbessern. "Aber natürlich ist Bildung auch eine Denkart, eine Kultur sogar. Welchen Sinn hat es, einen Magister zu erwerben in einer Gesellschaft, in der Nepotismus bestimmt, wer was tut? Vom Standpunkt des Eigeninteresses aus ist es vernünftiger, seine Zeit zu nutzen, um die 'richtigen Leute' kennen zu lernen - und ihnen die Visitenkarte zu überreichen - als Jahre des Lebens damit zu verbringen einen Universitätsabschluss zu erwerben."

Außerdem: Charlotte El-Shabrawy hat aus zwei Fortsetzungsdramen, die während des Ramadan im Fernsehen gezeigt wurden, gelernt, welche Belange im öffentlichen Leben Ägyptens heute eine große Rolle spielen: männlicher Stolz, weibliche Unabhängigkeit, Scheidung, Drogen, Aids, häusliche Gewalt, Demenz etc. Klingt vertraut. Und Ati Metwaly bespricht ein "Romeo und Julia"-Ballett.

Magazinrundschau vom 13.10.2009 - Al Ahram Weekly

Der amerikanische Theaterregisseur Richard Schechner hat vor einigen Tagen das Cairo International Festival for Experimental Theatre (CIFET) eröffnet und in seiner Rede versucht, die heutige Avantgarde zu definieren. Tatsächlich macht er fünf verschiedene Avantgarden aus: die historische, die vorwärtsblickende, die traditionssuchende, die interkulturelle und die gegenwärtige Avantgard. Nehad Selaiha fragt sich, in welche Kategorien er einige neuere ägyptische Produktionen einordnen würde. Zum Beispiel die Aufführung eines zweistündigen "Faust", inszeniert von Christoph Graf und aufgeführt "in der Tradition der Eurythmie durch die Mitglieder der [Heliopolis] Akademie mit der Hilfe einer Professionellen, Hamada Shousha, und einigen deutschen Gastkünstlern. (...) Würde die kulturell gemischte ägyptisch-deutsche Besetzung und Crew diesen Faust automatisch in Schechners Kategorie 'interkulturelle Avantgarde' expedieren? Oder würden Sie sagen, da es eine Kunstform ist, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde und einen spirituellen Kern hat, der auf dem Glauben beruht, dass die innerste Natur des Menschen könne durch die Bewegungen von Armen und Händen enthüllt werden, passt sie besser in Schechners 'traditionssuchende Avantgarde'?"
Stichwörter: Faust

Magazinrundschau vom 22.09.2009 - Al Ahram Weekly

Warum sind arabische Staaten nicht erfolgreich, fragt sich Khalil El-Anani mit Blick auf den Jemen (mehr dazu im Standard), Sudan, Palästina und sogar Ägypten. Drei Faktoren macht er dafür verantwortlich: "Der erste ist die sinkende Glaubwürdigkeit, geschuldet der politischen Inkompetenz, der ökonomischen Korruption und der sozialen Ungerechtigkeit sowie dem Versagen, einen heimischen Zusammenhalt zu erreichen und religiöse und sektiererischen Minderheiten einzuschließen. Der Unfähigkeit, den steigenden Anforderungen und Hoffnungen bestimmter Gruppen zu genügen, vor allem der Jugend. Der zweite ist die wachsende Tendenz in einem Teil der arabischen Staaten zur Exklusivität und einem immer undurchlässigeren Monopol der Macht, das sich täglich in Form von polizeilichen Repressionen und dichterer sozialer Überwachung ausdrückt und die natürliche Reaktion darauf in Form von sozialer und sektiererischer Unzufriedenheit und Rebellion... Der dritte Faktor sind Kräfte von außen, die interne Spannungen verstärken, um ihren Einfluss in der arabischen Gesellschaft zu stärken und deren Erfolg von der ersten beiden Faktoren abhängt."

Hamid Dabashi, Professor an der New Yorker Columbia University, verurteilt die Gewalttaten des iranischen Regimes gegen Demonstranten ohne wenn und aber. Etwas überraschend kommt seine Warnung am Schluss, die Grüne Bewegung möge sich nicht von Exiliranern (Namen nennt er nicht) zur Gegengewalt antreiben lassen: "Die Verwandlung eines legitimen Widerstands gegen die Tyrannei in eine tyrannische Bewegung unter umgekehrten Vorzeichen ist bereits in der quixotischen Exilopposition zu bemerken, die bereits genauso vulgär spricht, schreibt und handelt wie ihr Gegenpart in der Islamischen Repubklik. Die Grüne Bewegung muss Abstand halten zu den Kreisen der Islamischen Republik wie der gewalttätigen Exilopposition. Sie muss sich auf unseren literarischen Humanismus besinnen, um ihre moralische Rechtschaffenheit zu bewahren. Bei allem Terror, den die Islamische Republik gegen den Islam und die Muslime verübt hat, schlägt das Herz des Islams freudig und hörbar, gesund und kräftig, dort, wo es immer lag: in den besten unserer Gedichte, in unserer Literatur, in der Einsamkeit unseres Glaubens oder Zweifels."

In der aktuellen Ausgabe von Al Ahram schreibt Giuseppe Acconcia über ein Oud-Konzert während des Ramadan. Und Samir Farid resümiert das Filmfestival von Venedig.