Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
04.08.2003. Der Economist lanciert einen Großangriff auf Silvio Berlusconi. "Kein Vergeben, kein Vergessen für Pinochet!" ruft Luis Sepulveda im Nouvel Obs. Im Times Literary Supplement möchte Marina Warner den Papst schütteln. Outlook India verteidigt die BBC gegen Blair. Der Merkur hat ganz friedlich Jonathan Franzen, David Foster Wallace, Jeffrey Eugenides und Richard Powers im Mittleren Westen besucht.
Economist (UK), 01.08.2003

Das ist nicht ganz so demütigend wie der Titel über John Major auf dem Höhepunkt der BSE-Krise, der den Premier kurz vor den Wahlen mit Hörnern zeigte und der Überschrift: "Mad, bad and dangerous for Britain". Ein komplettes Dossier zu Berlusconi liefert einen Überlick über die SME-Affäre, Auszüge aus Berlusconis "spontaner Erklärung" vor Gericht am 5. Mai 2003 (die vollständigen Transkripte kann man auf Englisch und Italienisch lesen, im pdf-Format), Einzelheiten der Bestechungs-Affäre um den derzeitigen Präsidenten der Europäischen Kommission Romano Prodi, eine klare Antwort auf den von Berlusconi angemeldeten Anspruch auf ein Verdienstkreuz ("wofür?"), einen Überblick über die weiteren Anklagen, die gegen Berlusconi erhoben wurden und die zum Teil noch verhandelt werden, und einen Rückblick auf die frühen Karrierejahre des Silvio Berlusconi.
Passend dazu gibt es einen Artikel vom 28. April 2001 zu lesen, in dem der Economist Berlusconi für regierungsunfähig erklärt (was ihm prompt eine Klage eingebracht hat), sowie unsere Post aus Neapel, in der Gabriella Vitiello beschreibt, wie überraschend eng das Wetter und die Regierungspolitik zusammenhängen.
Weitere Artikel: Nach dem Tod des Versicherten werden die Hinterbliebenen ausbezahlt. So lautet das Prinzip der Lebensversicherung. Was die Angehörigen der Holocaust-Opfer angeht, berichtet der Economist, ist man allerdings, und dies trotz internationaler Bemühungen, noch weit von einer umfassenden Zahlungsregelung entfernt. Als einem Mann mit geradezu genialem Timing huldigt der Economist dem kürzlich verstorbenen Komiker Bob Hope. Wer die Probleme - und das Potential - der Katholischen Kirche in Amerika erkennen möchte, braucht sich nach Ansicht des Economist nur im Bistum Los Angeles umsehen. Schließlich hat der Economist drei Bücher zum Thema Umwelt gelesen und ist vor allem von Sir Martin Rees' "Our Final Century" beeindruckt, in dem es weitaus unapokalyptischer zugeht als sein Titel verspricht: Die Herausgeber haben schlichtweg das vom Autor gesetzte Fragezeichen vergessen.
Nur im Print zu lesen: Es gibt kein Monster im Loch Ness, aber es gibt einen EU-Jargon.
Nouvel Observateur (Frankreich), 31.07.2003

In einem weiteren Artikel analysiert Eugenio Scalfari, der Gründer von L'Espresso und la Repubblica, das beschädigte Image von Tony Blair. "Blair repräsentiert den postmodernen Helden, bepackt mit all seinen ambitionösen Anwandlungen und Widersprüchen, denen es an Größe fehlt." Besprochen wird ein Band mit Zeichnungen, Gouachen und Aquarellen von Schriftstellern aus der Sammlung von Pierre Belfond, darunter von Baudelaire, Cocteau, William Burroughs und Henri Miller.
In der Reihe über Familiendynastien werden die Menuhins vorgestellt und die Serie über kleine, aber feine Museen in der Provinz führt in dieser Woche nach Vannes ins Musee de la Cohue und nach Laval ins Musee du Vieux-Chateau. Hingewiesen wird außerdem auf den Skulpturenpark "Le Vent des forets" in den Wäldern bei Mairie de Fresnes-au-Mont (laut besonderem Hinweis vernünftigerweise nur außerhalb der Jagdsaison zugänglich), zu lesen ist außerdem ein Interview mit dem Maler Jacques Monory, der Anfang der 60er Jahre sein gesamtes Werk zerstört hatte, und derzeit mit neuen Arbeiten in zwei Ausstellungen (mehr hier) vertreten ist.
Merkur (Deutschland), 01.08.2003
Wieland Freund und Guido Graf haben die vier gegenwärtigen Stars der amerikanischen Literatur besucht - Jonathan Franzen (mehr hier), David Foster Wallace (mehr hier), Jeffrey Eugenides (mehr hier) und Richard Powers (mehr hier)- und stellen viele Gemeinsamkeiten fest, unter anderem, dass ihre großen Erzählungen um die gleichen Probleme der Postmoderne kreisen, um "bröckelnde Identitäten" und den ganzen "seelischen Kindergarten". "Sie sind alle um 1960 geboren, im Mittleren Westen, im unübersehbaren Nirgendwo Amerikas, im Herzen des Herzens des Landes. Alle vier zählen heute zu den bedeutendsten Erzählern Amerikas. Sie kommen nicht aus den Metropolen, sie kommen aus dieser verlässlichen Leere - vier weiße Männer um die vierzig. David Foster Wallace, in der Universitätsstadt Urbana in Illinois geboren, eben dort wo Richard Powers heute lebt, erzählt, dass seine Eltern an Universitäten an der Ostküste studiert haben, dass dort alles schneller, aber auch zynischer abläuft. Dort fragt man, wenn man irgendwas hört oder liest: Ist das interessant? Im Mittleren Westen dagegen: Ist das wahr?"
Jochen Stöckmann erinnert an die Anfänge des vor fünfzig Jahren eingeschlagenen deutschen Sonderwegs, aus jeder (mehr oder weniger zerbombten) Innenstadt eine Fußgängerzonen zu machen. "Das neue, demokratische Deutschland schützt seine Bürger, Kaufhauskönige wie Konsumenten, vor allzu rasendem Verkehr, vor dem rationalen Delirium der Metropolen. Lust an der Geschwindigkeit, Beat des großstädtischen Lebens, urbanes Vergnügen an unvorhergesehenen Situationen - diese westlichen Werte passen einstweilen nicht in den Kanon eines Wirtschaftswunderlandes."
Im Print preist der Amerikanist Gert Raeithel Schönheit und Reichtum des amerikanischen Englisch, das mit seinen Stab-, Binnen- und Endreimen, mit seinen Lautmalereien, seinen Abkürzungen und Wortschöpfungen so schnell, direkt und ungestüm vorwärts drängt. Stephan Wackwitz bricht eine Lanze für die erotische Lyrik des "kommunistischen Dandys" Peter Hack (mehr hier), die "die Selbststilisierung, das Versteckspiel, die Verkleidung, die Ironie, die Grausamkeit, die Verlogenheit, die Treulosigkeit, die Eleganz und das Raffinement" der Erotik "glanzvoll und lustig wieder in ihre seit der Antike angestammten Rechte" gesetz habe und dafür von einer "souveränen Republik" auch gewürdigt werden sollte. Und Gustav Seibt befasst sich noch einmal mit Jörg Friedrichs Buch "Der Brand". Er wirft ihm im Grunde vor, gerade dadurch, dass er nicht aufrechnet, sein Thema - den Luftkrieg - unheilvoll zu verkürzen. "Geschichtsschreibung kann nicht im Stupor vor dem Schrecken verharren." Als Gegenlektüre empfiehlt Seibt Kurt Flaschs Aufzeichnung seiner Mainzer Kindheit "Über die Brücke" zu lesen, in denen der Philosoph sehr bewegend schildert, wie seine Mutter noch in ihrer Todesangst hoffte, dass Deutschland den Krieg verlieren würde.
In weiteres Artikel geht es um die Werte, die neuere Literatur und die verfängliche Praxis des Zitierens, um die Wiederkehr der großen Familiensagen (der Rothschilds und der Esterhazys), um Antonin Dvorak in der Neuen Welt von Iowa, um Schriftsteller als Realitätenvermittler und vieles mehr.
Jochen Stöckmann erinnert an die Anfänge des vor fünfzig Jahren eingeschlagenen deutschen Sonderwegs, aus jeder (mehr oder weniger zerbombten) Innenstadt eine Fußgängerzonen zu machen. "Das neue, demokratische Deutschland schützt seine Bürger, Kaufhauskönige wie Konsumenten, vor allzu rasendem Verkehr, vor dem rationalen Delirium der Metropolen. Lust an der Geschwindigkeit, Beat des großstädtischen Lebens, urbanes Vergnügen an unvorhergesehenen Situationen - diese westlichen Werte passen einstweilen nicht in den Kanon eines Wirtschaftswunderlandes."
Im Print preist der Amerikanist Gert Raeithel Schönheit und Reichtum des amerikanischen Englisch, das mit seinen Stab-, Binnen- und Endreimen, mit seinen Lautmalereien, seinen Abkürzungen und Wortschöpfungen so schnell, direkt und ungestüm vorwärts drängt. Stephan Wackwitz bricht eine Lanze für die erotische Lyrik des "kommunistischen Dandys" Peter Hack (mehr hier), die "die Selbststilisierung, das Versteckspiel, die Verkleidung, die Ironie, die Grausamkeit, die Verlogenheit, die Treulosigkeit, die Eleganz und das Raffinement" der Erotik "glanzvoll und lustig wieder in ihre seit der Antike angestammten Rechte" gesetz habe und dafür von einer "souveränen Republik" auch gewürdigt werden sollte. Und Gustav Seibt befasst sich noch einmal mit Jörg Friedrichs Buch "Der Brand". Er wirft ihm im Grunde vor, gerade dadurch, dass er nicht aufrechnet, sein Thema - den Luftkrieg - unheilvoll zu verkürzen. "Geschichtsschreibung kann nicht im Stupor vor dem Schrecken verharren." Als Gegenlektüre empfiehlt Seibt Kurt Flaschs Aufzeichnung seiner Mainzer Kindheit "Über die Brücke" zu lesen, in denen der Philosoph sehr bewegend schildert, wie seine Mutter noch in ihrer Todesangst hoffte, dass Deutschland den Krieg verlieren würde.
In weiteres Artikel geht es um die Werte, die neuere Literatur und die verfängliche Praxis des Zitierens, um die Wiederkehr der großen Familiensagen (der Rothschilds und der Esterhazys), um Antonin Dvorak in der Neuen Welt von Iowa, um Schriftsteller als Realitätenvermittler und vieles mehr.
New Yorker (USA), 11.08.2003

Zu lesen ist die Erzählung "Runaway" von Alice Munro (mehr hier) und Hendrik Hertzberg beklagt den Mangel an liberalen Radiosendern.
Rebecca Mead stellt eine Polemik gegen die Liebe der Medienwissenschaftlerin Laura Kipnis vor (Pantheon). Kostprobe ihrer "gnadenlosen" Befunde aus dem modernen Paarleben: "Man kann den Abwasch nicht auf später verschieben, ihn nicht schlecht machen, keine Seife benutzen, direkt aus der Tüte trinken, Krümel machen, ohne sie gleich wieder wegzufegen oder die Geschirrspülmaschine so beladen, wie es einem selbst am sinnvollsten erscheint. (?) Man darf nicht im Bett essen. Man darf direkt nach dem Sex nicht sofort aufstehen. Man darf nicht schlaflos sein, ohne ausgequetscht zu werde, was einen wirklich quält." Außerdem gibt es Kurzbesprechungen, darunter einer Studie über bedrohte Sprachen.
Hilton Als stellt die Theaterproduktionen "Avenue Q" und "Edge" vor, und Anthony Lane sah im Kino "Buffalo Soldiers" von Gregor Jordan, der auf einer amerikanischen Militärbasis in der Nähe von Stuttgart spielt, und Peter Mullans Film "The Magdalene Sisters".
Nur in der Printausgabe: eine Reportage über den blutigen Sommer im Irak, eine Betrachtung des Autos von morgen, ein Bericht über den Tumult um einen Golfplatz in einer wohlhabenden Stadt und Lyrik von Gerald Stern, Carl Phillips und Rachel Wetzsteon.
Outlook India (Indien), 11.08.2003

Seema Sirohi hat in George Criles Buch "Charlie Wilson's War" (Besprechung in der New York Times hier) gelesen, wie der texanische Kongressabgeordnete und Playboy Charles Wilson ganz allein wirkungsvoll gegen die Rote Armee kämpfte, von einer attraktiven Amerikanerin mit guten Beziehungen zu Millionären und einem Händchen für Diktatoren, und davon, wie das "Great Game" so ablief in der letzten Phase des Kalten Krieges, "bevor die Mudschaheddin sich in Taliban verwandelten und Trainingscamps für Terroristen eröffneten": nämlich wie im Film. Und der, weiß Sirohi, ist bereits geplant; Tom Hanks übernimmt die Hauptrolle.
Weitere Artikel: Murali Krishnan informiert über eine neue Entwicklung im Falle des bislang ungesühnten Massakers an den Angestellten einer Bäckerei im Bundesstaat Gujarat im März 2002, verübt von fanatischen Hindus. Nachdem sämtliche Angeklagten kürzlich freigesprochen wurden, hat jetzt die Nationale Menschenrechtskomission Indiens den obersten Gerichtshof aufgefordert, sich des Falles anzunehmen. Poornima Joshi berichtet, dass in der Region von Mewat südlich von Delhi, junge Mädchen aus Assam in großer Anzahl als Sex-Sklavinnen verkauft werden - und dass viele Bewohner der Gegend es ganz normal finden. Und Namrate Roshi hat beim "Cinemaya Festival of Asian Cinema" (Cinefan) einen Hauptprotagonisten ausgemacht: den Islam.
Literaturnaja Gazeta (Russland), 30.07.2003
In dem Artikel "Verbrechen ohne Strafe" berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter der Moskauer Miliz (der anonym bleiben möchte) aus den Niederungen des russischen Rechtsstaates: "Die Bestechlichkeit der Politiker und Beamten" spiegele sich "in jeder staatlichen und sogar in jeder gesellschaftlichen Struktur" wider, sei es in den unterschiedlichsten Ministerien, "in der Staatsduma oder in der Staatsanwaltschaft, in der Akademie der Wissenschaften oder in zahlreichen Schriftstellerverbänden." Zur Beseitigung dieser Missstände schlägt er einen Vier-Punkte-Plan vor: "Die Oligarchen, die jetzigen Herrscher über unsere Bodenschätze, müssten eine ihren Einnahmen entsprechende (?) progressive Steuer zahlen (?), die ausschließlich dem Sozialwesen zugute kommt." Außerdem müssten die widerrechtlich "aus Russland ausgeführten Gelder zurückgeholt (?) und in die Umstrukturierung der russischen Wirtschaft gesteckt werden." Wichtig wäre zudem "die Verschlankung des Beamtenapparates und die Kürzung der Beamtenvergünstigungen." Immerhin werde "jeder höhere Beamte innerhalb weniger Jahre wenn schon nicht Oligarch, so doch zumindest Millionär." Und schließlich "müsste der Krieg in Tschetschenien beendet werden." Um das Vertrauen des Volkes wieder zu gewinnen, wäre die Regierung allerdings gut beraten, den ersten vor dem zweiten Schritt zu tun und endlich einen konkreten Einblick in "ihre Pläne für den russischen Staat der Zukunft" zu gewähren, schreibt der ehemalige Milizionär.
Times Literary Supplement (UK), 01.08.2003

Weiteres: Richard Thomson schwärmt von Margaret Werths prächtigem Band "The Joy of Life" über die idyllischen Visionen von Puvis, Signac und Matisse. Jahrzehntelang wurde H. H. Munros erster Roman "Mrs. Elmsley" von 1911 in sämtlichen Bibliografien beflissentlich übergangen, Michael Connor findet nach erstmaliger Lektüre der matten Liebesgeschichte, dass man es dabei auch belassen sollte. Einen typischen Fall von "Better to be read than dead" macht Stephen Abell in Peter Ackroyds mittelalterlicher Metafiktion "The Clerkenwell Tales" aus, die er nach allen Regeln der Kunst verreißt.
Espresso (Italien), 07.08.2003

Weiteres: Silvia Bizio kündigt die Renaissance des ewigen Bob Dylan an, mit einer Reihe von Filmen über und mit dem Star, darunter Masked & Anonymous, in der die singende Legende höchstselbst die Hauptrolle spielt, umgeben von einem Dutzend hochkarätiger Schauspieler. Monica Maggi, anerkannte Sexpertin des Espresso, sieht das verschämte Tabu, das ihr Spezialthema bisher umgab, immer löchriger werden. Verantwortlich dafür sind diesmal unbeschwerte Spielzeuge wie diese frivole Badeente, die den Sex aus der Grauzone mitten in die Spaß-Gesellschaft holen. Ach ja, Marco Damilano und Denise Pardo berichten im Aufmacher, dass Italiens Linke endlich das Fernsehen als Plattform entdeckt hat, um sich gleich wieder zu zerstreiten.
Spiegel (Deutschland), 04.08.2003

Weitere Artikel: Gerald Traufetter berichtet von einem amerikanischen Geografie-Doktoranden, dessen Arbeit von US-Geheimdiensten als erhebliches Sicherheitsrisiko eingestuft wird: Er hat sich aus allgemein zugänglichen Quellen ein Bild vom "materialisierten" Teil aller virtuellen Netze verschafft, vom weltweiten Verlauf der entsprechenden Glasfaserkabel nämlich, und "zudem eine Software geschrieben, mit der sich für jeden in seiner Karte ausgewiesenen Ort berechnen lässt, welche Folgen ein Anschlag dort hätte." Dominik Cziesche hat sich mit dem neuen Buch des ehemaligen Bundesministers Andreas von Bülow "Die CIA und der 11. September" beschäftigt, der mit seinen dort nun ausführlich dargelegten Verschwörungstheorien ja schon länger durch die Republik tourt. "Alles Unsinn" befindet Cziesche. Und Matthias Matussek erzählt, wie Fidel Castro Kuba nun in die völlige Isolation zu steuern scheint.
Leider nur im Print zu lesen ist ein Interview mit Daniel Barenboim über "israelische Besatzungswillkür und palästinensische Gewaltkultur". Ebenso wie ein Interview mit Benjamin Lebert über "schöne Mädchen und seinen neuen Roman 'Der Vogel ist ein Rabe'". (Vielleicht später mal hier nachsehen, ob der Spiegel doch noch einen der Artikel freigeschaltet hat.) Der Titel untersucht die "Operation Dosenpfand".
New York Times (USA), 02.08.2003

Nicht weniger als den Horizont der Amerikaner erweitern will Jon Krakauer mit "Under the Banner of Heaven" (erstes Kapitel), staunt Robert Wright. "Seit dem 11. September 2001 haben die Amerikaner viel über die dunkle Seite der Religion geredet, aber meistens ist es nicht Religion in Amerika, an die sie denken. Das könnte sich mit Krakauers lesenswerter Charakterstudie ändern, der Geschichte des Mormonen Dan Lafferty, der 1984 zusammen mit seinem Bruder dessen Frau und ihre gemeinsame Tochter ermordet hat. Sie waren der göttlichen Mission im Weg und mussten "beseitigt" werden.
Margo Jefferson verfasst eine Elegie auf Willa Carther, die große Schriftstellerin und Theaterkritikerin. Zur Charakterisierung zitiert sie aus einer Cartherschen Kritik zu Eleonora Duse. "Die Kunst anderer Frauen gründet in der Verhüllung. Ihre Kunst basiert auf Enthüllung."
Aus den weiteren Besprechungen: Jorge G. Castaneda, ehemaliger mexikanischer Außenminister, schätzt Rebecca Wests "Survivors in Mexico" (erstes Kapitel) als "ein Buch, das alle Leute, die schreiben wollen, wohl gerne geschrieben hätten". West schildert darin Eindrücke einer Reise, die mehr als 30 Jahre zurückliegt. Obwohl Melvin Konner mit Willard Gaylin nicht in allen Punkten übereinstimmt, preist er dessen Studie "Hatred" doch als "weises und sehr beunruhigendes Buch", als "feine, präzise" Untersuchung des Hasses.