Jörg Friedrich

Der Brand

Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945
Cover: Der Brand
Propyläen Verlag, München 2002
ISBN 9783549071656
Gebunden, 592 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Fünf Jahre lang lagen Deutschlands Städte im Zweiten Weltkrieg unter Dauerbombardement. Mehr als 600 000 Zivilopfer waren zu beklagen, die historisch gewachsene Städtelandschaft versank unwiederbringlich. Der Historiker Jörg Friedrich legt eine umfassende Darstellung dieser Katastrophe vor, die trotz ihrer beispiellosen Dimension im nationalen Gedächtnis der Deutschen kaum Niederschlag gefunden hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.12.2002

Jörg Friedrich, bekannt geworden mit Arbeiten über die NS-Justiz und Verbrechen der Wehrmacht in Russland, hat ein, meint Hans Mommsen, sehr eindrückliches und nachdenklich stimmendes Buch über den Bombenkrieg der Alliierten gegen die Deutschen geschrieben. Die Brutalisierung der Kriegsführung habe zwar, betont der Rezensent, Hitler begonnen, doch hätten auch gerade die Briten mit der Entwicklung von Bomben, die insbesondere gegen die Zivilbevölkerung gerichtet gewesen seien und mit dem "area bombing" viel unmenschlichen und überflüssigen Schaden angerichtet. Friedrichs eher "impressionistisch" gehaltene Darstellung gebe darüber eingehend Auskunft. Sie ersetze zwar keine systematische Analyse, meint Mommsen, sei aber trotzdem "sachkundig" und vor allem eins: Eine Warnung, dass es weder den heute propagierten sauberen Krieg mit "chirurgischen Eingriffen" und lediglich ein paar "Kollateralschäden" gebe, noch Krieg mit "Moral bombing", wie die Briten die Angriffe nannten, überhaupt das geeignete Mittel sei, um den Rückhalt der Bevölkerung für einen Diktator zu brechen. Denn die NS-Gemeinschaft, die ja gerade dadurch zerstört werden sollte, habe sich gerade erst durch die massiven Bombardements zusammengefunden, so Mommsen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.12.2002

Erst vorsichtig abwägend, aber am Ende doch sehr kritisch bespricht der Historiker Hans Ulrich Wehler dieses Buch über den Bombenkrieg in Deutschland. Ja, der Bombenkrieg war grausam, ja, die Engländer haben sehr viel mehr Unheil angerichtet als die Deutschen in England. Um genau zu sein: 103.000 Tonnen an Bomben warf die deutsche Luftwaffe während des Zweiten Weltkriegs ab, 1,3 Millionen Tonnen die Engländer und Amerikaner. Wobei die Zerstörung deutscher Schlüsselindustrien durch die Amerikaner sehr viel "effektiver" waren als die "militärisch unergiebigen" Städtebombardierungen der Engländer. Deshalb stehen Churchill und Hitler als Initiatoren des Bombenkriegs für Wehler noch lange nicht auf einer Stufe. Doch genau diese Schlussfolgerung lege Jörg Friedrich nahe. Das zeigt sich für Wehler vor allem in der Sprache, mit der Friedrich die schrecklichen Auswirkungen der Bombardierungen beschreibe. Da werden Luftschutzbunker zu "Krematorien", die Bombardierung selbst zum "Vernichtungskrieg". Diese "unverhohlene sprachliche Gleichstellung" mit dem Holocaust ist Wehler zuwider. Zumal er Friedrich eigentlich für einen reflektiert denkenden Historiker hält, dem solche "semantischen Entgleisungen" nicht versehentlich unterlaufen. Vor allem aber fehlt dem Rezensenten die "Einbettung" der englischen Bombardierungen ins Gesamtgeschehen. Immerhin hatte Hitler den totalen Krieg erklärt, hatte England bombardiert, die Warschauer Innenstadt, die Wohnviertel von Rotterdam. "Im totalen Krieg bedient sich auch der Angegriffene aller inhumanen Mittel, um zu überleben, auch um Rache zu nehmen", meint Wehler. Das entschuldigt für ihn zwar "keinen einzigen Luftangriff" der Engländer, "aber es rückt die Proportionen zurecht".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.12.2002

Christoph Jahr ruft ins Gedächtnis, dass dieses Buch über die Bombardierung deutscher Städte durch die britische Air Force im 2. Weltkrieg, eine "große, teilweise emotional geführte Debatte" in Deutschland und England ausgelöst hat. Dies sieht er nicht nur der Thematik geschuldet, sondern auch in der "Perspektive" des Autors verankert, der sich in seinem Buch "fast ausschließlich" auf die Folgen für die deutsche Bevölkerung konzentriert. Die Erfahrungsberichte der Augenzeugen des Bombardements findet der Rezensent zwar durchaus "ergreifend" und ziemlich eindringlich, doch in der Menge, die der Autor bietet, auch etwas "ermüdend". Richtig problematisch aber findet er die Sprache Friedrichs, er sieht den Autor durch "Trauer und Wut" über das Ausmaß an Zerstörung "auf Abwege" geführt. Friedrich sei sicherlich kein "Revisionist", räumt der Rezensent ein, doch durch die "semantische Nähe" zu einer "Sprache des Völkermords" und durch die unscharfe Formulierung, die Nazis hätten die Juden für die Bombardierung "büßen lassen", sieht Jahr Reflexionen die Tür geöffnet, die Air Force sei "zumindest mitschuldig" am Holocaust. Was Jahr vermisst ist der Hinweis, dass die Leiden der Zivilbevölkerung eine "transnationale Erfahrung" war, und er kritisiert, dass Friedrich in seinem Buch die Deutschen lediglich als "Opfer" darstellt, ohne klar zu sagen, dass der Bombenkrieg aus dem Nationalsozialismus resultierte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2002

Einen etwas zwiespältigen Eindruck hat Jörg Friedrichs Werk über den Bombenkrieg gegen deutsche Städte bei Rezensent Horst Boog hinterlassen. "Das Schreckensbild des alliierten Bombenkrieges gegen deutsche Städte soll in das Geschichtsbewusstsein der nachgewachsenen Generation eingehämmert werden", charakterisiert Boog das Anliegen des Autors. Er hebt hervor, dass es Friedrich verstehe, sprachlich Wirkung zu erzielen, und sogar komplizierte technisch-wissenschaftliche Dinge, wie sie zur Zielauswahl, Zielfindung und zum Bombenwurf gehören, anschaulich zu erläutern. "Im Schwunge griffiger Wortwahl" leidet zum Bedauern Boogs allerdings hin und wieder die Präsentation der Fakten. Das bleibt nicht das einzige Manko: So enthalte das Buch manchen Irrtum und manche Unklarheit, wichtige Literatur habe Friedrich nicht zur Kenntnis genommen, moniert Boog. Sachlich bringt das Buch nach Einschätzung Boogs nichts, was nicht schon seit Jahrzehnten aus der einschlägigen wissenschaftlichen - auch der amtlichen - angelsächsischen und deutschen Literatur bekannt sei. Insgesamt findet Boog Friedrichs Buch "nur bedingt wissenschaftlich verlässlich". Nichtsdestoweniger zeigt er sich von der Formulierungskunst des Autors, die eine große Durchschlagskraft besitze, beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.12.2002

Ein "Tabu, das es gar nicht gibt", schreibt Ralph Bollmann, habe Jörg Friedrich mit diesem besonders auch in England heiß diskutierten Buch gebrochen, - also hat er eigentlich gar nichts gebrochen, möchte man dem Rezensenten sagen. Aber der saust weiter und erinnert sich, dass in seiner Kindheit die Eltern und Großeltern enge Innenstädte zwar als pittoresk aber eher unpraktisch empfanden; diese Beobachtung findet er wieder bei Friedrich, der seinerseits meint, die Leute hätten die "fatalen Gehäuse", so zitiert Bollmann ihn, nicht mehr sehen wollen, "in denen sie das Trauma der Luftangriffe erlitten". Ansonsten führt Bollmann uns vor, wie man ein Buch von hinten rezensieren kann: der letzte Teil sei gar nicht so schlecht, der Mittlere bedenklich, "vollends problematisch" werde es am Anfang. Dort widme sich Friedrich "der Täterperspektive", womit die Alliierten gegen Hitler gemeint sind. Hier "verheddert sich Friedrich in genau jenem Dickicht von Aufrechnung und Gleichsetzung", schreibt Bollmann, "von dem er sich in Interviews kokett distanziert." Mit einigen Zitaten belegt der Rezensent seinen Eindruck, weist aber nicht mehr darauf hin, dass, vom Anfang her gelesen, der Rest des Buches seinen Wert als Dokumentation notwendig verlieren muss.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.11.2002

Gespalten zeigt sich Rezensent Volker Ullrich zu dieser Studie über den alliierten Bombenkrieg im Deutschland des Zweiten Weltkrieges. Zum einen sei das Buch tatsächlich, wie vom Verlag behauptet, die erste umfassende Beschäftigung mit diesem Thema: Jörg Friedrich gehe hier sowohl auf die alliierten Bombardierungsstrategie, auf die "Geografie der Zerstörung", auf die auf deutscher Seite unzureichende Vorsorge für den Luftkrieg, auf die "psychologischen Folgen des Bombenkrieges" und auf das Schicksal der Kulturgüter ein. Besonders eindrücklich schildere Friedrich, "wie der Einzelne das Bombardement erlebte und wie er das Erlebte verarbeitete". Und doch: Der Rezensent - selbst im Luftschutzkeller geboren - hat dieses Buch mit "zwiespältigen Gefühlen" aus der Hand gelegt und nennt dafür zwei Gründe: Friedrich versäume es, das im Bombenkrieg erfahrene Leid der Deutschen in den "politisch-militärischen Kontext" zu stellen - schließlich waren den alliierten Bombenangriffen die Bombardierung Warschaus (1939), Rotterdams (1940) und Coventrys (1940) vorangegangen. Und zum zweiten halte sich der Autor, "was die historisch-moralische Bewertung des Geschehens angeht, merkwürdig bedeckt". Oftmals rücke er das Geschehen "semantisch" in die Nähe des Holocausts - Ullrich zitiert: 'Zivilmassaker', 'mongolischer Vernichtungsorkan', 'Krematorien' als Beschreibung der Bunker. Friedrich würde den Vorwurf der Aufrechnung sicher zurückweisen, schreibt Ullrich, der das leichter glauben könnte, wenn der Autor bei seiner Wortwahl "größere Trennschärfe" bewiesen hätte. Bei allem Unbehagen lautet Ullrichs Fazit dennoch, dass mit diesem Buch ein wichtiger Beitrag zur Diskussion vorliegt, der viel "Sprengstoff" enthalte und mit dem man "behutsam" umzugehen sollte.