Efeu - Die Kulturrundschau
Ihr Lächeln aus dem Jahr 1967
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Kunst
Weiteres: Auf NZZ Online beklagt nun auch Daghild Bartels den Abzug prominenter SamlerInnen aus Berlin. Besprochen wird außerdem die wieder geöffnete und verlängerte Ausstellung "Picasso, Kriegsjahre 1939-1945" im Düsseldorfer K20 (Tsp).
Film
SZ-Kritikerin Susan Vahabzadeh glaubt der Initiative ProQuote gern, dass Frauen in der Filmbranche zu den großen Coronakrisen-Verlierern zählen: Denn diese Krise "wird kleine Firmen, die vorher schon wenig Gewinn machten, härter treffen, und bei diesen kleinen Firmen und kleinen Projekten sind Frauen überproportional beteiligt. Man könnte dem entgegenwirken - die Pro-Quote-Mitglieder bekräftigen ihre Forderung nach gendergerechter Verteilung der Gelder und Quoten. Die sicheren, gut bezahlten Jobs sind eher Männersache."
Weitere Artikel: Nana Heymann plaudert im Tagesspiegel mit dem Schauspieler Kida Ramadan, der im aktuell nur in Autokinos startenden Thriller "Man from Beirut" zu sehen ist. Für die FR hat sich Susanne Lenz mit dem Schauspieler Clemens Schick aus der zweiten Staffel von "Das Boot" getroffen. Ekkehard Knörer schreibt in der taz zum Tod vom Michel Piccoli (zahlreiche weitere Nachrufe bereits hier).
Besprochen werden die Sky-Serie "Stumptown" (FAZ) und die auf Amazon gezeigte Serie "Hightown" (FAZ).
Bühne
Evelyn Finger reicht in der Zeit den Nachruf auf den Dramatiker Rolf Hochhuth nach, von dem sie lernte, dass man was vorhaben muss: "Seine Kritiker fanden Zeitstücke wie 'Wessis in Weimar' oder 'McKinsey kommt' natürlich viel zu interventionistisch. Doch das Bleibende, also Literarische an all seinen Texten ist die Feier des Menschen, der seine Freiheit unter widrigsten Umständen bewahrt.
Literatur
Besprochen werden unter anderem Rachel Cusks "Danach. Über Ehe und Trennung" (SZ), Fabrizio Gattis Krimi "Der amerikanische Agent" (online nachgereicht von der FAZ), Jonas Lüschers Poetikvorlesung "Ins Erzählen flüchten" (Tagesspiegel) und Juri Buidas "Nulluhrzug" (FAZ).
Architektur
Weiteres: Dezeen bringt Bilder zu der Shoppingmall, die der dänische Architekt Bjarne Ingels anstelle des historischen Nationaltheaters in Tirana errichten soll. Mit dessen Abriss hat die albanische Regierung am Wochenende gegen alle Proteste begonnen
Musik
Der Filmkomponist Peter Thomas ist tot. Er schenkte der Welt den legendären "Raumpatrouille"-Soundtrack, schnippte zu Edgar-Wallace-Moritaten nervös mit den Fingern, ließ für den "Kommissar" die Minirock-Schulmädchen tanzen und hat sogar einen Bruce-Lee-Soundtrack im Werkverzeichnis. Wenn er an Peter Thomas und seine Sounds denkt, dann kommen ihm Träume vom großen 60s-Jetset, gesteht Tobias Kniebe im SZ-Nachruf: "Die Welt des Peter Thomas, man konnte sie sich wie eine endlose, jeder Zeit entrückte Cocktailparty vorstellen. Elegante Location, viel Mahagoni und Milchglaslampen in Kugelformen, hinter Panoramascheiben liegt je nach Jahrezeit Kitzbühel, der Strand von St. Tropez oder der Luganer See. Davor stehen Brigitte Bardot und Gunther Sachs, er trägt einen weißen Rollkragenpullover, sie trägt ihr Lächeln aus dem Jahr 1967."
Jens Balzer würdigt Peter Thomas im ZeitOnline-Nachruf als Vocoder-Pionier, der das ursprünglich im Zweiten Weltkrieg zur Verschlüsselung von Nachrichten gedachte Gerät noch vor Kraftwerk für die Musik entdeckte, und staunt über Thomas' "Wille zum Experiment und zur spielerischen Erfindung" - Thomas war ein "unermüdlicher Avantgardist" der Popkultur. Im Archiv der Zeitschrift Keyboards gibt es noch ein sehr lesenswertes Interview mit Thomas, in dem er über seine Arbeitsweise spricht. Weitere Archivgespräche finden sich beim BR-Klassik und auf der Website von Markus Heidingsfelder. Einer seiner unbekannteren Soundtracks ist der zu Zbynek Brynychs Kult-Krimi "Engel, die ihre Flügel verbrennen" - eines der schönsten Thomas-Stücke ist darauf zu finden:
Weitere Artikel: Die nächsten Soforthilfepakete mögen den Berliner Clubs fürs Erste eine Verschnaufpause gönnen, erklärt Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission im taz-Interview, aber ungewiss ist die Zukunft dennoch: "Ist eine Wiedereröffnung Ende des Jahres realistisch? Oder sprechen wir von Frühjahr 2021? Das ist alles spekulativ." Statt reale politische und gesellschaftliche Probleme zu fokussieren, ventiliere der Deutschrap zunehmend Verschwörungstheorien, ärgert sich Sebastian Leber im Tagesspiegel. Der Roche-Konzern will an seiner Unterstützung für das Lucerne Festival festhalten, erklärt der Verwaltungsratspräsident Christoph Franz im NZZ-Interview. Mandula van den Berg erinnert auf ZeitOnline an die Countryszene der DDR. Thomas Schacher wirft für die NZZ einen ersten Blick auf die neue Orgel, die künftig in der Tonhalle Zürich zum Einsatz kommen wird. Daniel Schieferdecker stellt auf ZeitOnline den Crowdfundingdienst Patreon vor, mit dem sich derzeit viele Musiker via Direktspenden ihrer Fans über Wasser halten. Benjamin Fischer hat für die FAZ die Popakademie in Mannheim besucht.
Besprochen werden Kamasi Washingtons Soundtrack zum Netflix-Porträtfilm "Becoming" über Michelle Obama (Pitchfork), neue Alben von Moses Sumney und Perfume Genius (ZeitOnline), das neue Album von Michelle Gurevich (Presse) und neue Popveröffentlichungen, darunter das neue Comeback von Badly Drawn Boy ("eine ganze Breitseite Vergangenheit", bekam SZ-Popkolumnist Julian Dörr hier ab).