9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Gesellschaft

2275 Presseschau-Absätze - Seite 8 von 228

9punkt - Die Debattenrundschau vom 10.01.2024 - Gesellschaft

Lucien Scherrer legt in der NZZ dar, wie der Rücktritt der Harvard-Präsidentin Claudine Gay (unsere Resümees) von Akademikern und Journalisten als Rassismus-Fall dargestellt wird. Gay stand wegen ihrer Äußerungen zum Nahost-Konflikt in der Kritik, letztendlich musste sie aber wegen Plagiats-Vorwürfen zurücktreten, erinnert Scherrer: "Der schwarze Rassentheoretiker Ibram X. Kendi, der auch in Europa gefeiert wird, behauptete, Gay sei Opfer eines 'rassistischen Mobs': Ihre Arbeiten seien nur deshalb auf Plagiate geprüft worden, weil sie schwarz sei. Ähnliche Theorien verbreiteten Journalisten von einflussreichen Medienhäusern. Meinungsjournalistinnen von MSNBC und der 'New York Times# klagten über Angriffe auf 'jede schwarze Frau in diesem Land', die 'akademische Freiheit', die Diversität und den Pluralismus ... Dass es unter Gays Kritikern Rassisten gibt und es vielen Republikanern nur um die ideologische Deutungshoheit an den Universitäten geht, ist eine Tatsache. Von einem Angriff auf die akademische Freiheit und den Pluralismus zu sprechen, ist jedoch absurd. Plagiate, so verbreitet sie auch sein mögen, gehören nicht zur akademischen Freiheit."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.01.2024 - Gesellschaft

Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die AfD am Ende des Jahres in mehreren Bundesländern mitregieren wird. Darauf muss man sich einstellen, ermuntert in der taz der Theologe und Sozialwissenschaftler David Begrich, und vor allem ihre Niederlagen studieren: "Die AfD will ihrer Wählerschaft weismachen, sie könne die Menschen vor der gesamten Symptomatik der gegenwärtigen Krisen beschirmen. Alle Umfragen zur Kompetenz der AfD zeigen, dass die Menschen der Partei das eigentlich nicht zutrauen. Dies bedeutet, dass die AfD gerade kommunalpolitisch alles andere als unbesiegbar ist. Lokal gut vernetzte Kommunalpolitiker können gegenüber der AfD offensiv ihre Stärke ausspielen. Ihre Präsenz und Ansprechbarkeit in überschaubaren Sozialräumen, umfängliche Ortskenntnis und persönliche Authentizität können das von rechts verbreitete Bild von den vom 'wahren Leben' enthobenen Bürokraten korrigieren."

Simon Strauß blickt in der FAZ auf die Galgen und an Lynchopfer erinnernden baumelnden Gummistiefel, mit der einige Bauern ihren Protest gegen die Subventionskürzungen ausdrücken. Alles nicht so gemeint? "Im Gegenteil: Die Ästhetik ihres Widerstands ist grell, laut und martialisch. Sie bedient sich der Mittel der Einschüchterung und des Erschreckens. Darin - und nicht im angeblich unterschiedlichen gesellschaftlichen Rückhalt - liegt der zentrale Unterschied zu den Aktionen der Klimakleber. Protest bedeutet für die Bauern nicht nur auf der Metaebene: Kampf."
Stichwörter: AfD

9punkt - Die Debattenrundschau vom 08.01.2024 - Gesellschaft

Jürgen Kaube verweist in der FAZ auf ein von Jan von Hein herausgegebenes Ebook, das "mögliche juristische und rechtspolitische Antworten auf BDS" verspricht. Das Buch handelt etwa von der Frage, ob Gemeinden BDS-Anhängern Veranstaltungsräume versagen darf - ein Gericht in München hatte dagegen entschieden, zu Recht, findet Kaube, denn in in diesem Fall ging es darum, über BDS zu diskutieren, an sich nichts Illegitimes. Zugleich hält er fest: Zu den Erstunterzeichnern der BDS-Deklaration von 2005 "gehörten Hamas, Islamischer Dschihad und die terroristische Palästinensische Befreiungsfront." Die weitere Frage sei überdies, ob man BDS generell als antisemitisch betrachten soll: "BDS ist ein Netzwerk, keine Organisation. Das erlaubt es seinen Anhängern und Sympathisanten, sich von Äußerungen führender Mitglieder und jener Erstunterzeichner zu distanzieren, die ein Existenzrecht Israels bestreiten und Terror gegen Israel ausüben. Es heißt, diese Komplizenschaft beweise nicht automatisch antisemitische Einstellungen. An der grundsätzlichen Ablehnung des Existenzrechts des jüdischen Staates durch BDS besteht jedoch kein Zweifel. Sie wird nur politisch verklausuliert."

Alexandra Kedves und Andreas Tobler unterhalten sich für die SZ mit der Ärztin und Frauenrechtlerin Monika Hauser, die am Beispiel des Hamas-Terrors am 7. Oktober erklärt, wie Vergewaltigung zur Kriegswaffe gemacht wird: "Im Krieg eskaliert immer das, was schon zuvor in den Gesellschaften vorhanden war - und Frauenhass und sexualisierte Gewalt sind leider Alltag in patriarchalen Gesellschaften. Daher gibt es auch kaum einen Kriegskontext ohne sexualisierte Gewalt: Sie ist ein immanentes Element von Krieg. Als solches kann sie strategisch eingesetzt werden. ... Wenn wir gegen sexualisierte Gewalt vorgehen wollen, dann müssen wir immer beides im Blick behalten: die sexualisierte Gewalt in Kriegsgebieten, aber auch in unserem eigenen Alltag."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.01.2024 - Gesellschaft

Der Rücktritt der Harvard-Präsidentin Claudine Gay beschäftigt die Medien immer noch. Gay ist zurückgetreten, nachdem sie sich in einer Kongress-Befragung kaum von Antisemitismus an ihrer Uni distanzieren wollte und außerdem in ihren Schriften erhebliche Plagiate festgestellt wurden. In Wirklichkeit betrifft der Skandal um Gay nicht einfach eine Harvard-Präsidentin und ihr Plagiat, meint der Ökologe Tyler Austin Harper in Atlantic. "Der wahre Skandal ist, dass so viele Journalisten und Akademiker bereit waren und immer noch bereit sind, Plagiate so umzudefinieren, dass sie ihrer Agenda entsprechen. Gays Befürworter haben immer wieder auf Orwellschen Doppelsprech zurückgegriffen - es habe 'Unklarheiten', akademische 'Schlamperei' und 'technische Zuordnungsprobleme' gegeben - in dem verzweifelten Bemühen, die Übernahme ganzer Absätze aus der Arbeit eines anderen Wissenschaftlers, fast wortwörtlich, ohne Zitat oder Anführung, nicht als ein Plagiat dastehen zu lassen."

Dass der Skandal von dem konservativen Aktivisten Christopher Rufo und der trumpistischen Politikerin Elise Stefanik ausgelöst wurde, ändert nichts daran, dass die Äußerungen der Unipräsidentinnen vor dem amerikanischen Kongress problematisch waren, meint Sofia Dreisbach in der FAZ. Der Fall sei in mehrerer Hinsicht fatal: "Er ist fatal, weil jüdische Studenten sich damit noch mehr als ohnehin von Universitätsleitungen und Professoren verlassen fühlen. Er ist fatal, weil die drei Frauen, anstatt Mitgefühl, gesunden Menschenverstand und Rückgrat zu zeigen, verklausulierte, vermeintlich juristisch korrekte Antworten gaben. Und der Fall ist fatal, weil er das ohnehin vergiftete gesellschaftliche Klima noch weiter zersetzt."

Unsere Landschaften sind Kulturlandschaften und darum auch anfällig für Überschwemmungen wie in den letzten Tagen, sagt der Umweltwissenschaftler Mathias Scholz im Gespräch mit Eiken Bruhn von der taz. Das gilt aber teilweise seit Jahrhunderten, denn Flussauen sind extrem fruchtbar und wurden früh kultiviert. Einfach die Deiche an den Flüssen zurückverlegen, wäre nicht möglich: "Dann würden wir die meisten Großstädte in Deutschland unter Wasser setzen, weil fast alle an großen Flüssen liegen und sich in Auen entwickelt haben, auch die Metropolen Köln, Frankfurt, München, Berlin. Hochwasserschutz ist eine Kulturleistung, um überhaupt in diesen Räumen siedeln zu können. Es geht ja nicht darum, wieder auf einen Urzustand zurückzukommen. Stattdessen müssen wir dort, wo es Potenziale gibt, Deiche zurückverlegen oder den Fluss wieder an die normalen Talränder mäandrieren lassen. Zum Teil sind solche Flussauen zehn oder zwanzig Kilometer breit."

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Der Politologe Armin Pfahl-Traughber liest bei hpd.de eine unter anderem von Andreas Zick herausgegebene Studie über Rechtsextremismus in Deutschland, in der er auf ein verblüffendes Detailergebnis stößt: "Danach ist bei Personen ein manifest rechtsextremes Weltbild zu 12,2 Prozent vorhanden, welche sich politisch selbst als 'links' verorteten (während es bei "eher links" nur 3,3 Prozent ausmacht, vgl. S. 72). Hier besteht für die Deutung offenkundig ein Problem, das von den Autoren nicht gelöst oder auch thematisiert wird. Möglicherweise gibt es dafür keine überzeugende Erklärung, gleichwohl sollten solche Gesichtspunkte schon für die Leser angesprochen werden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 04.01.2024 - Gesellschaft

Der 7. Oktober muss auch in Deutschland ein Weckruf sein, fordert Ahmad Mansour in seiner Focus-Kolumne. Westliche Gesellschaften müssten anerkennen, dass sie ein Problem mit Integration haben und dass Hassausbrüche migrantischer Jugendlicher sich nicht einfach aus Diskriminierung speisen. Dies zu behaupten sei ein "Rassismus der niedrigen Erwartungen. Wer das vertritt, wird die Menschen nicht dazu ermutigen in Eigenverantwortung und Mündigkeit zu gehen, sich selbst zu reflektieren und alte Muster abzulegen. So verfestigt sich erlernte Hilflosigkeit weiter und mündet in einem Wettbewerb um die Zugehörigkeit zur am meisten benachteiligten Opfer-Gruppe."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 03.01.2024 - Gesellschaft

Nicht allein wegen der Antisemitismus-Vorwürfe (unsere Resümees), sondern auch wegen sich häufender Plagiatsvorwürfe ist Claudine Gay, Präsidentin der Harvard University, nun zurückgetreten, meldet Christian Zaschke, der das in der SZ nicht nur bedauert, sondern auch unerträglich findet, wie die Republikaner dies als persönlichen Erfolg verbuchen: "Es dauerte nicht lang, bis Elise Stefanik in den sozialen Medien reagierte, gewohnt aggressiv. Der Rücktritt der 'antisemitischen Plagiats-Präsidentin' sei lange überfällig, schrieb sie, und er sei nur der 'Anfang des größten College- oder Universitätsskandals der Geschichte'. Was sie damit im Detail meinte, führte sie nicht aus. Nachdem Stefanik zudem behauptet hatte, das Aus von Claudine Gay sei vor allem ihr Verdienst, meldeten sich bald weitere Republikaner zu Wort, die geltend machten, der Rücktritt sei vielmehr ihnen zu verdanken. (...) Es wirkte wie ein Wettkampf darum, wer behaupten darf, Gay zu Fall gebracht zu haben."

Der Mittelschicht geht es besser als sie meint, erfährt Melanie Mühl in der FAZ von dem Soziologen Holger Lengfeld: "Es geht uns besser, als wir denken - doch die öffentliche Debatte über die Mitte entspricht immer noch dem 'Immerschlimmerismus'. Den Begriff hat Matthias Horx geprägt. 'Diese Geisteshaltung, dieser Fokus, mit dem man auf die Welt blickt, ist sehr sensibel für Verschlechterungen und eher unsensibel für Dinge, die sich verbessern.' Die Deutschen malen die Welt lieber in dunklen als in hellen Farben, und darüber kann schon mal der klare Blick verloren gehen. Lengfeld hat die Beobachtung gemacht, dass unsere Ansprüche an ein gelungenes Leben im wirtschaftlichen Bereich im Zeitverlauf stärker gestiegen sind als unser faktischer Wohlstand. 'Deshalb reagieren wir sehr sensibel auf konkrete oder auch nur abstrakte ökonomische Bedrohungen, die erscheinen uns sehr groß.'"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.12.2023 - Gesellschaft

An Weihnachten ist Jochen Bittner der "Sündenstolz", der auch in manchen Kirchen gepredigt wird, besonders unangenehm aufgefallen. Während wir uns ausnehmend gut in der Pose der Sünder gefallen, die schuld sind am Leid der ganzen Welt, nehmen wir die Sünden der anderen, zum Beispiel den Terror der Hamas oder das Massaker an über 140 Christen von Islamisten in Nigeria zu Weihnachten, nur ungern wahr, kritisiert er in der Zeit. "Diese Teilblindheit Europas hat eben mit einem Sündiger-als-du-Glauben zu tun. Wenn derjenige am ehesten auf Erlösung hoffen darf, der sich seine Sündhaftigkeit am schonungslosesten bewusst macht, dann dürfen die eigenen Sünden nie versiegen. Sind sie ja der Rohstoff der Reue. Was wiederum bedeutet: Die Anderen, die dürfen nie und nimmer sündiger sein als ich. Diese Idee ist natürlich nichts anderes als eine vornehme Form von Paternalismus. Sie erkennt dem anderen nicht die gleiche Fähigkeit zur Selbstkorrektur zu, weil sie ihm nicht die gleiche Fähigkeit zur Schlechtigkeit zutraut."
Stichwörter: Hamas

9punkt - Die Debattenrundschau vom 23.12.2023 - Gesellschaft

Der Schriftsteller Marcel Beyer erzählt in der FAS von seinem Besuch beim Schriftstellertreffen "Eine Brücke aus Papier" im unmittelbar an der Grenze zur Slowakei gelegenen Uschhorod in der Ukraine - und ihm stockt regelrecht der Atem, wenn er die Gesten des Zusammenhalts und der Solidarität, die er dort erlebt hat, mit der Meckerlaune und allgemeinen Gleichgültigkeit in Deutschland vergleicht. Seit diesen Eindrücken "fürchte ich mich nur noch mehr vor einer Kultur der kalten Augen, wie sie sich auch in Deutschland zu erkennen gibt. Wenig war hier von echten wie von selbsternannten Intellektuellen zu hören, als die russische Armee die Gedenkstätte Babyn Jar im Nordwesten von Kiew bombardierte. Als der russische Außenminister herumschwadronierte, nicht nur Wolodimir Selenski, auch Adolf Hitler könne jüdischer Herkunft gewesen sein. Als der russische Präsident erklärte, die Perfidie des westlichen Strebens nach Weltherrschaft bestehe gerade darin, an die Spitze eines faschistischen Regimes in Kiew einen Juden zu setzen. Ich erkenne keine Beunruhigung in der deutschen Öffentlichkeit darüber, dass Iran, das sich die Vernichtung Israels zum Ziel gesetzt hat, mitten in Europa an einem Vernichtungskrieg beteiligt ist. Stattdessen gefällt man sich darin, von unrealistischen, unangebrachten 'Maximalforderungen' zu reden, wenn der ukrainische Präsident auf der territorialen Integrität des Landes besteht."

In der DDR verdrängten die wenigen verbliebenen Juden das Jüdische, und Antisemitismus konnte es ja im Antifaschismus nicht geben, erinnert sich Lea Streisand in der taz, Urenkelin des letzten deutschen Streisand, der die Nazis überlebte. Der 7. Oktober war für sie eigentlich DDR-Geburtstag, bis zu diesem Jahr. "Stellt euch meine Überraschung nach dem 7. Oktober vor, als ich erfuhr, dass es anderen genauso geht wie mir. In meiner Familie wird über die jüdischen Vorfahren nur in unbeendeten Sätzen geredet. Als ich meiner Mutter jüngst erzählte, ich hätte auf offener Bühne Anfeindungen für einen Text über Antisemitismus erfahren, meinte sie mitfühlend: 'Ja schlimm, aber wenn du dich so exponierst...' Ihr war klar, dass man Hass erntet, wenn man die jüdische Position einnimmt."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.12.2023 - Gesellschaft

Die Schriftstellerin und Psychologin Ayelet Gundar-Goshen betreut nach dem 7. Oktober Überlebende des Hamas-Massakers - in der SZ spricht sie mit Moritz Baumstieger über ihre Arbeit. Dabei trifft sie oft auf die sogenannte "Survivor Guilt" der Überlebenden, also das Bedauern des eigenen Überlebens beim tragischen Verlust von Angehörigen, das sie auch mit heilsamen Provokationen bekämpft: Was sie vor dem 7. Oktober gerne gemacht hat, fragt Gundar-Goshen eine Überlebende. "'Im Park joggen und dabei Taylor Swift hören.' Als ich sie bat, genau das wieder zu tun, hat sie mich angefahren: 'Was sind Sie nur für eine Frau! Da sitzen mehr als Hundert Geiseln in Gaza - und Sie empfehlen mir, Taylor Swift zu hören?' Aber ich habe ihr gesagt: Jetzt joggen zu gehen, das ist Aktivismus im Sinne der Geiseln - denn wenn du in die Depression versinkst, kannst du nicht mehr für sie kämpfen. Entscheide dich weiterzuleben, denn wenn du das nicht tust, gewinnt die Hamas. Die Schuldgefühle stecken wie Giftpfeile in unseren Herzen. Das ist tödlich - so wie der momentane Stillstand schon rein ökonomisch tödlich ist für unser Land."

Nach der UdK ist es auch an der FU zu propalästinensischen Demos gekommen, bei denen Parolen wie "From the River To the Sea..." gerufen und jüdische Studenten bedrängt wurden, berichtet Ralf Pauli in der taz. Er hat unter anderem mit dem jüdischen Studenten Lior Steiner gesprochen, für den bei Aussagen wie denen von Young Struggle die Gesprächsgrundlage ende. "'Ich bin in den Hörsaal gekommen, um mich der Debatte zu stellen', so Steiner. 'Mir ist bewusst, dass der Krieg auch auf palästinensischer Seite großes Leid hervorbringt.' Statt einer offenen Diskussion sei er aber am Eintritt in den Hörsaal behindert und als 'Zionist' beschimpft worden. Der FU wirft Steiner vor, antisemitischen Narrativen zu lange Raum geboten zu haben. Zu den Vorwürfen äußerte sich die FU gegenüber der taz zunächst nicht. Auch Steiner fordert, entsprechende Studierende zu exmatrikulieren. Allerdings erlaubt das Berliner Hochschulgesetz dies gar nicht. Die rot-rot-grüne Vorgängerregierung hatte diese Option in der jüngsten Novelle abgeschafft." Ebenfalls in der taz berichtet Luise Bartsch über eine Razzia bei der linksextremen Feministinnentruppe "Zora", die es zwar nicht mit der Hamas, aber mit der PFLP hält.

Auch an Schulen müsste gegen Antisemitismus gekämpft werden, schreibt der Lehrer Ulrich Schnakenberg in der FAZ, aber zunächst einmal stellte er im Unterricht eine gewisse Zurückhaltung fest: "Anders als nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor eineinhalb Jahren wollten ihre Schüler diesmal nicht über die sie doch sichtlich bewegenden Horrormeldungen sprechen. Anstatt der erwarteten tausend Fragen - unnatürliche Stille. Erst auf bohrendes Nachfragen stellte sich schließlich der Grund dafür heraus: Die Eltern hatten ihren Kindern eine Schweigepflicht verordnet. Offensichtlich sollten die Lehrer nicht erfahren, wie zu Hause über den Angriff der Hamas gedacht wird." Das Dumme ist nur, wenn Lehrer das auch von Schulen verhängte Schweigegebot brechen: "Lehrkräften brandete im Klassenraum teilweise ein 'Sturm antisemitischer Hetze' entgegen; für einige ging dies bis zum Empfinden von körperlichen Schmerzen." An Gymnasien geht es allerdings ruhiger zu als an Gesamtschulen, differenziert Schnakenberg auch.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 19.12.2023 - Gesellschaft

In der taz verstehen der Politikwissenschaftler Özgür Özvatan und der Ökonom Volkan Sezgin die Debatte über angeblich zu viele Migranten nicht: Sollen sie doch kommen, rufen die beiden in der taz. Deutschlands Wirtschaft braucht sie. "Der Migrationsökonom Herbert Brücker hat vorgerechnet, dass bereits 2021 nahezu zwei Drittel der Schutzsuchenden, die 2015 nach Deutschland kamen, erwerbstätig waren. Wenn wir unsere Behörden auf Vordermann bringen, Barrieren für den Arbeitsmarktzugang abbauen, mehr Plätze in Bildungseinrichtungen schaffen, dann beschleunigen wir die Erwerbsbeteiligung von Schutzsuchenden." Notwendig wären jetzt aber bessere Infrastrukturen, fordern die beiden.