Magazinrundschau - Archiv

Le Monde

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Magazinrundschau vom 07.05.2013 - Le Monde

Michel Hazanavicius, Regisseur des Erfolgsfilms "The Artist“", hat die im Dezember von Vincent Maraval losgetretene Debatte um das französische Filmfinanzierungssystem neu entfacht. Entgegen Maravals These, die Gagen der Stars seien einfach viel zu hoch, sieht er ein ganzes Bündel von Problemen, einen wahren Dschungel des Filmfinanzwesens, in dem jeder nur noch die eigenen Interessen im Sinn hat. Hilfe sucht er dann aber ganz woanders - im Internet, dessen Akteure er anzapfen will: "Wir müssen akzeptieren, dass Internet Fernsehen und Fernsehen Internet ist und Konsequenzen aus diesen neuen Definitionen ziehen, vor allem für die Finanzierung unserer Werke. Wir müssen die Akteure des Netzes und ihre Funktionen semantisch neu einordnen. Ein Internetprovider ist auch ein Verbreiter von Inhalten, eine Videoplattform ein Sender, und was sind Tablets anderes als Bildschirme?"
Stichwörter: Hazanavicius, Michel

Magazinrundschau vom 25.03.2013 - Le Monde

Ziemlich anders kann einem werden, wenn man Philippe Ridets bestens informiertes Porträt über den "Guru von Grillo", Gianroberto Casaleggio, liest, der Beppe Grillos Blog zu einer der meistbesuchten Seiten der Welt aufgebaut hat und nebenbei an ein ziemlich sektenähnliches New-Age-Gewaber glaubt. Wie das Netz funktioniert, hat er aber bestens verstanden - seine Formel: "'Hundert Prozent der Informationen im Netz werden von zehn Prozent seiner Nutzer produziert.' Diese zehn Prozent will Casaleggio ansprechen. Darum werden alle kritischen Kommentare auf Grillos Blog systematisch gelöscht, während die 'Grillinauten' überall sonst im Netz ihre Meinungen verkünden. Italien zeichnet sich durch seinen Rückstand beim schnellen Internet aus, aber das stört den Guru nicht: 'Wer eine politische Biotschaft im Netz empfängt, tut es aus eigenem Willen. Er gibt sie weiter an seine Freunde per Facebook, an seine Eltern, seine Geschwister, abends beim Essen. Die virale Verbreitug der Message kompensiert sehr weitgehend die Grenzen des Netzes in Italien.'"

Magazinrundschau vom 12.03.2013 - Le Monde

Die aus dem Iran stammende Soziologin und Schriftstellerin Chahla Chafiq gibt einen Überblick über die Entwicklung des Feminismus in islamischen Ländern, vor allen Dingen im Iran, wo er seit den 1980er Jahren durchaus eine Geschichte hatte. Sie schreibt: "Ein einfacher Blick auf die Geschichte der Kämpfe um demokratische Rechte in den islamischen Ländern zeigt, dass es die Vorgehensweise einer erneuten Lektüre der islamischen Lehre schon immer gegeben hat. Allerdings haben sich die Feministinnen weder darauf beschränkt, noch eine populistische Doktrin aufgestellt, um einen Weg der Befreiung zu finden, der den Wünschen des islamischen Volks enspricht. Erinnern wir uns zum Beispiel an die Reformen von Habib Bourguiba (1903-2000) in Tunesien, wo die Frauenrechte auf einer fortschrittlichen Interpretation des Islam fundierten." Die gegenwärtige Situation verdiene Aufmerksamkeit: "Als Vorstellung einer globalen und globalisierenden Identität bestimmt der Islam zugleich die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der erträumten Glaubensgemeinschaft als eine einheitliche Umma. Die individuelle Autonomie wird dem Diktat der Islamisten unterworfen (die sich zu den Garanten der Umma erklären) und die Prinzipien der Gleichheit und Freiheit werden im Namen des Heiligen negiert."

Magazinrundschau vom 08.01.2013 - Le Monde

In Frankreich ist eine lebhafte Debatte um einen Beitrag des Verleihers und Produzenten Vincent Maraval entbrannt, wonach französische Schauspieler zu viel verdienten, französische Filme dadurch viel zu teuer und nicht wettbewerbsfähig seien. Den eigentlichen Skandal sieht Maraval darin, dass die französischen Schauspieler "durch öffentliche Gelder" reich würden und durch ein System, das ihre "kulturelle Sonderstellung" schützt. Dem widersprach unter der Überschrift "Es lebe die kulturelle Sonderstellung!" zunächst Jerome Clement, ehemaliger Präsident des Centre national de la cinematographie und von Arte, in mehreren Punkten: "Nein, es gibt weder einen Skandal, noch ein Gesetz des Schweigens, sondern einfach nur den Stolz einem, sicherlich verbesserungsfähigen, System anzugehören, das unserer Filmkunst immerhin vor dem unheilvollen Schicksal des spanischen oder italienischen Kinos zu bewahren." Zuletzt meldete sich Marc Missonnier, unabhängiger Produzent des letzten "Asterix"-Films zu Wort, der Maravals Kritik in einigen Punkten teilt. "Die Schauspielergehälter blockieren das System. Ein Akteur, der für einen nicht gut laufenden Film sehr gut bezahlt wurde, kann es sich heutzutage erlauben, das Gleiche für den nächsten Film zu verlangen ... Die Stars, die in 'schwierigen' Filmen mitwirken, sollten akzeptieren, dass die Gage im Verhältnis zum Budget steht. Amerikanische Schauspieler zögern nicht, dies zu tun."

Magazinrundschau vom 02.01.2013 - Le Monde

Einen interessanten Hintergrundbericht schickt François Bougon über den Widerstand der Tibeter gegen die chinesische Besatzung, der in letzter Zeit mit grauenhaften, per Video verbreiteten Selbstverbrennungen neue Zeichen setzt. Immer häufiger, so Bougon, geht es den jungen Tibetern aber schlicht um die Verteidigung der eigenen Sprache. "Für die weniger gebildeten Schichten der Bevölkerung Tibets sind es vor allem Lieder, die über CD oder Internet verbreitet werden, mit denen sie ihre tibetanische Identität ausdrücken. Seit den achtziger Jahren ist ein bestimmtes Genre besonders beliebt, das dranyen dunglen, was 'kratzen und singen' bedeutet. Der Sänger begleitet sich mit einer Mandoline. Wie in der Literatur sind die versteckten Anspielungen immer deutlicheren Beschwörungen einer gloriosen Vergangenheit oder der Niederlage gegen die Chinesen gewichen, die mit der offiziellen chinesischen Sichtweise brechen."
Stichwörter: Tibet

Magazinrundschau vom 18.12.2012 - Le Monde

Der große tunesische Essayist und Lyriker Abdelwahab Meddeb ruft gemäßigte Muslime dazu auf, den Islam vom Islamismus zu befreien. Dazu will er an vier Punkten ansetzen, an denen der saudische Wahabismus die islamische Doktrin versteifte. In Punkt 4 fordert Meddeb den "Anschluss unseres Diskurses an das moderne und postmoderne Denken, wie es sich seit dem 18. Jahrundert, seit Rousseau und Kant bis zu Karl Popper und Jacques Derrida über John Stuart Mill und viele andere entfaltet hat - an jenes Denken also, das Offenheit und Freiheit feiert, das die Waffe der Kritik nutzt und ein Erbe zu dekonstruieren weiß, denn es hat nur dann Geltung, wenn es als eine unablässig in Frage gestellte Spur weitergetragen wird."

Magazinrundschau vom 06.11.2012 - Le Monde

Die Krise, die Europa erfasst hat, ist keine finanzielle, sondern eine geistige, diagnostiziert der Philosoph Pascal Bruckner und empfiehlt, Europa solle sich von seinem "krankhaften Skeptizismus" lösen. "Wir sind uns unserer selbst so wenig sicher, dass wir den Hunger nach Freiheit anderer Völker viel zu sehr unterschätzen: Die empörte Reaktion der Pakistani nach dem Attentatsversuch der Taliban von Malala an diesem kleinen Mädchen, dessen Schuld darin bestand, zur Schule gehen zu wollen, beweist, dass das Krebsgeschwür des Extremismus niemals sicher sein kann zu wachsen, selbst in einer Nation, die starken Spannungen ausgesetzt ist. Europa ist niemals größer als in den Momenten, in denen es zur Welt spricht, seine alltäglichen Sorgen vergisst, um ein Vorbild abzugeben. Doch im Moment verstummt es, verheddert sich in seine Defizite, unfähig ein anderes Projekt zu formulieren als das Überleben. Dabei sollte Zerknirschung niemals den Widerstandsgeist ersticken."

Jean Renoir, viel bewundert für den Pazifismus seines Films "La grande illusion" in den Jahren vor dem Krieg, gilt als großer Humanist des Kinos. Und das war er auch, schreibt Pierre Asssouline in seiner Kritik der monumentalen Renoir-Biografie von Pascal Mérigeau. Und außerdem ging Renoir mit jeder Mode, solange sie nicht demokratisch war: "Als offizieller Regisseur der Kommunistischen Partei poliert er seine Rolle mit dem Film 'La Marseillaise', wo er die Schuld Marie-Antoinette gibt, um Ludwig XVI. zu schonen. Und die Revolution ähnelt in nichts einem Bürgerkrieg, während die Marseillaise beim Parteitag 1937 im (hagiografischen Porträtfilm 'Fils du peuple', d. Red.) mit dem französischen KP-Führer Maurice Thorez verknüpft wird. Dann seine Germanophilie in seinem Meisterwerk 'La rège du jeu', einem Kriegsfilm ohne Krieg, seinem einzigen Erfolg bei Kritikern und Publikum. Er bekennt seinen Stolz, als er erfährt, dass der Film Mussolini in Privatvorführung gezeigt wurde... und geht nach Rom mit lauter italienischen Projekten und attackiert die 'Invasion des amerikanischen Kinos' in der offiziellen italienischen Presse. Schließlich bittet er 1940 Jean-Louis Tixier-Vignancour, den Kinobeauftragten des Vichy-Regimes, um Verhaltensregeln, nicht ohne im selben Brief seinen Abscheu vor der 'Brut der zu eliminierenden Unerwünschten' zu bekennen, jene ausländischen Produzenten, die das französische Kino so verdorben hätten (und nebenbei manchen Film eines gewissen Renoir finanzierten...)"

Magazinrundschau vom 25.09.2012 - Le Monde

Eine lesenswerte Analyse zum Verhalten der Medien im aktuellen Krieg der Kulturen legt der Arabien-Experte von Le Monde, Christophe Ayad, vor. Er fragt sich, ob die Medien in der Affäre wirklich Journalismus gemacht haben: Denn in Ägypten hat das Fernsehen das Mohammed-Video in Dauerschleife gezeigt und die Stimmung angeheizt, um eine gerade von 2.000 Leuten besuchte, aber gewalttätige Demo zu erzeugen. Und in Frankreich hat man Ausschreitungen beschworen, noch bevor Charlie Hebdo überhaupt seine Karikaturen veröffentlichte: "In Paris wie in Kairo war man besser in der Ankündigung des Skandals als in der Berichterstattung - man vermengte eine Demonstration mit einem von Al Kaida geplanten Anschlag, man forderte die Politiker auf zu reagieren, bevor die Ausschreitungen überhaupt vorgefallen waren und schließlich vergaß man zu erwähnen, wie schwach besucht die Demonstrationen waren. Als hätten Zahlen, auf die sich die so umfragesüchtigen Medien sonst so gerne stürzen, in diesem Fall ihren Sinn verloren. Medien in der arabischen Welt und im Westen haben tatsächlich mal im Unisono gesungen. Freuen kann man sich darüber leider nicht."
Stichwörter: Charlie Hebdo

Magazinrundschau vom 17.07.2012 - Le Monde

Wenn François Hollande ein Idol hat, dann ist es François Mitterrand. Aber dieser Mitterrand hat trotz historischer Verdienste nicht immer eine vorbildliche Rolle gespielt. Er war es, der durch Einführung des Proportionalwahlrechts dem Front national eine erste Chance gab. Er war engstens mit René Bousquet befreundet, der 1942 die "Rafle du Vel'd'Hiv" organisiert hatte, bei der Juden in Paris vom Vichy-Regime ohne Anweisung der Nazis zusammengetrieben wurden. Er leugnete die Kontinuität zwischen Vichy und der Republik, und er nahm 1992 nur auf öffentlichen Druck am Gedenken an die Razzia teil, erinnert Anna Senik. "Der Präsident legte seinen Kranz nieder, aber er sagte kein Wort. Er erschwerte seinen Fall, indem er später im Jahr, am 11. November, einen Kranz am Grab des Marschalls Pétain niederlegte - im Namen der Republik... Erst der neue Präsident Jacques Chirac fand sich bereit zum offiziellen Bekenntnis, auf das so lange gewartet worden war. Das war am 16. Juli 1995, am 53. Jahrestag der Razzia." Senik hofft, dass sich Hollande bei der Gedenkveranstaltung am nächsten Samstag eher der von Chirac geprägten Tradition anschließt.

Magazinrundschau vom 19.06.2012 - Le Monde

Zwei Jahre nach Beginn der griechischen Krise, bricht auch das Verlagswesen zusammen, berichtet Florence Noiville. Die Situation: Leser kaufen nichts mehr, Buchläden schließen, die Verleger krebsen vor sich hin, die Autoren sind entmutigt. "Was verblüfft, ist der Dominoeffekt, die Geschwindigkeit, mit der ein ganzes System sich auflöst. In den Verlagen werden viele Angestellte nicht mehr bezahlt, sondern kommen umsonst zur Arbeit. Sie wissen, dass sie anderswo keine Anstellung finden. Vor der Krise, waren über die Hälfte der in Griechenland publizierten Titel Übersetzungen. Jetzt sind die Ankäufe von Rechten eingefroren." Viele Verleger retten sich inzwischen durch Programmumstellungen, wie Eva Karditi: "Ich habe mich auf Yoga verlegt."

Außerdem: Als ideologisch und mit dem Friedensgedanken unvereinbar kritisiert der tunesische Schriftsteller Hele Beji die Wiederaberkennung des Preises des arabischen Romans für den algerischen Autor Boualem Sansal; dessen Stifter, die arabischen Botschafter, hatten ihn Sansal nach einer Israelreise wieder entzogen. Beji, selbst Mitglied der Preisjury, wettert: "Mit welchem Recht? Im Namen welchen Krieges? Welchen Hasses? Welcher Angst? Welcher Religion? Welcher Staatsräson?"