Magazinrundschau - Archiv

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67 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 7

Magazinrundschau vom 26.11.2013 - MicroMega

Micromega gehört zu den Medien, die die deutsche Austeritätspolitik Woche für Woche attackieren. Bitter liest sich die Anklage Barbara Spinellis, die die Deutschen an das Kriegsende erinnert: "Es folgte die Weitsicht der Sieger. Im Jahre 1953 haben 65 Staaten in einen Schuldenschnitt für die deutschen Kriegsschulden eingewilligt (darunter Italien und Griechenland, die heutigen Testländer der Zinskompression) und haben somit den Deutschen ihr außerordentliches Wirtschaftswunder der folgenden Jahrzehnte ermöglicht. Aber die Ursachen dieses Wirtschaftswunders sind heute vergessen, und dieses Vergessen erklärt, warum die deutsche Führung in Europa heute ohne weitblickende Solidarität und Verantwortungssinn auskommt."

Magazinrundschau vom 15.10.2013 - MicroMega

Deutschland steht in den Augen der anderen europäischen Länder bei weitem nicht so gut da wie in den eigenen. Das linksliberale Magazin Micromega etwa ist alles andere als gut auf den Nachbarn zu sprechen und macht Deutschland für die italienische Krise mitverantwortlich. Typisch ist ein Auszug aus einem Buch des Ökonomen Vladimiro Giacché, der aktuell abgedruckt ist. Schon der Titel lässt einen schaudern: "Anschluss - L'annessione". Giacché vergleicht darin die Lage der südeuropäischen Länder mit der der Ex-DDR nach dem Mauerfall: "In letzterem Fall wurde die Dynamik noch durch den irrationalen Umtauschkurs verschärft, der den Wandel für das betroffene Gebiet noch schlimmer gemacht hat. Aber wenn wir die verschiedenen Symptome aufzählen, die die Krisenländer der Eurozone zeigen, dann ist leicht festzustellen, dass sie - ohne die gleiche Dramatik - fast identisch sind: starker Abfall der internen Wirtschaftskraft, Deindustrialisierung, erhöhte Arbeitslosigkeit, Handelsbilanzdefizit, Anwachsen der öffentlichen Schulden, Auswanderung."

Magazinrundschau vom 08.10.2013 - MicroMega

Richtig feierlich wird Umberto Eco: Nur die Universitäten können Orientierung im Informationsorkan des Internets bieten, und überhaupt - auch Europa wurde an der Uni erfunden: "Das Heilige Römische Reich, seinerzeit von Barbarossa verkörpert, die römische Kirche, die in scharfer Konkurrenz stehenden Reiche von Frankreich und England, die kleinen spanischen Länder, die sich gegen die islamische Herrschaft wehrten, die ersten Handelsrepubliken und Städte Italiens, die aufkommende Hanse: Sie waren alle von unterschiedlichen Idiomen und Interessen zerrissen, und vereint allein durch eine Lingua franca, das mittelalterliche Latein, das allerdings nur von Gelehrten gesprochen wurde. Aus diesem Kultur-Pidgin entstand die Universität, dieses unvergleichliche Haus friedlicher Migration von Forschern und Studenten."

Magazinrundschau vom 30.07.2013 - MicroMega

Kenntnisreich und lesenswert ist Valerio Gigantes kritisches Porträt des neuen Papstes Franziskus I., der mit seiner Kritik der globalisierten Indifferenz weithin auf Begeisterung stößt. In der Rhetorik erkennt Gigante riesige Unterschiede zu Benedikt XVI., aber er zitiert auch einige Fakten, die die Reformfreudigkeit des Papstes in Zweifel stellen. Zwar hat er sich jüngst vielversprechend über schwule Priester geäußert, aber seine Position zu Abtreibung, Geburtenkontrolle, Homoehe und ähnlichen Themen in Argentinien lag ganz auf der traditionellen Linie. Irritierend ist für Gigante auch die Besetzung des Gremiums seiner acht "Superberater", die teilweise sehr konservativ sind. Da ist etwa Kardinal Marcello Semeraro, der sich weigerte, die italienischen Behörden im Fall des Padre Marco Agostini, eines der schlimmsten Pädophilen der italienischen Kirche, zu unterstützen. Auf Bitten der Staatsanwaltschaft, ihr Akten der Kirche zu überlassen, "sagte Semeraro 'nein' und berief sich auf Artikel 4, Absatz 4 des Konkordats, wonach Kirchenleute nicht gehalten sind, Richtern oder anderen Amtspersonen des Staates Materialien über die Amtsausübung der Priester weiterzugeben. Er wäre nicht verpflichtet gewesen, es zu tun - aber er hätte es tun dürfen. Er entschied sich dagegen. Zu dem Beratergremium gehört auch der chilenische Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, der im Jahr 2006 den General Pinochet am Totenbett besuchte ('möge Gott ihm verzeihen und das Gute würdigen, das er getan hat') und der der chilenischen Regierung 2010 einen Straferlass für Pinochets Militärs im Namen des 'christlichen Erbarmens' vorschlug."

Magazinrundschau vom 02.07.2013 - MicroMega

Alle Länder kriegen die Homoehe, nur Italien nicht, obwohl die höchsten Gerichte den Gesetzgeber längst aufgefordert haben, auf die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen hinzuarbeiten. Aber das Parlament winkt ab. Für Stefano Rodotà ist das ein Besorgnis erregendes Symptom, das über das Thema der Homoehe hinausreicht und etwas über die Psychologie der tiefen Krise Italiens aussagt: "Eingeschlossen in ihrem Wunsch, die Regierung um jeden Preis zu erhalten, haben die Mehrheitsparteien fast jeden Bezug auf die Bürgerrechte und die sogenannten 'neuen Rechte' aus ihrer Agenda gestrichen, da diese Themen als spalterisch gelten und man einen unheilbaren politischen Bruch fürchtet. So entfernt sich die Politik von der Gesellschaft, ignoriert ihre Dynamik und Bedürfnisse und schließt jeden Kommunikationskanal mit den Bürgern - genau in dem Moment, in dem sie sich fähig zeigen müsste, diese Wünsche aufzunehmen und in eine politische Agenda zu integrieren, die nicht mehr nur selbstreferenziell ist."

Magazinrundschau vom 11.06.2013 - MicroMega

Ende Mai haben wir auf einen Artikel in Micromega über den Skandal der Abtreibungen in Italien hingewiesen: Frauen finden kaum mehr einen Arzt, der den Eingriff vornimmt, weil so gut wie alle Ärzte aus "Gewissensgründen" - in Wahrheit wegen Drucks, der auf sie ausgeübt wird - keine Abtreibungen mehr vornehmen wollen. Nun greift die Journalistin und Feministin Maria Mantello in die Debatte ein: "Es ist an ein Urteil der Corte Costituzionale von 1975 zu erinnern: Wenn zwei Rechtsansprüche einen unauflösbaren Konflikt zwischen zwei Betroffenen schaffen, dann darf das Gesetz nicht einer der beiden Seiten einen einseitigen Schutz geben und die andere benachteiligen, so wie es heute in der Praxis geschieht, wenn man bedenkt, dass die Gewissensgründe der Ärzte regelmäßig über dem Recht der Frauen stehen, selbstverantwortlich über ihre Mutterschaft zu entscheiden. Stellen wir uns einen Zeugen Jehovas als Arzt vor, der aus Gewissensgründen eine Bluttransfusion bei einem Patienten ablehnte: Was gäbe es für ein Geschrei!"

Magazinrundschau vom 28.05.2013 - MicroMega

Eine geradezu unglaubliche Geschichte erzählt Maria Novella De Luca: Obwohl laut Paragraf 194 des italienischen Gesetzbuches seit 1978 legale Abtreibungen durchgeführt werden dürfen, ist es für Frauen in Italien heute kaum mehr möglich, einen Arzt zu finden. Gynäkologen lehnen es aus angeblichen Gewissensgründen ab. Inzwischen hat die chinesische Mafia übernommen, und in U-Bahn-Gängen wird illegal mit Abtreibungspillen gehandelt: "Aber wie ist es dazu gekommen, dass ein staatlich garantiertes Recht rückgängig gemacht wurde?", fragt De Luca die Aktivistin Silvana Agatone von der Liga für das Recht auf Abtreibung (Laiga), "ist es legal, dass ganze Krankenhäuser keine Abtreibung nach Paragraf 194 mehr durchführen?" Agatones Antwort: "Nein, es ist nicht legal, darum sind wir als Laiga zum Europarat gegangen, und unsere Beschwerde wurde bereits angenommen. Ärztinnen und Ärzte wollen nicht mehr abtreiben, weil sie in ihrer Karriere behindert werden und man sie zwingt, nur noch Abtreibungen und nichts anderes mehr zu machen." De Luca zählt auf: "Im Latium, der Region um Rom, verweigern 91 Prozent der Gynäkologen aus Gewissensgründen, in Bari haben die beiden letzten Ärzte, die Abtreibungen durchführten, aufgegeben. In Neapel wird der Dienst nur mehr von einem einzigen Krankenhaus aufrecht erhalten."

Magazinrundschau vom 23.04.2013 - MicroMega

Die Tiefendimension des "Politclowns" Beppe Grillo ist in Deutschland noch kaum wahrgenommen worden. Wir haben neulich auf zwei Artikel über den Guru des Gurus, Gianroberto Casaleggio hingewiesen (hier und hier). Nun denkt Giovanni Perazzoli in Micromega interessant und klarsichtig über den "millenaristischen Charakter" der Fünf-Sterne-Bewegung nach, aus dem sich auch die Ablehnung der Zusammenarbeit mit anderen Parteien ergibt. "Grillo meint es sehr ernst, wenn er das Netz als Instrument des Heils betrachtet, das direkte Demokratie ermöglicht, oder wenn er für seine Fünf-Sterne-Bewegung eine Vision der Weltrevolution ausmacht oder glaubt, dass das 'Format' der Web-Demokratie von Italien aus über die ganze Welt kommen wird... Das Netz bekommt bei ihm dieselbe, ans Theologische grenzende Bedeutung, die der Markt für den Neoliberalismus oder die materielle Dialektik für den Marxismus hat."

Magazinrundschau vom 09.04.2013 - MicroMega

Recht gespenstisch ging es nach Annamaria Rivera auf dem Weltsozialforum in Tunis zu, unter anderem weil dort linke Studenten, die um den beliebten, vermutlich von Salafisten ermordeten Politiker Chokri Belaid trauerten, auf salafistische Studentinnen trafen, die im Namen der Globalisierungskritik ihr Recht einforderten, in Totalvermummung zu studieren. "Währenddessen forderte im Zentrum von Tunis eine kleine, vor allem weibliche Menge den Rücktritt der Frauen- und Familienministerin Sihem Badi. Die unwürdige Politikerin hat die bestialische Vergewaltigung eines dreijährigen Mädchens, die von einem Kindergartenwärter begangen wurde, kleingeredet und den Verdacht auf die Familie des Opfers gelenkt. Während die Tugendwächter sich beim Sozialforum akkreditieren wollten, wird Tunesien von einer Welle von Vergewaltigungen heimgesucht, ein Phänomen, wie es dieses Land noch nie erlebte - es sei denn , es tritt zum ersten Mal in dieser Klarheit ans Tageslicht."

Magazinrundschau vom 20.11.2012 - MicroMega

Jürgen Habermas sieht im Interview mit Donatella Di Cesare für Micromega eigentlich gar kein Problem mit der europäischen Öffentlichkeit - es müssten nur ein paar Kleinigkeiten erledigt werden, um sie wirklich werden zu lassen: "Eine europäische Öffentlichkeit kann aus den nationalen Öffentlichkeiten entstehen, wenn sich diese füreinander öffnen. Die bereits existierenden Medien müssen europäischen Themen einen angemessenen Raum geben und die Kontroversen richtig wiedergeben, vor allem wenn ein Widerspruch zwischen verschiedenen nationalen Öffentlichkeiten besteht. Das Problem der Sprachenvielfalt sollte durch Übersetzungen gelöst werden - die Medien müssen dazu in die Lage versetzt werden."

Außerdem unternimmt Antonio Tabucchi in einem nachgelassenen Essay eine Straßenbahnfahrt durch die Literatur des 20. Jahrhunderts.