Kenntnisreich und lesenswert ist Valerio Gigantes
kritisches Porträt des neuen Papstes
Franziskus I., der mit seiner Kritik der globalisierten Indifferenz weithin auf Begeisterung stößt. In der
Rhetorik erkennt Gigante riesige Unterschiede zu Benedikt XVI., aber er zitiert auch einige Fakten, die die Reformfreudigkeit des Papstes in Zweifel stellen. Zwar hat er sich jüngst vielversprechend über
schwule Priester geäußert, aber seine Position zu Abtreibung, Geburtenkontrolle, Homoehe und ähnlichen Themen in Argentinien lag ganz auf der traditionellen Linie. Irritierend ist für Gigante auch die Besetzung des Gremiums seiner acht "Superberater", die teilweise
sehr konservativ sind. Da ist etwa Kardinal
Marcello Semeraro, der sich weigerte, die italienischen Behörden im Fall des Padre Marco Agostini, eines der
schlimmsten Pädophilen der italienischen Kirche, zu unterstützen. Auf Bitten der Staatsanwaltschaft, ihr Akten der Kirche zu überlassen, "sagte Semeraro 'nein' und berief sich auf Artikel 4, Absatz 4 des Konkordats, wonach Kirchenleute nicht gehalten sind, Richtern oder anderen Amtspersonen des Staates Materialien über die Amtsausübung der Priester weiterzugeben. Er wäre nicht verpflichtet gewesen, es zu tun - aber er hätte es tun dürfen. Er entschied sich dagegen. Zu dem Beratergremium gehört auch der chilenische Kardinal
Francisco Javier Errázuriz Ossa, der im Jahr 2006 den General Pinochet am Totenbett besuchte ('möge Gott ihm verzeihen und das Gute würdigen, das er getan hat') und der der chilenischen Regierung 2010 einen
Straferlass für Pinochets Militärs im Namen des 'christlichen Erbarmens' vorschlug."