Magazinrundschau
Behauptung des Selbst
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
22.08.2017. In den Blättern erklärt Wendy Brown: Der Neoliberalismus zerstört die Demokratie. In Eurozine gibt Mark Lilla auch der modischen Linken Schuld, die keine Bürger mehr kennt, sondern nur noch Identitäten. Im Guardian erzählt der syrische Autor Khaled Khalifa, wie es war, aus Damaskus nicht zu fliehen. Im New York Magazine fragt Ellen Pao, warum sie im Silicon Valley keine Kekse bekommt. Im Film Comment erzählt Steven Soderbergh, warum er jetzt eine App-Serie dreht. HVG bemerkt, dass sich jetzt auch ungarische Kulturchauvinisten auf Multikulti-Festivals tummeln.
Blätter f. dt. u. int. Politik (Deutschland), 21.08.2017
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Guardian (UK), 21.08.2017
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Neoliberalismus ist übrigens kein linker Kampfbegriff, sekundiert Stephen Metcalf im Guardian, sondern eine ökonomische Realität, wie auch der IWF einräumt. Vor allem aber ist er ein Denkschema: "Neoliberalismus ist nicht nur die Bezeichnung für eine Politik, die mehr Markt will, oder für die Kompromisse mit dem Finanzkapitalismus, die schächelnde Sozialdemokraten eingehen. Neoliberalismus bezeichnet die Prämisse, die unmerklich zur Leitlinie all unseres Denkens und Tuns geworden ist: Dass Wettbewerb das einzig legitime Organisationprinzip menschlichen Handelns sei."
Eurozine (Österreich), 21.08.2017
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Im Chronicle of Higher Education schreibt Lilla noch dezidierte über die den Identätskult an den Universitäten: "Einst könnten Gespräche in Seminaren so begonnen haben: 'I denke A, und hier ist mein Argument.' Heute verlaufen sie in der Form: 'Ich spreche als X, und ich finde es verletzend, dass Du B behauptest.' Das macht Sinn, wenn Identität alles definiert. Es heißt aber auch, dass es keinen unparteiischen Raum für Dialog gibt. Weiße Männer haben ihre 'Erkenntnis', schwarze Frauen eine andere. Was bleibt da noch zu sagen? An die Stelle des Arguments ist das Tabu getreten."
Außerdem bringt Eurozine Charles Taylors großen Essay "Wieviel gemeinschaft braucht die Demokratie" auf Englisch. Darin warnte Taylor bereits 1992 vor der Ökonomisierung der Politik: "In einer funktionierenden Demokratie können nicht alle Ziele nur dem Individuum dienen, gemeinsame Ziele ergeben sich nicht nur aus der Schnittmenge der individuellen. Es muss zumindest ein gemeinsames Gut im höheren Sinne geben: Das Politische selbst, seine Sphäre und seine Gesetzmäßigkeiten müssen von allen gewertschätzt werden."
HVG (Ungarn), 20.08.2017
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András Hont sieht in den Festivalbesuchen eigentlich das Eingeständnis der ungarischen Nomenklatura, dass ihr System der nationalen Kooperation (NER) nicht halb so sexy ist wie ein internationales Musikfestival: "Die Köpfe und die Klientel des NER in der VIP Lounge halten genau das für schick und erfolgreich, auf dessen Negierung und Verschmähung sie ihre Macht hierzulande bauen. Globalisierung, Multikulti vermischt mit Freiheitlichkeit, das sich integrierende Europa, der Kult der Toleranz, Marktlogik und dessen rationale Kritik. Die einfache Existenz von Sziget zeigt bereits: Sie können zwar alles kaufen, doch wegnehmen können sie nichts."
Elet es Irodalom (Ungarn), 18.08.2017
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New York Magazine (USA), 20.08.2017
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New York Times (USA), 20.08.2017
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In der New York Times kauft John Herrman den sozialen Plattformen das demokratische Ethos nicht ab: "Sie bedienten sich der Sprache des Rechts, um willkürliche Regeln zu legitimieren und verschafften sich damit, wie es die Tech-Anwältin Kendra Albert nennt, einen 'juristischen Talisman'. Das war vor allem operativ bequem und sogar nützlich: Wie könnte man besser Haftung und Verantwortung von sich weisen für die Art, wie Kunden ein Produkt benutzen?"
Außerdem: Declan Walsh untersucht den Fall des in Kairo gefolterten und getöteten italienischen Studenten Giulio Regeni. Und Amanda Hess überlegt, wohin die öffentliche Diskussion über sprachliche, strukturelle und symbolische Gewalt wohl führt.
New Yorker (USA), 28.08.2017
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Außerdem: Ian Frazier schreibt eine Liebeserklärung an die Autostadt New York. Nick Paumgarten porträtiert die Singer Songwriterin Annie Clark. Und Anthony Lane stellt neue Filme von Steven Soderbergh und Michael Almereyda vor.
Film Comment (USA), 21.08.2017
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Neben ihren gefeierten, eigenständigen Alben legten die Krautrocker von Can auch eine ganze Reihe von Soundtracks vor. Mit einigen davon - und den dazugehörigen Filmen - befasst sich Margaret Barton-Fumo eingehender. Anders als bei den Studioalben, die aus einem kollektiven Schaffungsprozess entstanden, gab es bei diesen Produktionen eindeutigere Arbeitsstrukturen. "Irmin Schmidt handelte als der Vermittler der Band. Gemeinsam mit Schnittmeister Peter Przygodda kommunizierte er mit dem Regisseur, während sie sich gemeinsam die Sequenzen ansahen, die mit Musik unterlegt werden sollten. Dann beschrieb er der Band den Film, die die Musik, wie gewohnt, gemeinsam entstehen ließ. Can komponierte viele Soundtracks auf diese Weise, auf Grundlage der von Schmidt referierten Eindrücke. Daher rührt auch die gelegentliche Dissonanz, die charakteristisch ist, wenn Cans Musik und ein Film aufeinandertreffen. Manchmal passen die unorthodoxen Klänge und bizarren Texte nicht ganz zu den Filmen." Was sich vom Auftakt zu Roland Klicks Neo-Western "Deadlock" so nicht sagen lässt - hier passt kein Blatt Papier zwischen Musik und Montage:
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