Magazinrundschau
Die Magazinrundschau
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
09.08.2005. Im Espresso berichtet Andrzej Stasiuk von einem leicht gruseligen Schriftstellertreffen in Belgrad. Al-Ahram erklärt die politische Stagnation Saudi-Arabiens. Die Weltwoche findet Filme und Bilder vom Irakkrieg auf einer Amateur-Pornoseite. In der Gazeta Wyborcza diagnostiziert Ryszard Kapuscinski die Entthronung Europas. Im Guardian feiert der Schriftsteller Blake Morrison einen aussterbenden Berufsstand: den Lektor. Magyar Narancs stellt uns hunnenstämmige Ungarn vor. In Polityka erinnert Adam Krzeminski an die Potsdamer Konferenz. NZZ Folio erforscht die neuen Kerle. Die New York Times besucht einen jähzornigen V.S. Naipaul.
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Espresso (Italien), 11.08.2005

Der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofaz erläutert Gigi Riva in einem langen Interview, was nach dem Rückbau der israelischen Siedlungen im Gaza-Streifen zu tun ist. "Nach der Auflösung können wir mit 'Phase A' beginnen, die die Zerstörung der terroristischen Infrastruktur und einen ernsthaften Krieg gegen die terroristischen Organisationen vorsieht."
Al Ahram Weekly (Ägypten), 04.08.2005

Weltwoche (Schweiz), 08.08.2005

Gazeta Wyborcza (Polen), 06.08.2005

Eine Debatte zur Lage in Weißrussland liefern sich Miroslaw Czech und Jerzy Chmielewski. In den letzten zwei Wochen wurde eine größere Anzahl der Sprecher der polnischen Minderheit in Weißrussland verhaftet. Lukaschenko wirft ihnen vor, quasi als Stroßtrupp der EU eine orange Revolution anzetteln zu wollen. Dazu meint Czech im Interview: "Warschau darf nicht schweigen, wenn die Rechte der polnischen Minderheit verletzt werden, aber Lukaschenkos Regime kann das propagandistisch nutzen, als westliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Deshalb sollte man alles tun, um das Problem nicht als bilateralen Konflikt, sondern als Verletzung elemanterer Menschenrechte darzustellen. Wir müssen den Weißrussen klar machen, dass es auch um ihre Rechte geht. Dazu sollte man Vertreter der polnischen Minderheit in Weißrussland und der weißrussischen in Polen zusammenbringen - Solidarität der Minderheiten gegen die Diktatur!". Chmielewski, selbst Vertreter der weißrussischen Minderheit in Polen, warnt: "Wir bedauern die Situation, haben aber keinen Einfluss auf sie. Polen sollte vorsichtiger werden in seinen Aussagen, damit die Weißrussen nicht das Gefühl haben, vom westlichen Nachbarn belehrt zu werden. Ich hoffe nur, dass der aktuelle Konflikt nicht zu Teilung und Feindschaft führt - wir müssen uns einfach besser kennenlernen und verstehen."
Economist (UK), 05.08.2005

Wird sich die hindu-nationalistische Bharatiya Janata Partei selbst zerfleischen, fragt der Economist. Die nur noch zweitstärkste Kraft im Parlament steht vor der Entscheidung, moderater oder radikaler zu werden. "Einige machen die blutigen Anti-Muslim-Progrome 2002 in Gujarat, einem von der BJP regierten Staat, für die Verluste bei den Wahlen im vergangenen Jahr verantwortlich. Andere Parteimitglieder und die Führer der 'Nationalen Vereinigung der Freiwilligen' RSS behaupten das genaue Gegenteil: das Problem war, dass die regierende BJP nicht Hindu genug war."
Außerdem wird berichtet, dass die fünfte Internationale Sommerakademie zur Humorforschung ausgerechnet in Deutschland stattgefunden hat, was an sich schon ein Witz sei, dass der Voting Rights Act, vor vierzig Jahren gegen die Benachteiligung von ethnischen Minderheiten eingeführt, immer problematischer wird, dass die Supermarktkette Tesco den Geschmack der Briten beeinflusst, dass die Polen immer unpolitischer werden, und dass die Gelder aus dem Ölboom in den Golfstaaten nicht immer weise eingesetzt werden.
Guardian (UK), 06.08.2005

Magyar Narancs (Ungarn), 04.08.2005

Nur im Print: Die Titelgeschichte über Nick Cave. Er und seine Band treten am 15. August in Budapest während des Sziget-Festivals auf. Es ist das größte Open-Air-Festival Europas.
Polityka (Polen), 03.08.2005

"Die Alternative zu einem liberalen Imperium unter der Führung einer Supermacht, wäre nicht eine utopische Multipolarität oder ein neues UNO-ähnliches System, sondern eine albtraumhafte Anarchie wie im Mittelalter. Das sind die Lehren von 1000 Jahren Geschichte" konstatiert im Interview der Historiker und Politologe Niall Ferguson. Statt sich aus ihrer Rolle als Supermacht rauszureden, sollten die USA selbstbewusster für mehr Ordnung in der Welt sorgen, sonst werde die Menschheit in unvorstellbarem Chaos versinken. Ferguson, für den schon das britische Empire des 19. Jahrhunderts ein Glücksfall für die meisten Völker der Welt war, macht sich nur etwas Sorgen über den wachsenden Schuldenberg der USA. Da die Anleihen aber meistens von den ärmeren asiatischen Staaten, quasi als Imperialsteuer, gekauft werden, scheint sich auch hier eine perfekte Balance aufgetan zu haben.
Folio (Schweiz), 02.08.2005

Wann ist ein Mann ein Mann, hat Folio verschiedene Schweizer Prominente gefragt. Die schönste Antwort kommt von Zirkusclown Dimitri. "Eine schöne Frau zum Lachen zu bringen, ist natürlich das Größte. Und da ich einzelne Personen nicht erkennen kann, wenn ich auf der Bühne stehe, ist das Publikum für mich eine einzige große schöne Frau."
Ernsthafter geht es in den übrigen Artikeln zu. Peter Laudenbach studiert, wie der Schönheitskult nun auf die zweite Hälfte der Menschheit übergreift. Anja Jardine erfährt von Männerforscher Walter Hollstein, wie Gene und Erziehung den Mann machen. Liliane Lerch macht ihrem Mann eine Liebeserklärung. Lilli Binzegger spricht mit einer der drei Urologinnen der Schweiz. Reto U. Schneider drängt darauf, den kleinen Unterschied endlich anzunehmen. Dazu ein paar physische Fakten. Und Martin Senti berichtet, dass geschiedene Väter vermehrt um ihre Kinder kämpfen.
In seiner Duftnote fordert Luca Turin die Erhaltung großer Parfüms für die Ewigkeit. Die derzeitigen Duft-Museen verdienten ihren Namen nicht. "Die meisten von ihnen (in Paris gibt es eines, in Grasse mehrere) bestehen aus Ansammlungen von Fläschchen und enden in einem Laden. Dort fallen die frustrierten Besucher, die eine halbe Stunde lang nichts riechen durften, über ein Arsenal vielfarbiger Seifen her, mit denen sie zu Hause die Verwandten und andere ungeliebte Personen beschenken. Im größten Museum von Grasse konnte man früher durch eine Glaswand einem Parfumeur bei der Arbeit zusehen, als sei er ein Pandabär im Zoo. Und genau wie ein Panda verkroch sich der arme Kerl die meiste Zeit im Hinterzimmer."
Magyar Hirlap (Ungarn), 02.08.2005
"Entweder fühlen sich die rumänischen und bulgarischen Politiker zu sicher im Sattel oder sie pfeifen auf die Meinung Brüssels. Anders lässt sich nicht erklären, dass - knapp anderthalb Monate nach der Warnung der EU-Kommission, Bulgarien und Rumänien seien mit der Erfüllung der Beitrittsbedingungen im Rückstand - die Bulgaren eine peinliche Burleske inszenieren, statt endlich eine Regierung zu bilden, während in Rumänien der seit einem halben Jahr amtierende Regierungschef heute erklärt, dass er geht, dann morgen wieder, dass er bleibt", kommentiert die Politikwissenschaftlerin Nora Rockenbauer. "Bukarest und Sofia tun Brüssel ungewollt einen Gefallen, wenn sie durch spektakuläre politische Skandale zeigen, dass sie noch nicht auf den EU-Beitritt vorbereitet sind. Die EU sucht schon seit längerem nach Möglichkeiten, den Beitritt der beiden Länder zu verschieben, ohne dafür selbst die Verantwortung tragen zu müssen."
Nueva Sociedad (Argentinien), 01.06.2005

Dietmar Dirmoser, der Herausgeber der Zeitschrift, sieht dagegen viele Länder in Gefahr, sich in "Demokratien ohne Demokraten" zu verwandeln: "Vielerorts ist der Ruf nach autokratischen Haurucklösungen zu vernehmen. Die hochgelobte 'Belastbarkeit und Krisenresistenz' der lateinamerikanischen Demokratien hat nicht sehr lange vorgehalten: Die Demokratie in Lateinamerika ist angeschlagen, ihre zentralen Institutionen sind ausgehöhlt und taugen oft nur noch als Fassade." (Dirmosers Beitrag hier auch auf deutsch nachzulesen.)
New York Times (USA), 06.08.2005

In einem ausgesonderten Kommentar unterlegt Donadio Naipauls These vom Niedergang der literarischen Fiktion mit Beispielen aus der Magazinwelt. Atlantic Monthly etwa hat die seit Jahrzehnten etablierten Kurzgeschichten kürzlich aus dem Heft verbannt. "In den vergangenen Jahren haben wir bemerkt", sagt der scheidende Chefredakteur Cullen Murphy, "dass eine bestimmte Art des Berichtens - die lange und erzählende Reportage - enorm wertvoll geworden ist, um einer komplizierten und zersplitterten Welt Sinn zu verleihen."
Aus den Besprechungen: Beeindruckt zeigt sich Gail Levin von Donna M. Cassidys "mutiger" Biografie des Malers Marsden Hartley (Bilder), in der sie die Faszination Hartleys für die Ästhetik wie die Inhalte des Nationalsozialismus schildert. Immerhin ein Dutzend der 49 Kurzgeschichten von Robert Stern aus 50 Jahren, die jetzt alle im Band "Almonds to Zhoof" (erstes Kapitel) versammelt sind, hält Eric Weinberger für erinnerungswürdig: "Das ist keine geringe Leistung." Tony Hendra dagegen mundet Elin McCoys allzu gläubige und unkritische Biografie des amerikanischen Weinkritker-Papstes Robert Parker, "The Emperor of Wine" (erstes Kapitel), überthaupt nicht.

Weiteres: Die kalifornische Firma Enologix hat eine Formel gefunden, mit der Winzer ihren Wein nach dem Geschmack einflussreicher Kritiker wie Robert Parker trimmen können, berichtet David Darlington. Im Titel diskutiert Robin Marantz Henig die Zukunft der Sterbehilfe. A.O. Scott kommentiert das Verschwimmen der Grenzen von Werbung und Unterhaltung, unter anderem sichtbar in den Charterfolgen kommerzieller Handy-Klingeltöne. In ihrer Freakonomics-Kolumne erklären Stephen J. Dubner and Steven D. Levitt die Entwicklung des Crack-Markts.
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