9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.08.2023 - Internet

Sämtliche Digitaltechnik, "ob nun für die einfache Elektronik in unseren Waschmaschinen bis hin zu KI-Cloud-Systemen", hängt von Chips ab, die in hoch spezialisierten Prozessen hergestellt werden -  hauptsächlich in China und Taiwan, schreibt die Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann in der SZ. Auch die für die Produktion benötigten "ebenso spezialisierten, oft nicht ersetzbaren Rohstoffe" kommen aus China oder aus Russland, fährt sie fort und mahnt, Europa müsse sich dringend unabhängig von China und Russland machen, denn: Eskaliert die geopolitische Lage weiterhin, hätte das massive Auswirkungen: "Im Falle eines Krieges um Taiwan würden viele Branchen womöglich erst einmal stillstehen, die von den dort produzierten Chips abhängen. Auch eine Nichtverfügbarkeit bestimmter Rohstoffe, zum Beispiel aufgrund einer harten geopolitischen Trennung zwischen den G-7-Staaten einerseits und den China/Russland-Unterstützern andererseits, könnte für ein bis zwei Jahrzehnte zu einer harten Bremse der globalen Chip-Produktion führen und damit zu Liefer- und Reparaturengpässen in fast allen Produktbereichen, wo Digitaltechnik oder auch nur einfache Elektronik zum Einsatz kommt."

Sehr ausführlich denkt der Medienrechtler und Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik des Medienverbands der Freien Presse (MVFP) Christoph Fiedler in der FAZ darüber nach, welche Gesetze die EU für den Umgang mit durch KI entstandenen Medienerzeugnissen auf den Weg bringen sollte. So sollte etwa die "zweifelsfreie Erkennbarkeit synthetischer Publikationen" angeordnet werden, inhaltliche Vorgaben dürften indes zwar nicht gemacht werden, aber: "Andererseits darf das Recht KI-Veröffentlichungen um keinen Deut großzügiger behandeln als menschliche Veröffentlichungen. Es wäre fatal, wenn Redaktionen und Verlage für eine Verdachtsberichterstattung wegen unzureichender Belegtatsachen haften, gleichzeitig aber für dieselbe KI-Berichterstattung weniger strenge Anforderungen gälten, etwa unter Hinweis auf die Ordnungsgemäßheit des KI-Systems. (…) Eine reduzierte Haftung von KI-Äußerungen erscheint schon deshalb inakzeptabel, weil dann der Mensch als Träger des Grundrechts der Meinungsfreiheit weniger Redefreiheit hätte als der Roboter. Die Maschine hat keine Rechte und sollte auch keine erhalten."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 15.08.2023 - Internet

Google plant eine sogenannte "Web Environment Integrity", eine Schnittstelle, mit der Betreiber von Webseiten überprüfen könnten, mit welchem Webbrowser die Seite angesteuert wird, berichtet Jana Ballweber in der FR: Netzaktivisten und Fachleute warnen vor einem "Generalangriff auf das freie Internet": "Bei der Nutzung von Browsern fallen Unmengen an Daten an. Von welchem Gerät wird gesurft? Wo ist der Rechner mit dem Internet verbunden? Welche Webseiten werden angesteuert und was wird dort unternommen? Einige dieser Daten sind unabdingbar, wenn der Zugang zum Netz funktionieren soll. Doch Konzerne wie Google oder Microsoft haben ein wirtschaftliches Interesse an viel mehr Daten - darunter auch solche, die nicht unbedingt für das Funktionieren des Browsers nötig sind. Mit diesen Daten können sie Menschen eindeutig identifizieren, Werbeanzeigen zielgerichteter und damit teurer ans Zielpublikum ausspielen, sie können die Daten weiterverkaufen oder im eigenen Haus ihre KI-Anwendungen trainieren.  Für viele Menschen gibt es gute Gründe, das nicht zu wollen. Wer in einer Autokratie lebt, surft vielleicht gerne unerkannt auf ausländischen Nachrichtenseiten oder Foren der Opposition. Wer in einer Demokratie allzu sehr auf die Nerven geht, Klimaaktivist:innen, Journalist:innen, die geheime Dokumente veröffentlichen, Whistleblower, Asylsuchende, hat vielleicht auch ein anderes Bedürfnis nach Privatsphäre."
Stichwörter: Google

9punkt - Die Debattenrundschau vom 08.08.2023 - Internet

Die Wissenschaftsjournalistin Manuela Lenzen hat mit "Der elektronische Spiegel" gerade erst ein Buch veröffentlicht, in dem sie sich ganz nüchtern mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzt. Im FR-Gespräch mit Lisa Berins erläutert sie unter anderem, wie versucht wird, KI Moral zu lehren: "Mittlerweile füttert man die Systeme mit Texten oder etwa menschlichen Diskussionen zu verschiedenen Themen. Aus menschlich generierten Geschichten sollen sie lernen, was moralisch ist und was nicht. Einige Fortschritte konnten schon erzielt werden, die Systeme können jetzt zum Beispiel durchaus unterscheiden, dass man Zeit totschlagen darf, Menschen aber nicht." Aber: "Wenn in den Trainingsdaten Einseitigkeiten oder Fehler sind, werden diese übernommen. Und es ist tatsächlich so, dass viele Datensätze nicht sehr divers sind - gute, vielseitige und aktuelle Datensätze zu generieren, ist für die Unternehmen arbeitsintensiv und teuer. Die Systeme verstehen auch nicht, dass wir die zukünftige Welt anders haben möchten als die vergangene. Sie stricken die Strukturen der Vergangenheit in die Zukunft weiter. Ein Problem mit den großen Sprachmodellen ist zudem, dass ihre Antworten zwar plausibel klingen, aber nicht unbedingt wahr sind."

"Das neue Google könnte das offene Netz töten und das alte Google gleich mit", glaubt Titus Blome in der SZ. Denn Google plant, seinen KI-Assistenten "Bard" in seine Suche zu integrieren: "Künftig solle eine Suchanfrage nicht mehr nur zu einer langen Liste blauer Website-Links führen. Stattdessen wird der Chatbot Bard die Ergebnisse lesen und dann freundlich und präzise zusammenfassen. Google will von einer Suchmaschine zu einer Antwortmaschine werden. (…) Die Klicks für die Webseiten sind plötzlich gefährdet. Die KI-Wende bei Google zwingt das Internet zur Umstellung. Treibt die Google-Antwort nicht mehr im gleichen Maße wie die Google-Suche die Klicks auf die Webseiten, bedeutet das für viele von ihnen das Aus. Betreiber müssten auf Abonnements und Paywalls umsteigen, um sich von Werbung zu lösen und ihre Inhalte vor der KI abzuschirmen. Die, die das nicht können, gehen unter. (…) Der Wert der alten Suchmaschinen liegt darin, wie viel sie einbeziehen. Der Wert der neuen Suchmaschinen wird darin liegen, was sie ausschließen. Sie werden spezialisierter sein und sich nur auf spezifische Teile des Webs konzentrieren. Das Internet der Zukunft wird vermutlich demselben Prinzip folgen. Denkbar wäre, dass es sich in einen chaotischen und einen kuratierten Teil spaltet."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.08.2023 - Internet

Der Informatiker Jürgen Schmidhuber forscht bereits seit 1985 an KI, er gilt als "Vater der modernen KI". Im SZ-Gespräch prognostiziert er, dass Künstliche Intelligenzen irgendwann zum Merkur auswandern werden, außerdem erklärt er, weshalb Deutschland, einst Pionier, irgendwann den Anschluss in der KI-Forschung verloren hat: "Um 1990 herum lief es wieder gut für die großen Verlierer des Zweiten Weltkriegs. Westdeutschland war damals pro Kopf reicher als die USA. Etliche der berühmtesten Firmen waren damals noch deutsch, allerdings stammten fast alle der wertvollsten Firmen der Welt aus Japan, das einst mehr Roboter hatte als der komplette Rest des Planeten, und auch wichtige KI-Forscher. Dann begann der Abstieg. In Tokio kollabierte der Aktienmarkt, der vorher größer war als der von New York. Die Sowjetunion zerfiel, und Deutschland hatte auf einmal ganz andere Sorgen, weil es die beiden Teile zusammenbringen musste. Seither läuft es nicht mehr so. Parallel zum wirtschaftlichen Wiederaufstieg Chinas erlebten die USA in den Neunzigern ihre eigene Renaissance mit dem Silicon Valley."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 31.07.2023 - Internet

In der NZZ warnt Adrian Lobe mal wieder vor KI und Metaversum. Dass Silicon Valley das auch tut, bringt ihn aber kurz aus dem Konzept: "Geht es den Tech-Vordenkern etwa doch um politische Macht? Lassen sich in Krisenzeiten Technologien mit dystopischem Sound besser verkaufen?", fragt er. Darauf hat die Informatikerin Katharina Zweig im Interview mit Zeit online eine knappe Antwort: "Der Begriff künstliche Intelligenz war schon vor 50 Jahren ein Werbemittel, um Forschungsgeld zu bekommen."
Stichwörter: Künstliche Intelligenz

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.07.2023 - Internet

Twitter heißt jetzt X - und nun träumt Elon Musk offenbar von einem zweiten Wechat, jener chinesischen App, die Chinas Whatsapp, Facebook, Uber, Lieferando und Paypal vereint, und über die man Arzttermine ebenso buchen wie Schnellkredite oder Scheidungspapiere beantragen kann, schreibt Kai Strittmatter, einst Korrespondent in Peking, der in der SZ nicht nur von der gigantischen Überwachungsmaschinerie und Zensur durch die KP, sondern auch der Abhängigkeit der Chinesen von Wechat berichtet: "Um die Macht zu ermessen, die Wechat über das Leben der chinesischen Bürger hat, kann man sich auf der Konkurrenz-Plattform Weibo einmal den Kanal 'Tencent-Kundendienst' anschauen. Dort versammeln sich Nutzer, deren Wechat-Konten aufgrund eines unvorsichtigen Posts gesperrt wurden: Ausgestoßene, die hier flehen und sich in größter Verzweiflung in den Staub werfen, in der Hoffnung, ein gnädiger Techno-Gott möge ihnen ihr Konto und damit ihr Leben zurückgeben: 'Ich flehe Sie an' - 'Ich bereue mein Fehlverhalten zutiefst' - 'Wollen Sie, dass ich mich vom Dach stürze?' - 'Ich fühle mich ängstlich und hilflos' - 'Ich werde die Partei und das Land nie im Stich lassen!' Denkbar, dass auch Elon Musk solch devoten Reaktionen auf seine teils erratischen Winkelzüge den Vorzug geben würde vor der scharfen Kritik, die er sonst einstecken muss." Der feuchte Traum jedes autoritären Staates - oder eines "Tech-Kapitalisten, der darauf aus ist, unser Leben zu kolonialisieren".
Stichwörter: Twitter, Musk, Elon, China, Wechat, Techno, Kp

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.07.2023 - Internet

Wenn eine europäische Funktionärin wie Francesca Bria, die Ursula von der Leyen in der Digitalpolitik berät und in der FAZ von Niklas Maak befragt wird, ein europäisches Twitter fordert, kann man sicher sein, dass es nicht kommen wird: Oder wie genau ist es mit der vor Jahren geforderten europäischen Suchmaschine oder einem europäischen "Google Books" ausgegangen? Bria bleibt dennoch zuversichtlich. Schließlich sei "Europa stark im Bereich der Regulierung zum Schutz der demokratischen Rechte und der Privatsphäre der Bürger; da sind wir weltweit eine Referenz." Und auch bei Euro-Twitter bleibt sie optimistisch: "Der Wechsel so vieler Nutzer von Twitter zu Threads hat gezeigt, dass die Marktdominanz von sozialen Medien wie Twitter kein Naturgesetz ist, sondern dass auch hier Veränderung möglich ist. Der Aufbau eines 'Euro-Twitter' sollte die Aufgabe der europäischen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten sein."
Stichwörter: Twitter, Soziale Medien

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.07.2023 - Internet

Die Fortschritte der Künstlichen Intelligenz und die Möglichkeit, immer täuschenderer Nachahmung von Personen - also etwa von Schauspielern - werfen neue rechtliche Fragen auf, schreibt der Rechtsprofessor Jannis Lennartz in der FAZ. Während es klar sei, dass es strafbar ist, etwa Politikern Äußerungen in den Mund zu schieben, die sie nicht getan haben, sei die Lage bei fiktiven Werken komplizierter: "Ähnlich dem Urheberrecht geht es darum, dass etwas - beim Urheberrecht ein Werk, beim Persönlichkeitsrecht ein natürliches Merkmal - durch Dritte auf eine Art und Weise verwendet wird, der die Person, der es zugeordnet ist, nicht zugestimmt hat. Während das Urheberrecht unerlaubte Verwendungen von Werken begrenzt, ist der rechtliche Rahmen für die Verwendung natürlicher Merkmale unsicher. Es ist unklar, ob ich an digitalen Repräsentationen meines Leibes die gleichen Rechte haben sollte wie an solchen meines Geistes."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 10.07.2023 - Internet

Im Welt-Interview mit Jakob Schirrmacher spricht der amerikanische Informatiker Jaron Lanier über Virtual Reality und die Vorzüge und Gefahren von KI. Die Angst vor einer bewussten KI, die den Menschen kontrolliert, findet er paranoid. Regulierungen in diesem Bereich hält er aber trotzdem für wichtig und plädiert für einen neuen Ansatz: "Einen, bei dem wir die Quellen und Einzelpersonen im Auge behalten, die Texte, Bilder oder andere Dinge bereitgestellt haben, die letztendlich einen Einfluss auf eine bestimmte Ausgabe eines KI-Programms hatten. Denn das ist etwas Konkretes. Ich glaube, dass Personen, die Daten hinzufügen, die zu beliebten Ergebnissen führen, in Zukunft anerkannt und sogar bezahlt werden könnten. Und ich denke, dass die Rückverfolgung derjenigen, die zu einem bestimmten Ergebnis beigetragen haben, ein Weg sein könnte, um letztendlich die Qualität zu kontrollieren, sowie auch wirtschaftlichen Schaden für die Gesellschaft zu vermeiden."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 06.07.2023 - Internet

"KI weiß viel, ist aber nicht bewusst", erklärt im Tagesspiegel-Gespräch der Neurowissenschaftler Anil Seth, dessen Buch "Being You. A New Science of Consciousness" vom Economist als Buch des Jahres ausgezeichnet wurde. Dennoch hält es nicht für ausgeschlossen, dass KI irgendwann Bewusstsein entwickelt: "Ich glaube erst mal nicht, dass es bewusste KI geben kann, weil sie dafür lebendig sein müsste. Aber ich könnte auch falschliegen. KI kann jedoch, und das tut sie schon, bewusst wirken. Der deutsche Philosoph Thomas Metzinger warnt auch vor einer ethischen Katastrophe: Wir könnten eine potenzielle neue Form des Leidens erschaffen, die gesellschaftsschädigend sein könnte. (…) Ich merke das an mir: Wenn ich mit ChatGPT schreibe, dann sage ich nicht 'bitte' und 'danke', ich bin sogar herrisch. So was hat einen brutalisierenden Effekt auf unsere Psyche. Die Alternative ist, dass wir nett sind, Rücksicht nehmen und der KI sogar Rechte einräumen. Wenn ich den Anschein habe, dass ein System Bewusstsein hat, verhalte ich mich anders. Das wäre schon ein seltsames Terrain, wenn wir Chatbots Rechte einräumen würden, nicht aber einem Fisch, der viel wahrscheinlicher Schmerz empfindet. So werden unsere ethischen und moralischen Bedenken verzerrt."
Stichwörter: ChatGPT