Magazinrundschau - Archiv

The New Republic

166 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 17

Magazinrundschau vom 01.08.2017 - New Republic



Josephine Livingstone ist hin und weg von Charlize Therons eiskalter superblonder britischer Agentin Lorraine Broughton und dem Achtziger-Jahre-Styling von David Leitchs in Berlin spielendem Spionagethriller "Atomic Blonde": "Eines Abends besucht Broughton eine mondäne Cocktailbar, um die Raubtiere des KGB zu beobachten. Hier begegnet sie Delphine (Sofia Boutella), einer rehäugigen französischen Agentin, die Broughtons Geliebte spielt. Lorraine Broughton kommt durch die Eingangstür, lässt ihren Mantel in die Hand des Türstehers fallen und kreuzt durch den Raum wie ein ausgehungerter Hai. Ihr Outfit und Haar - hier viel abgemilderter als in anderen Szenen - ist fast identisch mit Michelle Pfeiffers schwarzem Pailletten-Look in 'Scarface', in der Szene, in der sie beim Abendessen ausflippt. Wie Pfeiffers Elvira Hanckock benutzt Broughton ihre Ponyfransen als Schild und ihren strengen Mund als Rasierklinge. Es ist ein perfektes Stück Kostümreferenz, die durch Broughtons allgegenwärtige Zigarette vervollständigt wird."

Außerdem unterhält sich Livingston mit dem pulitzerpreisgekrönten Autor Viet Thanh Nguyen über den Vietnamkrieg. Und Rachel Syme schreibt über die neue HBO-Serie der Duplass-Brüder, die ausschließlich im titelgebenden "Room 104" spielt.

Magazinrundschau vom 04.07.2017 - New Republic

Im New Republic denkt David Sessions über "The Ideas Industry" nach, ein Buch des Politologieprofessors und Bloggers Daniel W. Drezner. Der beschreibt darin, wie der freie Intellektuelle abgelöst wurde vom "Meinungsführer", der sich und sein Schreiben in eine Marke verwandelt (Drezner nennt Sheryl Sandberg, Fareed Zakaria, Niall Ferguson und Thomas Friedman als Beispiele) und für viel Geld die Vorstellungen der "Superreichen" promotet - "dass sie ihr Vermögen verdient haben, dass sozialer Schutz weiter abgebaut werden muss, um uns für 'die Zukunft' flexibel zu halten und dass lokale Bindungen und alternative Lebensformen von einem erstrebenswerten Konsumerismus ersetzt werden sollten". Zum Glück, so Sessions, sind seitdem viele kleine linke Publikationen entstanden (er zählt den New Republic dazu), die diesem "Schmus der Meinungsführer" etwas entgegensetzen, die "den rhetorischen Nebel der liberalen Mitte angreifen und Wähler aus der Arbeiterklasse gegen Anklagen verteidigen, sie seien unheilbar rassistisch und geistlos populistisch".

Magazinrundschau vom 20.06.2017 - New Republic


Alfred Stieglitz: Georgia O'Keefe, 1918, Victoria & Albert Museum

Rachel Syme wandert durch die große "Georgia O'Keeffe: Living Modern"-Ausstellung im Brooklyn Museum, die ebenso um Selbstdarstellung der Künstlerin kreist wie um ihre Kunst. Ihre Kleider sind ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung - das pinkfarbene Kopftuch und ihr Stetson, die große Calder-Brosche mit dem O und K, die cremefarbenen Seidentuniken, die Designeranzüge von Knize und Balenciaga, die Button-down-Hemden und Blue Jeans, die Ferragamo-Ballerinas und ihre Kimonos. Man kann sich einen solchen Schwerpunkt kaum bei zum Beispiel Marcel Duchamp vorstellen, seufzt Syme, aber sei's drum, in O'Keefes Fall ist ihr spielerisches Selbstimage tatsächlich interessant: "Wenn 'Living Modern' eine Hauptthese hat dann die, dass Georgia es liebte, fotografiert zu werden. Die Bilder sind so genau komponiert, so architektonisch, so voll von dem Blick, den sie zurückwirft, dass man kaum ihre Willenskraft ignorieren kann, durch jedes Einzelbild zu führen. Obwohl [ihr zeitweiser Ehemann und Fotograf] Alfred Stieglitz mehrere Nacktaufnahmen der jungen Künstlerin machte, legt der aggressive Blick in die Kamera auf diesen Bildern nahe, dass sie weniger Objekt seiner Arbeit und mehr ein Mitverschwörer. Sie wusste, wie sie gesehen werden wollte und formte ihren eigenen Ruhm. Ein Jahrzehnt, nachdem sie von Texas nach New York City gezogen war, war sie die bestbezahlte Künstlerin der Stadt. Aber ihre Selbstpräsentation - die Hohepriesterin der Wüste in Crepekleidern und schmutzigen Arbeitsstiefeln - machte sie zur Ikone. Sie war ein kleines Bündel von einer Frau, die Bilder malte, die oft größer waren als sie selbst, die hypersaturierte Türkise und Fuchsien aus der dunklen Erde zog. Sie brachte das Kühne und das Delikate und das Aufblühende auf eine Art zusammen wie niemand vor ihr, und plötzlich war die Welt eine andere." (Viele Bilder aus der Ausstellung findet man bei Design Life Network)

Magazinrundschau vom 07.02.2017 - New Republic

Außer seiner eigenen Klientel ist eigentlich niemand glücklicher über Donald Trumps Wahlsieg als die prononcierte Linke. Der Jurist Jedediah Purdy ist sogar so happy, dass er in der New Republic gleich mit zwei Artikeln aufwartet. Im einen durchsucht er die für ihn abgewirtschafteten Ideen der Liberalen und Konservativen auf brauchbare Reste. Und im anderen freut er sich dann so richtig: "Genau in dem Moment, da Establishment-Politik untergraben wurde - die Republikaner von Trump gekidnappt, die Demokraten bestürzt über Clintons Niederlage - ist die amerikanische Linke wiedergeboren worden." Zwar ist es laut Purdy überhaupt "nicht plausibel anzunehmen, dass die Linke vor einem größeren Sieg steht" - aber immerhin könne ihre "intellektuelle Klarheit nun Grassroot-Aktivisten anleiten und ihre Arbeit koordinieren". So hat Trumps Wahlsieg doch sein Gutes!

Auch die großen amerikanischen Gewerkschaften - Umwelt be damned - lieben Trump, berichtet der Historiker Erik Loomis voller Entsetzen, obwohl darin, wie er weiß, eine gewisse Kontinuität liegt: "Die Bauarbeitergewerkschaften haben sich schon vor langer Zeit mit rassistischen und ausschließenden Kräften verbunden. Der erste große Sieg der Gewerkschaft vor einem Gericht der Vereinigten Staaten war der Chinese Exclusion Act von 1882, der in der Wut kalifornischer Arbeiter über die chinesische Konkurrenz wurzelte. Die Gewerkschaften unterstützten durchweg Einwanderungsbeschränkungen auch nach dem Immigration Act von 1965, der die amerikanischen Grenzen für die Müden und Armen der Welt wieder öffnete. Der Gewerkschaftsbund der Industriearbeiter, den der Präsident der Vereinigten Minenarbeiter von Amerika, John L. Lewis, 1935 gründete, um die Millionen Arbeiter im industriellen Sektor der Nation zu organisieren, war notwendig, weil die Einzelgewerkschaften nicht nur Frauen, asiatischen Amerikanern, Afroamerikanern und ungelernten Arbeitern die Mitgliedschaft verweigerten, sondern weil sie sich auch jedem Versuch anderer Gewerkschaften widersetzten, diese Menschen zu organisieren."

Magazinrundschau vom 20.12.2016 - New Republic

In einem etwas allzu ausufernden Gespräch von fünf ProfessorInnen und AutorInnen über Obamas Erbe und die Frage, ob es durch Trump zerstört wird, sagt der arrogante Knopf Andrew Sullivan einige grässliche Dinge über Hillary Clinton, aber auch etwas Richtiges über amerikanische Debatten zu "Race" und "Identitätspolitik": "Die von 'Rasse' besessenen Leute auf der Rechten wie der Linken begreifen eines nicht. Obama repräsentierte beide - schwarz und weiß. Er war es, der die Herausforderung annehmen wollte, eine nationale Identität zu finden, die nicht rassisch ist - und das ist der einzige Weg, wie wir als ein gemeinsames Land überleben können. Dafür hat er so hart gearbeitet. Aber er wurde von den 'rassisch' denkenden Linken wie Rechten in die Zange genommen."

Magazinrundschau vom 22.11.2016 - New Republic

Kaum zu glauben, aber hier ist noch ein lesenswerter Artikel zu Trumps Wahlsieg. Kevin Baker, bekennender Sanders-Wähler,  beginnt polemisch, aber endet analytisch. Trumps Sieg sieht er unter anderem als eine krachende Niederlage all der Politikexperten, Demoskopen, Mediengurus und Spin-Doktoren, die einst in dem Dokumentafilm "The War Room" so gefeiert wurden und auf die sich Hillary Clinton zu sehr verließ. Die Politikberater waren übrigens an den Geldern für die Fernsehwerbung der Kandidaten beteiligt und machten sie so noch mehr von reichen Spendern abhängig.  Durch dieses System "erschienen Politiker mehr und mehr unecht. Alle trugen sie dieselben zertifizierten dunklen Anzüge und Power-Krawatten. Alle buchstabierten sie die selben vorgefertigten Parteidiskurse, als wären sie Apparatschiks in einem totalitären System. Kein Wunder, dass ein Bernie Sanders oder Donald Trump ganz neu, ja aufregend erscheinen konnten mit ihrer seltsamen Haartracht und orangefarbenen Haut. Aus der Maschinerie ausbrechen - mit der Botschaft, der persönlichen Erscheinung, der Fundraising-Methode - heißt, ein freier Mensch zu sein in einer Welt künstlicher und und eingezäunter Figuren." Einen Trost gibt es: Bob Moser sieht die demografische Basis für Trump ebenfalls in der TNR schwinden.

In einem zweiten Artikel erzählt Stephanie Russell-Kraft wie in den USA immer mehr Krankenhäuser durch Fusionen und Übernahmen in die Hände katholischer Betreiber fallen - und ihre für Regeln Abtreibungs- und Reproduktionsmedizin verschärfen.  "In fünf Staaten - Alaska, Iowa, South Dakota, Washington und Wisconsin - fallen vierzig Prozent der Krankenhausbetten unter die katholische Doktrin. Als die dominanten Akteure in der Branche können katholische Krankenhäuse säkulare Einrichtungen bei Übernahmen oft zwingen, religiöse Einschränkungen zu befolgen."

Magazinrundschau vom 01.11.2016 - New Republic

Überall werden Bilanzen von Obamas Präsidentschaft gezogen. In der New Republic wirft Anakwa Dwamena einen Blick auf Obamas Afrika-Politik, die er insgesamt eher enttäuschend findet. "Nach acht Jahren stellt sich ein starkes Gefühl ein, dass Obamas Erbe in Afrika nicht auf seiner Höhe ist. Nicht nur, dass seine Regierung kein einziges Programm auflegen konnte, dass George W. Bushs PEPFAR-Programm gegen Aids vergleichbar wäre. Er hat sogar noch die Subventionen für dieses Programm gekürzt, so dass Kritiker ihm vorwerfen, den Kampf gegen Aids um Jahre zurückgeworfen zu haben. Und 'Power Africa', Obamas Initiative, den Kontinent mit mehr als 30.000 Megawatt Energie in Licht zu tauchenm, hat es bisher nur auf 4.000 Megawatt gebracht."

Magazinrundschau vom 06.09.2016 - New Republic

Der Romancier Paul La Farge (natürlich nicht zu verwechseln mit Paul Lafargue, dem Marx-Schwiegersohn, der kubanische Wurzeln hatte) liest einige Science-Fiction-Romane aus Kuba, etwa die gerade ins Englische übersetzten Werke des regimetreuen Autors Agustín de Rojas, in denen wie bei "Star Wars" eine gute Föderation gegen ein böses Empire kämpft. In "A Legend of the Future" geht es um ein wieder flott zu machendes Raumschiff, das von einem Meteoriten getroffen wurde. Und im Lauf der Legende "bekommt man ein Gespür dafür, dass Rojas Kuba meint, wenn er über das Raumschiff spricht. Das ganze große kommunistische Experiment hängt von diesem bootsförmigen Eiland ab, das mitten in seiner Mission, trotz der Schäden an seiner Hülle, dem Versagen seines Funk-Tramsmitters und der beunruhigenden Möglichkeit einer Subversion seine Mission vollenden muss. Die einzige Hoffnung, suggeriert Rojas, liegt darin, an die Freuden des Lebens unter Genossen zu erinnern und den eigenen Inneraum mit den Bildern der Leute zu füllen, die du liebst, so dass du dich nicht länger alleine fühlen musst."

Werner Herzog hat einen schönen Essayfilm über das Internet gemacht, "Lo and Behold: Reveries of the Connected World". Sven Birkerts versichert, dass sich Herzog viel Zeit nimmt, um auch die steilsten Visionen über einen künftig mit dem Internet identischen, telepathisch twitternden Schwarmgeist der Menschheit auszumalen. Und doch "gehört Herzogs Herz klar den Dingen, wie wir sie kannten. Leuten mit Namen und Biografien, Objekten, auf die man klopft und die ein Geräusch machen, unendlichen Räumen voller natürlichem Licht. Auch der Langsamkeit, dem Reibungswiderstand der Wirklichkeit. Sein Film endet mit einem Rückblick auf einen älteren  Spielort, die ländliche Isolation von Green Bank, West Virginia, wo wir nochmal den Astronomen Jay Lockman sehen, der auch Banjo spielt. Eine struppige Gruppe stimmt in den alten Standard 'Old Salty Dog' ein. Die Leute drumherum klatschen Beifall - eine wahre Gemeinschaft."

Magazinrundschau vom 17.05.2016 - New Republic

Warum wird Narendra Modi im Westen - und vor allem in den Vereinigten Staaten - so positiv gesehen, fragt sich Siddhartha Deb in einem großen Porträt des indischen Premierministers, dessen hindu-nationalistischer Kurs sich prächtig verträgt mit linken Identitätsdiskursen, kapitalistischer Wirtschaftspolitik und neuesten westlichen Propagandamethoden (Spindoktoren aus UK, Datenanalysten und Werbeprofis aus den USA etc.). Dieser Mischung scheint sich niemand entziehen zu können. Aber auch äußere Umstände spielen eine Rolle, so Deb: Die Ermordung tausender Muslime 2002 in Gujarat, das damals von Modi regiert wurde, "geschah weniger als ein Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Dies bedeutete, dass die alten Animositen der Hindu-Rechten gegen Muslime, den Islam und Pakistan auf fruchtbaren Boden in den USA fielen, die in Afghanistan und dann im Irak demselben Feind gegenüber standen. Indien war ein Verbündeter in der Wirtschaft und im Krieg gegen den Islamismus, ein Kontrast sowohl zu der überreligiösen antiwestlichen Militanz in Pakistan und den gottlosen Manipulatoren des kapitalistischen Marktes in China. Für viele in der indischen Diaspora und für die Elite in Indien bedeuteten die endlosen Titelgeschichten, Kommentare, Bücher und Filme, die das neue Indien priesen - während der Islam, Muslime und Pakistan regelmäßig als gescheiterte Systeme kritisiert wurden - eine Art Doppelbonus für ihr Selbstbild, es bestätigte sie als Lieblingsinder des weißen Mannes."

Magazinrundschau vom 07.06.2016 - New Republic

Malcolm Harris kann in der New Republic nicht wirklich etwas mit der von Timothy Garton Ash in seinem neuen Buch verfochtenen Idee der "Free Speech" anfangen. Seine Kritik liest sich linksradikal, als käme sie aus den frühen Siebzigern. Schon dass Ashs Buch von der reichen und konservativen Hoover Institution finanziert wurde, wird zum Gegenargument: "Für Ash ist die Welt nicht aus Klassen zusammengesetzt, die im Konflikt stehen. Wenn es keine Klassen gibt, sondern nur viele Indviduen, die alle ihr Bestes versuchen, dann kann man von Meinungsäußerungen nicht mehr als einem Klassen-Instrument reden. Aber wie sollen wir die Hoover Institution und andere solche Organisationen denn sonst sehen? Ideologen der freien Meinungsäußerung mögen zum Beispiel die Idee des Internetzugangs für alle verfechten, aber die Mittel der Ideenproduktion - inklusive freier Zeit - gerecht zu verteilen, kommt ihnen nicht in den Sinn."