Magazinrundschau - Archiv

El Espectador

17 Presseschau-Absätze - Seite 1 von 2

Magazinrundschau vom 06.11.2018 - El Espectador

Héctor Abad schreibt über die Elendskarawane, die sich aus dem Süden auf die mexikanisch-amerikanische Grenze zubewegt: "Wären es weißhäutige Deutsche, Ungarn oder Slowenen, wie Melania Knavs, heute besser bekannt als Melania Trump, würde der Präsident der USA sie mit offenen Armen empfangen und ihnen (wie seinen Schwiegereltern, Schwagern und Schwägerinnen) im Eiltempo die US-Nationalität verschaffen. Aber die Haut der Latinos hat einen höheren Melaninanteil als die Melanias, und Trump ist durch und durch Rassist, also hat er angekündigt, dass er diese Leute mit bewaffneten Soldaten empfangen wird, als handelte es sich um das Invasionsheer einer feindlichen Macht. Während des Niedergangs des römischen Reiches bezeichnete man dieses Phänomen als 'Barbareneinfälle'. Als Europa an Überbevölkerung litt und daran ging, die 'unentdeckte' Welt zu erforschen, sprach man von Conquista, Kolonisierung, fortschreitender Zivilisierung. Was wir jetzt immer öfter erleben - etwa in Griechenland, in Kolumbien, an den Küsten Italiens, Frankreichs und Spaniens -, hat vorläufig noch keinen Namen, berührt aber den moralischen Kern des menschlichen Daseins, und der erweist sich als auf widerwärtige Weise verfault."

Magazinrundschau vom 24.07.2018 - El Espectador

Héctor Abad zeigt an zwei Beispielen die konsequente Rücksichtslosigkeit, mit der die Trump-Regierung auch in Kolumbien ausschließlich die Interessen ihrer Sponsoren durchzusetzen versucht: "In armen Ländern wie Kolumbien fehlt das Geld, das eine Mutter für Milchpulver ausgibt, statt zu stillen (was viel gesünder ist), für Nahrungsmittel für sie selbst und den Rest der Familie. Das Milchpulver wird zudem oft mit nicht trinkbarem Wasser angerührt, was bei den Babys schnell zu Darmentzündung und Dehydration führt. Als einziges Land der Welt haben die USA kürzlich in der UNO gegen ein Verbot aggressiver Methoden zur Durchsetzung des Milchpulvergebrauchs gestimmt - einzig und allein im Interesse von Milchpulverproduzenten, die, wie insbesondere Abbott, Trump im Wahlkamp massiv unterstützt haben. In den meisten entwickelten Ländern ist außerdem die Pille aus guten Gründen billig zu bekommen. Jetzt, wo unsere Regierung auch in Kolumbien eine Preisbegrenzung für die Pille verfügen möchte, drohen die Trump-Regierung über die kolumbianische US-Botschaft und Pharmaproduzenten wie insbesondere Abbott unverhohlen mit drastischen Konsequenzen - gegen Norwegen, Großbritannien oder Spanien würde man niemals auf diese Weise vorgehen."
Stichwörter: Kolumbien, Abad, Hector, Norwegen

Magazinrundschau vom 19.09.2017 - El Espectador

"Dein Gesicht morgen." Héctor Abad macht sich Gedanken über die aktuellen und künftigen Möglichkeiten der Gesichtserkennung: "Der Economist berichtete neulich, Michal Kosinski von der Stanford University sei es gelungen, ein Artificial Intelligence-Programm dazu zu befähigen, dem Gesicht eines Menschen abzulesen, ob dieser hetero- oder homosexuell orientiert sei. In Russland und China wiederum kann man mittlerweile in manchen Restaurants mithilfe enstprechender Programme seine Rechnung mit einem bloßen Lächeln in die Kamera bezahlen. Ebenso genügt ein Foto, um herauszufinden, wie jemand heißt, und wer ein bisschen mehr bezahlt, erfährt auch, wie viel der Abgebildete verdient, was seine Hobbys sind und wie es um seine Kreditwürdigkeit steht. Bis vor kurzem verdeckten bloß die Frauen der Taliban oder schamhafte Verbrecher (wie etwa ETA-Terroristen) ihr Gesicht mit Burkas, Strumpfmasken oder schwarzen Sonnenbrillen. Vielleicht werden schon bald Millionen ihrem Beispiel folgen, weil sie nicht nur nicht wollen, dass eine Maschine weiß, wo sie geboren sind, wie viel sie verdienen und was sie wollen, sondern auch nicht, wovor sie Angst haben, was sie nicht sind und was sie nicht wollen."

Magazinrundschau vom 17.01.2017 - El Espectador

"Von Lesbos nach Jericó." Héctor Abad fordert Solidarität mit Flüchtlingen: "Kolumbien war lange Zeit allergisch gegen Immigranten. Nicht weil die Menschen hier fremdenfeindlich sind - im Gegenteil, ein guter Teil der Kolumbianer ist durchaus fremdenfreundlich, wie mir scheint -, aber die Regierungen waren es seit jeher, jedenfalls wenn es um Morisken, Juden, Muslime, Konvertierte oder Protestanten ging. Dafür sorgte auch der starke Einfluss der katholischen Kirche. Millionen Kolumbianer haben während des vierzigjährigen gewaltsamen Konfliktes in anderen Ländern Zuflucht gesucht. Jetzt gilt es, etwas zurückzugeben und - viel verlange ich für den Anfang gar nicht - wenigstens 200 oder 300 syrische, iranische oder afghanische Familien in Kolumbien aufzunehmen, die zurzeit auf den griechischen Inseln frierend in Eis und Schnee festsitzen. Das ist so gut wie nichts, aber gar nichts wäre noch schlimmer. Kolumbien muss und kann das leisten."

Magazinrundschau vom 12.04.2016 - El Espectador

Héctor Abad weist auf einen ihn besonders quälenden Aspekt der Panama Papers hin: "Solange verachtungswürdige Leute wie Putin, der Sohn eines Diamantenhändlers, der anrüchige Schwippschwager eines arroganten Politikers, der Sohn eines Paramilitärs, der Leibwächter von Hugo Chávez, ein Fußballer, der mir völlig wurst ist, oder ein dicklicher isländischer Premierminister auf der Liste auftauchten, war für meine Vorstellung alles in Ordnung. Als jedoch die Namen von Freunden oder Leuten, die ich respektiere, erschienen (Mario Vargas Llosa, Pedro Almodóvar, Humberto de la Calle), kam es gewissermaßen zum psychologischen Kurzschluss und ich fing an, nach Ausreden und Entschuldigungen zu suchen, obwohl alle im Prinzip dasselbe Vergehen begangen haben. Denn machen wir uns nichts vor: Konten in Steueroasen sind zu 90 Prozent ausschließlich dazu da, sein Geld vor dem Fiskus zu verstecken, ob es nun mit Kokain, dem eigenen Schweiß, bei der Spielbank oder durch eigene Gedankenleistung verdient worden ist. Wie traurig, auch wenn es dabei um unsere Freunde geht."

Magazinrundschau vom 27.10.2015 - El Espectador

Héctor Abad verkauft seinen VW: "Ich habe zwei Jahre in Deutschland gelebt, und wenn mir etwas typisch für die neuen Deutschen schien, dann ihre Vertrauenswürdigkeit. Ein Betrug diesen Ausmaßes jedoch ruft Bestürzung und Ablehnung hervor. Weil VW unbedingt der größte Autoverkäufer der Welt werden wollte, hat der Konzern geglaubt, uns alle in Bezug auf eins der heikelsten Themen betrügen zu können: die für die menschliche Gesundheit wie auch für die Natur schädlichen Emissionen. Möglicherweise wird VW die Krise überstehen, ohne bankrott zu gehen, aber was geschehen ist, ist unverzeihlich. Vielleicht führt dieser Skandal ja das baldige Ende des Verbrennungsmotors herbei, vielleicht war es Zeit, dass wir uns in Bezug auf diese veraltete Form von Fahrzeugen nichts mehr vormachen - Deutschland, das Land der grünen Energie, muss eine ökologische Antwort mit weltweiter Wirkung auf diese Schande geben, die es im Herzen seiner Wirtschaft trifft, der Autoindustrie. Ich werde nun jedenfalls das Auto, das ich für das beste hielt, das ich je besessen habe, verkaufen. Jetzt schäme ich mich dafür, VW zu fahren."

Magazinrundschau vom 23.12.2014 - El Espectador

Héctor Abad freut sich, dass zwischen den USA und Kuba nach 55 Jahren endlich der Kalte Krieg von der Diplomatie abgelöst wird. Und erinnert sich mit Grausen daran, dass auch bei der großen Kubakrise 1962 viele gegen eine diplomatische Lösung waren: "Nicht nur die Hardliner in der US-Armee und die republikanische Rechte wollten damals Krieg; auch Fidel Castro war dafür, und so forderte er von der Sowjetunion, man solle ihn im Falle einer Invasion persönlich diese Raketen steuern lassen, um die USA anzugreifen. Als Nikita Chruschtschow schließlich beschloss, die Atomraketen nach Russland zurückbringen zu lassen, ließ Fidel Castro auf den Straßen Sprechchöre verkünden: "Nikita mariquita (Schwuchtel)". Und Che Guevara, offensichtlich im vollkommenen Wahn, schrieb: "Wir erleben das erschütternde Beispiel eines Volkes, das bereit ist, sich atomar zu opfern, damit seine Asche die Grundlage für eine neue Gesellschaft bildet, und das, als man, ohne es zu fragen, vereinbart, die Atomraketen abzuziehen, keineswegs erleichtert aufseufzt oder für den Waffenstillstand dankbar ist...""

Magazinrundschau vom 20.10.2014 - El Espectador

Héctor Abad, der eigentlich die neueste Ausgabe des Wörterbuchs der Königlichen Spanischen Akademie feiern möchte, nutzt die Gelegenheit, um die Wikipedia hochleben zu lassen: "Wenn ich mir nur eine einzige Website (ich hab"s nachgesehen: auch dieses Wort steht im neuen Wörterbuch der Akademie) auf eine einsame Insel mitnehmen dürfte, würde ich Wikipedia auswählen. Ich weiß, gebildete Menschen verachten Wikipedia. Allerdings vermute ich, eine Art Neid ist der Grund dafür, dass sie so viel daran auszusetzen haben und so große Gefahren darin sehen. Ich, der ich nicht besonders gebildet bin, hege die gleiche Verehrung für Wikipedia wie die Schriftsteller früherer Zeiten für die Encyclopaedia Britannica (die ich ebenfalls besitze, aber fast nie mehr aufschlage, unter anderem weil zum Beispiel in meiner Ausgabe der heutzutage unverzichtbare Begriff Ebola nicht auftaucht). Meine Wikipedia-Verehrung geht soweit, dass ich monatlich einen Obulus (hat nichts zu tun mit Ebola) dafür spende, dass es mich von meiner eselhaften Dummheit befreit."
Stichwörter: Abad, Hector, Wikipedia, Neid, Ebola

Magazinrundschau vom 03.09.2013 - El Espectador

"Ponchos, Töpfe und Demokratie." Der kolumbianische Philosoph Rodolfo Arango kommentiert die aktuellen massiven Bauernproteste in Kolumbien: "Unter ‚Fortschritt' hat man hierzulande immer nur Städtebau und die Errichtung von Infrastruktur verstanden und dabei Millionen von Menschen auf dem flachen Land der Gewalt und sich selbst überlassen. Die Guerrilleros von FARC und ELN wie auch unsere Regierung sollten die Botschaft aufmerksam wahrnehmen: Ihr Krieg ist nicht mehr unser Krieg. 'Die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können', von denen Kant in seiner berühmten Schrift 'Zum ewigen Frieden' spricht, sind auch das Vorbild für unsere nationalen Oberhäupter, die der großen Mehrheit der Bevölkerung Schmerz, Armut und Elend aufzwingen. Was unseren gegenwärtigen idiotischen Zuständen ein Ende bereiten könnte, ist eben genau die friedliche Revolution aus Ideen und abgestimmten gemeinsamen Aktionen der Landbevölkerung."

Magazinrundschau vom 08.01.2013 - El Espectador

"Während Hugo Chávez im Sterben liegt", stellt der kolumbianische Schriftsteller Héctor Abad Überlegungen zum Umgang autoritärer Regimes mit der Wahrheit an: "Ob man es mit einer demokratischen oder autoritären Regierung zu tun hat, zeigt sich auch daran, wie man mit Informationen in Bezug auf die Person an deren Spitze umgeht. Das venezolanische Regime informiert über Chávez' Gesundheitszustand zwar nicht ganz so restriktiv, wie seinerzeit im Fall von Fidel Castro oder Stalin geschehen, und trotzdem erinnert die Vorgehensweise zweifellos mehr daran als etwa an die Berichte über das Blutgerinsel Hillary Clintons. Gleichzeitig beschwert sich das venezolanische Regime über 'internationale Medienkartelle', die einen 'psychologischen Krieg in Bezug auf die Gesundheit des Staatsführers anzetteln'. Dabei befördern eben die autoritären Regimes selbst, indem sie Informationen immer nur wohldosiert preisegeben, niemals transparent agieren, Geheimnisse als politische Waffe einsetzen - 'Ich weiß mehr als du und mehr als die Opposition und deshalb weiß ich auch, wie ich mich auf den Kampf vorzubereiten habe' -, den Krieg, über den sie sich beklagen. Und bestätigen damit nur, wovor sie sich am meisten fürchten: Dass sich, sobald es mit dem harten Mann an der Spitze vorbei ist, alles ändern wird."