Die britische Journalistin Helen Lewis
staunt über die amerikanische Bürgerrechtsorganisation ACLU, die 1973 am Prozess Roe v. Wade beteiligt war und sich jetzt auch zur neuen Abtreibungsdebatte geäußert hat: Laut ACLU
schadet ein Abtreibungsverbot "unverhältnismäßig stark Schwarzen, Indigenen und People of Colour, der LGBTQ Community, Immigranten, jungen Menschen, armen Menschen und Menschen mit Behinderungen". Eine Gruppe, die
nicht vorkommt, obwohl man annehmen könnte, dass sie vor allem "unverhältnismäßig stark" betroffen wäre, sind
Frauen. Warum fragt sich Lewis, will ACLU das "biologische Geschlecht aus einem Gespräch herauszustreichen, in dem das biologische Geschlecht unvermeidlich ist? Die Rechte hat
den Frauen den Krieg erklärt. Die Linke hat darauf geantwortet, indem sie dem
Wort '
Frauen'
den Krieg erklärt hat. ... Sprachkämpfe sollten uns nicht von der wahren Ungerechtigkeit ablenken, die durch die mögliche Aufhebung von Roe v. Wade aufgeworfen wird: die Abschaffung des Rechts auf Privatsphäre und körperliche Autonomie für 51 Prozent der Amerikaner. Etwas geht verloren, wenn Abtreibungsrechtler sich scheuen, von Frauen zu sprechen. Wir verlieren die Fähigkeit, über Frauen als
mehr als eine zufällige Ansammlung von Organen zu sprechen, Körper, die zufällig menstruieren oder bluten oder gebären. Wir verlieren die Fähigkeit, die gemeinsamen Erfahrungen von Frauen und die Diskriminierung, der sie im Laufe ihres reproduktiven Lebens ausgesetzt sind, miteinander zu verbinden. Indem wir Frauen durch Menschen ersetzen, verlieren wir die Fähigkeit, von
Frauen als einer Klasse zu sprechen. Wir zerlegen sie in Teile, in Funktionen,
in Waren. Dies geschieht auf vielerlei Weise. Diese Woche habe ich auch gesehen, wie ein Axios-Redakteur einen Reporter der
New York Times zurechtwies, weil er von 'Leihmüttern' statt von 'Schwangerschaftsausträgerinnen' geschrieben hat - als ob letztere Formulierung nicht
entmenschlichend wäre, nur ein Flüstern entfernt von 'Gefäßen'."
Bei
Abtreibungen geht es immer um die Frage, ab wann ein
Embryo ein Mensch ist. Für die Abtreibungsgegner ist er ab dem Moment der Empfängnis "beseelt", weshalb Abtreibungen verboten sein sollten. Aber das verstößt gegen die Verfassung, die ausdrücklich
keine Staatsreligion kennt,
erinnert die kanadische Schriftstellerin
Margaret Atwood: "Ein solches Urteil hängt von einem religiösen Glauben ab, nämlich dem Glauben an Seelen. Nicht jeder teilt einen solchen Glauben. Aber alle, so scheint es, laufen nun Gefahr, Gesetzen unterworfen zu werden, die von denjenigen formuliert wurden, die dies tun. Was
innerhalb einer bestimmten religiösen Überzeugung eine Sünde ist, soll für alle zum Verbrechen werden. ... Es sollte ganz einfach sein: Wenn Sie an die 'Beseelung' bei der Empfängnis glauben, sollten Sie nicht abtreiben, denn das ist in Ihrer Religion eine Sünde. Wenn Sie nicht daran glauben, sollten Sie - gemäß der Verfassung - nicht an die religiösen Überzeugungen anderer gebunden sein. Sollte die Stellungnahme von [Richter Samuel] Alito jedoch zum neuen Gesetz werden, sind die Vereinigten Staaten auf dem besten Weg, eine Staatsreligion einzuführen. Massachusetts hatte im 17. Jahrhundert eine offizielle Religion. Jahrhundert eine offizielle Religion. Um sie zu schützen,
hängten die Puritaner Quäker auf."