Magazinrundschau
Der edle Akt heißt merodok
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
03.05.2011. Abajournal erklärt, warum wir vielleicht nie die Schätze der Savory Jazz Collection hören werden. Das New York Magazine legt ein neues Parfüm auf: Den Dreck der Kindheit. In Ägypten bereiten die Muslimbrüder unverhohlen die islamische Herrschaft vor, berichtet Al Ahram. The New Republic porträtiert den populären ägyptischen Israelhasser Amr Moussa. Harper's Magazine geht mit muslimischen Touristen in thailändische Bordelle. Open Democracy erklärt, was orthodoxer jüdischer Feminismus ist. In Prospect übernimmt Niall Ferguson die Weltherrschaft.
New York Magazine (USA), 24.04.2011

Al Ahram Weekly (Ägypten), 28.04.2011

Weitere Artikel beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Revolution auf die Philosophie, die Literatur und die Kunst.
New Republic (USA), 28.04.2011

Außerdem: Barak Barfi beschreibt in einem sehr interessanten Artikel die verschiedenen Gruppen, aus denen sich der Widerstand gegen Gaddafi rekrutiert. Ihr schwächster Zweig ist - ausgerechnet - der militärische, der sich nicht nach Kompetenz, sondern nach Stammeszugehörigkeit zusammensetzt. Überaus freundlich im Ton, in der Sache dann aber doch recht ablehnend bespricht Christine Stansell Leila Ahmeds feministisch-antiimperialistisches Buch über den Schleier, "A Quiet Revolution". Für Ahmed ist der Schleier ein antiimperialistisches Statement, so Stansell, die das etwas schlicht findet: "Es gibt in dem Buch eine Menge darüber, warum Frauen ihn nach 1970 wieder anlegten, aber fast nichts darüber, warum sie ihn in der Mitte des Jahrhunderts abgelegt hatten."
New Yorker (USA), 09.05.2011

Elet es Irodalom (Ungarn), 29.04.2011

Am vergangenen Sonntag wurde Johannes Paul II. von seinem Nachfolger Papst Benedikt XVI. selig gesprochen. Der Journalist (und ehemalige langjährige Mitarbeiter von Radio Freies Europa in München) Laszlo Kasza hätte sich anstelle dieses Akts lieber eine Reform der Katholischen Kirche gewünscht. Und er sieht sich damit nicht allein: Millionen von Katholiken "haben das Gefühl, dass solche Feierlichkeiten von den eigentlichen Problemen der mit einer moralischen Krise kämpfenden Katholischen Kirche ablenken sollen: vom Priestermangel und von der massenhaften Abwanderung. [...] Der Grund dafür ist nicht die Gleichgültigkeit oder die Absicht, Kirchensteuer zu sparen, wie dies schon früher beobachtet werden konnte. Es ist schlimmer. Laut Alois Glück, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, verlassen die Gläubigen jetzt die Kirche mit dem Gefühl der Scham und der Wut. Mit Scham aufgrund des weltweiten Skandals der Pädophilie, den die Kirchenführer Jahrzehntelang verheimlicht haben, und mit Wut, weil unsere Kirche unfähig ist, die eigenen Gesetze einzuhalten und die Reformvorschläge des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen. Es wäre gut, wenn auch wir Katholiken den Lutherschen Satz im Zeichen der Ökumene ans Herz nehmen würden: Ecclesia semper reformanda."
Harper's Magazine (USA), 01.03.2011

Espresso (Italien), 29.04.2011

Abajournal (USA), 01.05.2011
Immer häufiger gibt es Grund, an Copyright-Gesetzen zu verzweifeln. Das National Jazz Museum in Harlem erwarb letztes Jahr einen unerhörten Schatz - über 900 Live-Aufnahmen von Jazzgrößen aus den dreißiger Jahren in erstklassiger Tonqualität mit Musikern von Benny Goodman über Billie Holiday bis Coleman Hawkins, die "Savory Collection" (die New York Times berichtete). Werden wir diese Musik jemals hören? Steven Seidenberg schildert im Abajournal, das sich juristischen Fragen widmet, die Hintergründe und zitiert zunächst den Kollegen David G. Post im Volokh Conspiracy blog (hier): "'Die Urheberrechtsproblematik dieser Aufnahmen könnte so groß und vor allem: so schwer einzuschätzen sein, dass sie womöglich niemals veröffentlicht werden können." Eine weit verbreitete Problematik, merkt Seidenfeld an: "Im Januar 2006 gab das U.S. Copyright Office einen Bericht über verwaiste Werke heraus, der das Ausmaß des Problems benennt und Lösungswege skizziert... Der Bericht vermerkt zum Beispiel, dass viele Bilder aus Dokumentarfilmen entfernt werden, weil die Rechteinhaber der Bilder nicht aufgefunden werden können. Museen besitzen Millionen von Archivdokumeten, Fotografien, Filmrollen, die sie nicht veröffentlichen oder digitalisieren können, weil die Frage der Rechte ungeklärt ist." In diesem Rundfunkgespräch sind Ausschnitte aus Aufnahmen der Savory Collection zu hören.
Le Monde (Frankreich), 30.04.2011
Die Intellektuellen Europas werden von einem Endzeit-Pathos beherrscht, diagnostiziert der Romancier und Essayist Pascal Bruckner in einem Text über das Verführerische der Katastrophe. "Ihre alarmistischen Diskurse über die Atomkraft, das Klima und die Zukunft des Planeten leiden unter einem Widerspruch. Wenn die Lage wirklich so ernst ist, wie sie behaupten, wogegen soll man dann noch rebellieren? Warum nicht einfach entspannt auf den Untergang warten? Die vorgeschlagenen Lösungen jedenfalls scheinen der Schwere des Übels unterlegen ... Um der Ungewissheit der Geschichte zu entkommen, wird deshalb die Gewissheit der Katastrophe dekretiert: Sie erlaubt, sich entspannt in den Süßen des Abgrunds einzurichten. Wann der Zusammenbruch kommt, ist egal, er erwischt uns sowieso. Der Diskurs der Angst sagt nicht vielleicht, sondern: Der Horror ist gewiss."
Magyar Narancs (Ungarn), 21.04.2011

Das Internationale Gerichtshof in Den Haag hat den kroatischen General Ante Gotovina zu 24 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt - und dabei auch den inzwischen verstorbenen früheren kroatischen Staatschef Franjo Tudjman für schuldig befunden. Die liberale Wochenzeitschrift Magyar Narancs rekapituliert die Ereignisse vom August 1995, als die kroatische Armee im Rahmen der "Operation Sturm" Gebiete von der separatistischen "Republik Serbische Krajina" zurückeroberte und dabei die Stadt Knin beschoss. Auf den ersten Blick - und dies geht zunächst auch aus der Urteilsbegründung hervor - führte der kroatische General Gotovina einen gerechten Krieg gegen die Eroberer. Doch auch ein gerechter Krieg hat seine Regeln: "Weder der gerechte Krieg, noch das viele Leiden, das die serbischen Separatisten einem Teil der kroatischen Bevölkerung ab 1990 zugefügt hatten, können eine ethnische Säuberung rechtfertigen. Doch genau das ist dem Urteil zufolge während der 'Operation Sturm' geschehen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass man mit dem Beschuss der Städte in der Krajina - allen voran Knins - nicht militärische Ziele vernichten, sondern die serbische Bevölkerung einschüchtern wollte... Unabhängig von ihrem persönlichen Schicksal oder von ihren politischen Ansichten, unabhängig davon, was sie von diesem Martic-Staat hielten - sie mussten fliehen, nur aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, nur, weil der kroatische Staatschef sie kollektiv für schuldig erklärt hatte. Oder sie mussten sterben. Diese Absicht geht auch aus den Protokollen jener Besprechung hervor, die unmittelbar vor der Aktion auf höchster Ebene stattfand. Es gibt keine Gerechtigkeit, die solch eine Politik oder die Beteiligung an ihrer konkreten Umsetzung rechtfertigen würde."
Literaturen (Deutschland), 01.05.2011

Hingerissen berichtet Jutta Person von einem Hausbesuch bei der Literaturwissenschaftlerin und seit einigen Jahren auch belletristisch tätigen Silvia Bovenschen, die gerade den Roman "Wie geht es Georg Laub?" vorgelegt hat: "Im grünen Salon wird es dämmriger, aber die Gedanken- und Wortblitze reißen keineswegs ab. Silvia Bovenschen erklärt mit Verve, was sie unter 'Gefühlsschleim' versteht. Solche Sprünge - von den Menschheits-Themen zur schmissigen Pointe - durchziehen nicht nur die Essays und Streitschriften, sondern auch das Gespräch. Apropos Menschheit: Die Literaturwissenschaftlerin hatte immer auch Tiere im Blick, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Tier-Mensch-Differenz noch längst nicht zum kulturwissenschaftlichen Mode-Thema avanciert war."
Weitere Artikel: Frauke Meyer-Gosau gratuliert dem Verlag dtv zum Fünfzigsten. Ronald Düker stellt ein Buch über Alex Steinweiss, den Erfinder des modernen Album-Covers, vor. Patrick Bahners bespricht Dave Eggers' Katrina-Reportage "Zeitoun".
Prospect (UK), 20.04.2011

In einem weiteren Artikel sieht Anthony Lloyd nach drei Wochen in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi die Revolutionsbewegung nicht nur unter militärischem Druck, sondern auch aufgrund ihrer inneren Heterogenität kurz vor der Implosion.
Open Democracy (UK), 27.04.2011

Weitere Artikel: Ekaterina Loushnikova besucht den hundertjährigen, äußerst agilen, Internet surfenden und bloggenden Kolyma-Überlebenden Pavel Galitsky. Anna Babinets erzählt, wie Agrarminister Mykola Prisyazhnyuk mittels einer mysteriösen Agentur den Weizenhandel in der Ukraine unter seine Kontrolle bringt. Mikhail Zakharov diagnostiziert einen handfesten Rassismus in Russland. Marie Gilbert findet es reichlich seltsam, dass so viele englischsprachigen Feministinnen den Niqab verteidigen.
New York Times (USA), 01.05.2011
In "33 Revolutions per Minute" erzählt Dorian Lynskey die Geschichte der Protestsongs. Sean Wilentz freut sich, dass dabei immerhin einige, wenn auch nicht alle Mythen über Pete Seegers, Bob Dylan, John Lennon oder M.I.A zertrümmert werden: "Lynskey schreibt sehr schön darüber, wie Wut oder sogar Hysterie, einmal kanalisiert, solch überwältigende Lieder wie Nina Simones 'Mississippi Goddam' hervorbringen können. Er ist am besten, wenn es um Künstler geht, die normalerweise nicht zur Protestkultur gehören. Ein starkes Kapitel über John Brown und sein 'Say It Loud - I'm Black and I'm Proud' zeigt, wie der Godfather of Soul - der sich selbst auch Minister of New New Super Heavy Funk genannte hätte - zwischen seinen eigenen politischen Sympathien für Hubert Humphrey und den Anforderung schwarzer Loyalität gefangen wurde, die die Black-Power-Politik ihm in den Sechzigern auferlegte. 'Say It Loud' war das Ergebnis, ein funkiger Megahit mit gemischten politischen Botschaften."
Hier die wunderbare zornige Nina Simone:
Außerdem: Fernanda Eberstadt preist den hierzulande etwas untergangenen Roman "Schwarze Schwestern" der belgisch-nigerianischen Autorin Chika Unigwe. Paul M. Barrett weiß nach Lektüre von William Cohans "Money and Power", dass Goldman Sachs heute so gut dasteht, weil die Bank erst mit Subprime Krediten viel Geld gemacht hat und dann rechtzeitig auf einen Zusammenbruch des Marktes gewettet hat. Und Stephen Greenblatt liest Arthur Philipps Shakespeare-Roman "The Tragedy of Arthur".
Hier die wunderbare zornige Nina Simone:
Außerdem: Fernanda Eberstadt preist den hierzulande etwas untergangenen Roman "Schwarze Schwestern" der belgisch-nigerianischen Autorin Chika Unigwe. Paul M. Barrett weiß nach Lektüre von William Cohans "Money and Power", dass Goldman Sachs heute so gut dasteht, weil die Bank erst mit Subprime Krediten viel Geld gemacht hat und dann rechtzeitig auf einen Zusammenbruch des Marktes gewettet hat. Und Stephen Greenblatt liest Arthur Philipps Shakespeare-Roman "The Tragedy of Arthur".
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