Efeu - Die Kulturrundschau
Zumutungen des Lebens
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18.03.2024. Im Interview mit der taz erklärt die Komponistin Jessica Ekomane ihre Vorliebe für Grauzonen, die sie heute bei der "Maerzmusik" mit ihrer computerbasierten Kirchenglockenkomposition "Bonds" unter Beweis stellt. Die FAZ ist ein wenig schockiert von all den toten Männern in Felicitas Bruckers Frankfurter Inszenierung von Schillers "Don Carlos". In der Berliner Zeitung hofft der Schauspieler August Diehl auf Versöhnung mit Russland. Den Leuten geht das Schreiben und Veröffentlichen von Büchern viel zu leicht von der Hand, meint Michael Krüger in der SZ.
9punkt - Die Debattenrundschau
vom
18.03.2024
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Musik
Bei der Berliner Maerzmusik wird heute Jessica Ekomanes computerbasierte Kirchenglockenkomposition "Bonds" uraufgeführt. Maxi Broecking hat sich für die taz mit Ekomane getroffen. "'Das gesamte Projekt untersucht Verbindungen im öffentlichen und damit mit der Gemeinschaft geteilten Raum. Gemeinschaft kann Stärke und Schutz bieten, aber auch Beschränkungen auferlegen.' In der Vergangenheit seien Glocken genutzt worden, um mit der Gemeinschaft zu kommunizieren, den Tag zu strukturieren, aber auch als Ausdruck der politischen Macht der Kirche. Die Stücke ... beziehen durch den Klang die Nachbarschaft und die Vorbeigehenden ein. In ihrer Idealvorstellung mische sich Kunst mit dem täglichen Leben. 'Ich experimentiere viel mit musikalischen Stimmungen, oft auch aus Westafrika. Dies ist für mich eine Art von Freiheit, die ich auch mit spezifischer Computermusiktechnik verbinde. Das ist das Herzstück meiner Arbeit im Allgemeinen, ich arbeite viel mit musikalischen Vokabeln. Auch liebe ich Grauzonen und Dinge zu definieren, die sich zwischen verschiedenen Kontexten bewegen. In Museen, Konzerträumen, Clubs oder, wie jetzt, in Glockentürmen.'"
Um deutliche Kommentare ist der Komponist und Pianist Moritz Eggert selten verlegen. "Viel zu lange habe sich die klassische Kunst 'in einer Nostalgie-Blase eingekuschelt'". sagt er gegenüber Dorothea Walchshäusl in der NZZ. "Dabei sei er absolut dafür, alte und ältere Musik aufzuführen. 'Aber wir brauchen gleichberechtigt auch die heutige Musik, denn nur diese kann einordnen, was heute passiert. Sie kann Visionen für die Zukunft entwickeln, Vergangenheitsbewältigung sein und Kommentar zur Gegenwart.'"
Außerdem: Für die Presse spricht Wilhelm Sinkovicz hier mit Simon Rattle über sein Ankommen in Bayern ("ein völlig anderes Deutschland") und dort mit ihm über Gustav Mahler. Dagmar Leischow spricht für die taz mit Don Was, der seit 2011 Labelchef von Blue Note Records ist. Karl Fluch plaudert für den Standard mit der Popsängerin Christina Stürmer. In der SZ gratuliert Peter Richter Dieter "Maschine" Birr von den Puhdys zum 80. Geburtstag. Philipp Krohn gratuliert auf FAZ.net John Sebastian zum 80. Geburtstag.
Besprochen werden die Auftaktveranstaltung von André Hellers "Reflektor"-Festival in der Hamburger Elbphilharmonie mit Peter Sloterdijk, der über Franz Schuberts "Winterreise" philosophierte ("Es war mehr ein unterhaltsames Verirren in hochkulturelle Anekdotenschnipsel und lustige Formulierungen", hält Till Briegleb ind er SZ fest), ein Konzert des RIAS Kammerchors und der Kammerakademie Potsdam in der Berliner Philharmonie (VAN), ein Auftritt der Postpunk-Band The Idles in Berlin (Tsp), ein Konzert des ukrainisch-deutschen Orchesters Memento Odesa (Tsp) und die Wiederveröffentlichung von Martin Carthys Debütalbum von 1965 (NZZ).
Um deutliche Kommentare ist der Komponist und Pianist Moritz Eggert selten verlegen. "Viel zu lange habe sich die klassische Kunst 'in einer Nostalgie-Blase eingekuschelt'". sagt er gegenüber Dorothea Walchshäusl in der NZZ. "Dabei sei er absolut dafür, alte und ältere Musik aufzuführen. 'Aber wir brauchen gleichberechtigt auch die heutige Musik, denn nur diese kann einordnen, was heute passiert. Sie kann Visionen für die Zukunft entwickeln, Vergangenheitsbewältigung sein und Kommentar zur Gegenwart.'"
Außerdem: Für die Presse spricht Wilhelm Sinkovicz hier mit Simon Rattle über sein Ankommen in Bayern ("ein völlig anderes Deutschland") und dort mit ihm über Gustav Mahler. Dagmar Leischow spricht für die taz mit Don Was, der seit 2011 Labelchef von Blue Note Records ist. Karl Fluch plaudert für den Standard mit der Popsängerin Christina Stürmer. In der SZ gratuliert Peter Richter Dieter "Maschine" Birr von den Puhdys zum 80. Geburtstag. Philipp Krohn gratuliert auf FAZ.net John Sebastian zum 80. Geburtstag.
Besprochen werden die Auftaktveranstaltung von André Hellers "Reflektor"-Festival in der Hamburger Elbphilharmonie mit Peter Sloterdijk, der über Franz Schuberts "Winterreise" philosophierte ("Es war mehr ein unterhaltsames Verirren in hochkulturelle Anekdotenschnipsel und lustige Formulierungen", hält Till Briegleb ind er SZ fest), ein Konzert des RIAS Kammerchors und der Kammerakademie Potsdam in der Berliner Philharmonie (VAN), ein Auftritt der Postpunk-Band The Idles in Berlin (Tsp), ein Konzert des ukrainisch-deutschen Orchesters Memento Odesa (Tsp) und die Wiederveröffentlichung von Martin Carthys Debütalbum von 1965 (NZZ).
Literatur
Im Perlentaucher stellt Angela Schader in einem "Vorwort" den französischen Strafrechtler und Autor Abel Quentin vor, der sich mit "Der Seher von Etampes" ins Minenfeld der Woke-Debatten wagt. Der Roman um den linken Universitätsprofessor Jean Roscoff, dem sein Buch über einen schwarzen Dichter um die Ohren fliegt, ist wesentlich mehr als nur eine Polemik gegen den Zeitgeist, sondern auch "eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der französischen Linken. Roscoff unterzieht die eigenen Motive für sein Engagement bei SOS Racisme einer gründlichen Prüfung, zupft dabei auch weniger edle Antriebe - etwa die Hoffnung, hübsche Mädchen sonder Zahl flachlegen zu können - hervor. Er spricht sich aber zumindest vom eigentlichen Sündenfall der Organisation frei, dem Kalkül mit der politischen Karriere, das den Aufstieg vieler Linker in der Ära Mitterrand einleitete. 'Auf unseren jugendlichen Gesichtern', heißt es etwa, habe sich gelegentlich schon 'das mitterandsche Lächeln' abgezeichnet, das 'welke und uneindeutige Grinsen eines Spitzenmanns'; diese Linke, scheinbar so frisch und frei, habe Narzissmus und Selbstgefälligkeit 'wie unsichtbares Gift' im Blut getragen."
Den Leuten geht das Schreiben und Veröffentlichen von Büchern viel zu leicht von der Hand, meint Michael Krüger in der Kafka-Reihe der SZ. "Heute sind Skrupel als Symptom verschwunden. ... Warum sind viele der gegenwärtigen Bücher so leichtgewichtig, dass sie einem beim Lesen in der Hand zerfallen? Wer Kafka liest", der "wird unwillig gegenüber dem leichtfertigen Kitsch, der uns heute in immer größeren Wellen überschwemmt. ... Man muss nur einen Band seiner Werke oder Briefe an ein Bücherregal halten, dann kann man beobachten, wie die Bücher vor Schreck scharenweise von den Borden springen. Kafka immunisiert gegen eine bestimmte Literatur - so wie ihn das Schreiben gegenüber den Zumutungen des Lebens geschützt hat."
Außerdem: Alexander Menden berichtet in der SZ von Sandra Hüllers Herrndorf-Lesung bei der Lit.Cologne und schwärmt von der "traumwandlerischen Sicherheit, mit der sie den Ton trifft, den die jeweilige Textstelle und -sorte erfordern". Im Dlf Kultur sprechen Jörg Plath und Dorothea Westphal hier mit den für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Übersetzerinnen und Übersetzern. Außerdem gibt es hier ein Gespräch mit den Autorinnen und der Autoren der nominierten besten Sachbücher und dort mit den für den besten Roman nominierten Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Weiterhin befasst sich Ralph Gerstenberg im Literaturfeature für den Dlf Kultur mit Non-Binarität in der Literatur. Und der Dlf dokumentiert einen Vortrag der Schriftstellerin Jasmin Schreiber darüber, wie sich die Literatur dem Unvorstellbaren der Klimakrise nähern kann.
Besprochen werden unter anderem Michael Köhlmeiers "Das Philosophenschiff" (online nachgereicht von der FAZ), George Saunders' Kurzgeschichtenband "Tag der Befreiung" (online nachgereicht von der WamS), Andrea Petkovićs "Zeit, sich aus dem Staub zu machen" (FAS), Uwe Wittstocks "Marseille 1940. Die grosse Flucht der Literatur" (NZZ), Barbara Kingsolvers "Demon Copperhead" (online nachgereicht von der Welt), Gerhard R. Kaisers "Keller - Mansarde - Einsiedelei. Imaginäre Orte des Dichtens" (Standard) und neue Hörbücher, darunter eine Hörspieladaption von Nick Caves Tourtagebuch "The Sick Bag Song" (FAZ).
In der online nachgereichten Frankfurter Anthologie schreibt Ulrich Greiner über Erich Frieds "Fast alles":
"Ich habe meine Lehrzeit
hinter mir
Ich lernte hören und sehen ..."
Den Leuten geht das Schreiben und Veröffentlichen von Büchern viel zu leicht von der Hand, meint Michael Krüger in der Kafka-Reihe der SZ. "Heute sind Skrupel als Symptom verschwunden. ... Warum sind viele der gegenwärtigen Bücher so leichtgewichtig, dass sie einem beim Lesen in der Hand zerfallen? Wer Kafka liest", der "wird unwillig gegenüber dem leichtfertigen Kitsch, der uns heute in immer größeren Wellen überschwemmt. ... Man muss nur einen Band seiner Werke oder Briefe an ein Bücherregal halten, dann kann man beobachten, wie die Bücher vor Schreck scharenweise von den Borden springen. Kafka immunisiert gegen eine bestimmte Literatur - so wie ihn das Schreiben gegenüber den Zumutungen des Lebens geschützt hat."
Außerdem: Alexander Menden berichtet in der SZ von Sandra Hüllers Herrndorf-Lesung bei der Lit.Cologne und schwärmt von der "traumwandlerischen Sicherheit, mit der sie den Ton trifft, den die jeweilige Textstelle und -sorte erfordern". Im Dlf Kultur sprechen Jörg Plath und Dorothea Westphal hier mit den für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierten Übersetzerinnen und Übersetzern. Außerdem gibt es hier ein Gespräch mit den Autorinnen und der Autoren der nominierten besten Sachbücher und dort mit den für den besten Roman nominierten Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Weiterhin befasst sich Ralph Gerstenberg im Literaturfeature für den Dlf Kultur mit Non-Binarität in der Literatur. Und der Dlf dokumentiert einen Vortrag der Schriftstellerin Jasmin Schreiber darüber, wie sich die Literatur dem Unvorstellbaren der Klimakrise nähern kann.
Besprochen werden unter anderem Michael Köhlmeiers "Das Philosophenschiff" (online nachgereicht von der FAZ), George Saunders' Kurzgeschichtenband "Tag der Befreiung" (online nachgereicht von der WamS), Andrea Petkovićs "Zeit, sich aus dem Staub zu machen" (FAS), Uwe Wittstocks "Marseille 1940. Die grosse Flucht der Literatur" (NZZ), Barbara Kingsolvers "Demon Copperhead" (online nachgereicht von der Welt), Gerhard R. Kaisers "Keller - Mansarde - Einsiedelei. Imaginäre Orte des Dichtens" (Standard) und neue Hörbücher, darunter eine Hörspieladaption von Nick Caves Tourtagebuch "The Sick Bag Song" (FAZ).
In der online nachgereichten Frankfurter Anthologie schreibt Ulrich Greiner über Erich Frieds "Fast alles":
"Ich habe meine Lehrzeit
hinter mir
Ich lernte hören und sehen ..."
Kunst
Weitere Artikel: Verena Harzer resümiert in der taz die "Kyiv Perenniale" in Berlin. Ueli Bernays unterhält sich für die NZZ mit dem georgischen Künstler Künstler Hitori Ni über die Lage in seinem Land. Hans-Joachim Müller berichtet in der Welt von der Versteigerung eines jahrzehntelang verschollenes Gemäldes von Ernst Ludwig Kirchner.
Besprochen werden die Ausstellungen "Holbein Burgkmair Dürer" im KHM Wien (Standard), "Impossible" im Museum Frieder Burda in Baden-Baden (Tsp) und "Träume von der Zukunft" mit Werken von Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf (FAZ).
Film
Für die Berliner Zeitung spricht Liudmila Kotlyarova mit August Diehl, der zur Zeit in Russland in einer bereits 2021 entstandenen und trotz einiger verklausulierter Spitzen gegen Putin äußerst erfolgreichen Adaption von Bulgakows "Meister und Margarita" zu sehen ist. Einen deutschen Starttermin gibt es noch nicht. Dass Russland mit der Invasion der Ukraine auch kulturelle Bündnisse zerschlagen hat, hält der Schauspieler für eine "Tragödie. ... Immer, wenn ein Land totalitär und gewalttätig wird, trocknet es kulturell aus. Und alle großen Künstler und Komponisten müssen dann mit Symbolen oder versteckt arbeiten, wie eben Bulgakow zu Stalin-Zeiten. Es kommt so viel Großartiges aus Russland, und es ist eine riesige Tragödie, dass Menschen sich wegen Kriegen nicht mehr künstlerisch austauschen können." Aber "ich glaube auch daran, dass Russland sich mit dem Rest der Welt wieder versöhnen wird. Aber es müssen immer beide Seiten dazu bereit sein." Die Ukraine wird sich für solche Ratschläge bedanken.
Außerdem: Valerie Dirk wirft für den Standard einen Blick auf den sagenhaften Erfolg des New Yorker Filmstudios A24, das sich in den letzten Jahren bei Kritikern, Festivals, Nerds, Oscars und Publikum als verlässliche Bank für außergewöhnliche Filme etablieren konnte: "Noch nie war der Hype um ein Filmstudio so groß wie um dieses."
Besprochen werden Cord Jeffersons oscarnominierte, auf Amazon Prime gezeigte Literaturbetriebs-Satire "American Fiction" (Filmfilter), Georg Maas' und Judith Kaufmanns Kafka-Biopic "Die Herrlichkeit des Lebens" nach dem gleichnamigen Roman von Michael Kumpfmüller (Welt), Rodrigo Morenos Gaunerkomödie "Die Missetäter" (Jungle World) und Jörg Burgers vorerst nur in Österreich startender Dokumentarfilm "Archiv der Zukunft" über das Naturhistorische Museum in Wien (Standard).
Bühne
Weitere Artikel: In der FAZ wirft Lotte Thaler der grünen Kulturpolitik die Zerstörung des Kasseler Theaters vor. In der SZ stellt Reinhard J. Brembeck den Operntenor und -bariton! Michael Spyres vor, der im Sommer in Bayreuth den "Lohengrin" singen wird. In der FR erinnert Arno Widmann an die Weltpremiere von Schillers "Wilhelm Tell" vor 220 Jahren.
Besprochen werden außerdem Elsa-Sophie Jachs Adaption von Tove Ditlevsens "Kopenhagen-Trilogie" am Münchner Residenztheater (nachtkritik, SZ), Moritz Franz Beichls Inszenierung von Molières "Tartuffe" am Deutschen Theater Göttingen (nachtkritik), Rainer Dachselts Komödie "Reich und glücklich in zehn Tagen" an der Berliner Volksbühne (FR), Nino Haratischwilis "Phädra, in Flammen" in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt (FR), Jan Bosses Inszenierung "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke", die den gleichnamigen Roman von Joachim Meyerhoff als Solo für Anne Müller adaptiert (nachtkritik), Reinhard Keisers "Nebucadnezar" am Opernhaus Magdeburg (nmz) und Rossinis "La cenerentola" in Weimar (nmz).
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