Außer Atem: Das Berlinale Blog

Berlinalewettbewerb ohne Helden: Der sonnengebräunte Hintern des Klaus Lemke.

Von Thomas Groh
09.02.2012.
Gerade war Doris Dörrie unter viel Blitzlichtgewitter über den Roten Teppich gelaufen: Galavorführung zur Berlinale-Eröffnung. Ein bisschen hatte sie vor dem Festival geschimpft, wie avantgardistisch und unkommerziell doch die Berlinale sei und wie froh sie deshalb sei, dass ihr neuer Film nicht im Wettbewerb, sondern in der Resterampe-Sektion "Berlinale Special" zu sehen ist. Auf den Roten Teppich verzichtet sie dann aber doch nicht, den empfindlichen Minusgraden zum Trotz. Ein wenig Mosern auf hohem Niveau erregt noch keine Gemüter.



Auch ein anderer hatte im Vorfeld gemeckert und sein Kommen ebenfalls zugesagt: Klaus Lemke, enfant terrible der Münchner Szene der späten 60er, der zuletzt das Subventionskino deutscher Provenienz zum Todfeind erklärt hatte. Nur eingeladen war Lemke nicht: Weder sein (eingereichter) neuer Film "Berlin für Helden", noch er als Person. Dafür hieß es markig auf Facebook: "Aktion Toter Teppich, Treffpunkt 19:00 Uhr Marlene-Dietrich-Platz 1". Während sich die Stars auf dem Teppich bei herber Kälte abendgarderobebedingt die Schultern blau frieren, will auch Lemke sich kamerawirksam entblättern: Mit blankem Hintern Richtung Kosslick. Auf SpOn warf ihm dafür Silke Burmester im Vorfeld jubelnd Blumen zu.

Also wartete man vor dem roten Teppich, übte Stilkritik anhand der großen Videoschirme, blickte nervös auf die Uhren, schaute um sich. Wo blieb der Affront? Mit zwei Minuten Verspätung dann doch: Klirrende Pfeifentöne näherten sich, ein Zigarre schmauchender Lemke samt Schauspiel-Entourage und einer Traube Occupy/Anti-ACTA-Aktivisten, die Lemkes Sache offenbar zur eigenen erklären wollten, fanden sich am Rande des Geschehens ein, zogen blank - Lemke hintenrum erstaunlich sonnengebräunt - und gaben Interviews wider das deutsche Filmförderungssystem im allgemeinen, gegen die Berlinale im speziellen in die Mikrofone junger Journalisten, denen die Sache zwar sichtlich schnurz war, die sich aber umso mehr über den Coup auf dem Band freuten.

"Ein nackter Arsch und das System bröckelt", wurde zuvor auf Facebook versprochen. Während Hintern entblößt und wieder eingepackt wurden, ging das Blitzlichtgewitter auf dem Teppich munter weiter. Mitgekriegt hat dort keiner was. Die Polizisten diskutierten unterdessen verwirrt, wie man da jetzt wen wegen Hausfriedensbruch drankriegen könnte, was ja schon auch wegen der Kameras ungünstig durchzuführen sei. Drinnen hatte die filmgefördete Doris Dörrie schon längst Platz genommen, um "Les Adieux a la Reine" zu sehen, der von der Französischen Revolution aus der Binnenperspektive Versailles erzählt: Keine Revolutionäre im Berlinale Palast.

Hier zahlreiche Fotos von der Aktion - sowie zwei Videos: