9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

Wissenschaft

282 Presseschau-Absätze - Seite 10 von 29

9punkt - Die Debattenrundschau vom 05.01.2021 - Wissenschaft

Nach dem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok auf Alexander Nawalny kommt Peter Richter (SZ) in Kontakt mit einem Chemiefabrikanten, der das Gegengift herstellt und ein grundsätzliches Problem der Arzneimittelproduktion, die fast nur noch in Asien sitzt, anspricht: "Er erzählte von Fabriken, die er in China und Indien gesehen hatte. Dort würden die Wirkstoffe zum Teil zwischen Straßendreck zusammengekocht. Dort seien die Qualitätskontrollen auch nicht so streng. Am Ende hätten die Kostenunterschiede dazu geführt, dass in Deutschland, das einmal als Apotheke der Welt galt, heute kaum noch chemische Wirkstoffe hergestellt würden, sondern diese fast alle aus Asien kämen. Dies wiederum sei auch angesichts dessen, was jetzt schon wegen Corona los ist, bedenklich: 'Warum haben wir in Europa keinen einzigen großtechnischen Hersteller von Antibiotika mehr? Und ich rede nicht von den Arzneimittelherstellern, die die in Tabletten pressen, ich rede von den Wirkstoffen, die wir in China und Indien kaufen müssen. Was, wenn das nächste Corona ein Bakterium ist? Und was, wenn die Asiaten dann sagen: Tut uns leid, wir können gerade nicht liefern?'"
Stichwörter: Arzneimittel, Nowitschok, Corona

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.01.2021 - Wissenschaft

Leicht abgestoßen zeigt sich Adrian Lobe in der NZZ von den Plagiatsjägern des VroniPlag Wiki, die Doktorarbeiten prominenter Politiker an die Öffentlichkeit ziehen, sich selbst aber hinter Pseudonymen wie "Stratumlucidum" verschanzen: "Zwar verwahrt sich VroniPlag Wiki gegen den Vorwurf, es sei ein Pranger. Doch der Furor, der nachgerade kriminalistische Eifer, der Zitatediebe habhaft zu werden und an ihnen ein Exempel zu statuieren - all das hat etwas Jakobinisches. Die Revolutionäre um Georges Danton waren geradezu besessen, der Aristokratie die Masken vom Gesicht zu reißen, das bigotte Schauspiel der Macht zu beenden. Genau dieses Motiv zeigt sich, wenngleich in abgeschwächter Form, bei den zeitgenössischen Moralpolizisten: Die Plagiatejagd zielt darauf ab, Politiker zu demaskieren, den falschen Glanz akademischer Weihen zu entlarven, das Podest, auf dem die Würdenträger stehen, zu demontieren."
Stichwörter: Plagiate, VroniPlag Wiki

9punkt - Die Debattenrundschau vom 31.12.2020 - Wissenschaft

Zu den positiven Ereignissen des Jahres, die zu wenig bemerkt wurden, gehören die Erfolge der Ebola-Bekämpfung, schreibt Dominic Johnson in der taz. Das Virus ist wesentlich tödlicher als etwa Corona und hat vor Jahren Tausende getötet: "Obwohl die betroffenen Regionen sämtlich zu den ärmsten der Welt gehören, wo es kaum ein Gesundheitswesen gibt, sind afrikanische Mediziner sich mittlerweile sicher, Ebola im Griff zu haben. In Guinea wurden Impfstoffe entwickelt, die später im Kongo so effektiv waren, dass sie noch vor der formalen Zulassung aus humanitären Gründen zum Einsatz kamen. Aus den vielen Seuchenausbrüchen im Kongo, in Uganda und in Westafrika sind Behandlungsmethoden entwickelt worden, die das Sterberisiko deutlich reduzieren. Trotz vieler Befürchtungen konnten alle Ebola-Epidemien Afrikas eingedämmt werden, bevor sie sich in Millionenstädten einnisten und Zehntausende dahinraffen konnten."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.12.2020 - Wissenschaft

Corona hat alles überschattet, aber 2020 war ein Jahr der Fortschritte, schreibt Michael Miersch bei den Salonkolumnisten. Der erste Fortschritt, der Impfstoff aus Gentechnik, hat direkt mit Corona zu tun. Als zweiten Fortschritt nennt Miersch die Entwicklung von Fusionsreaktoren, als dritten die erstmalige Zulassung von Fleischprodukten auf Basis von Zellkulturen. Sie könnten die Welt radikal verändern, so Miersch: ″Mehr als 60 Milliarden Nutztiere werden Jahr für Jahr geschlachtet, verkündet der 'Fleischatlas' der Heinrich-Böll-Stiftung, 58 Milliarden davon sind Hühner. Diese Tiere verbrauchen enorme Mengen Futter, Wasser und Landfläche. Sie hinterlassen Gebirge aus Kot und Seen aus Urin. Ihr Atem und ihre Darmgase tragen erheblich zum Klimawandel bei. Ganz zu schweigen von dem ethischen Dilemma, dass wir Menschen für unsere Ernährung andere Lebewesen töten, die Schmerz und Angst empfinden. Laborfleisch könnte unser aller Leben und die Ökologie des Planeten stärker verändern als das Auto, die Empfängnisverhütung oder das Internet."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 07.12.2020 - Wissenschaft

In einem epischen Interview mit Zeit online betont der Infektiologe Jeremy Farrar, wie wichtig es ist, bei einer Pandemie die Zahl der Neuinfektionen drastisch zu minimieren. Und er wünscht sich eine bessere Forschung dazu, wie Menschen sich verhalten: "In den letzten zwanzig Jahren haben wir Disziplinen wie die Anthropologie und die Verhaltenswissenschaften nicht genügend wertgeschätzt und finanziert. Wir brauchen in dieser Pandemie ganz dringend ein besseres Verständnis davon, wie Menschen leben. Wir müssen ihr Verhalten besser verstehen. Nur wenn uns das gelingt, wird man mit Verhaltensinterventionen auch Erfolg haben. Und wir müssen die Trennwände zwischen verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen einreißen, zwischen den Sozialwissenschaften, den Kommunikationswissenschaften und der Biomedizin etwa. Ein besseres Verständnis von Kultur und Verhalten wird nicht jedes Problem lösen. Aber genauso wenig schwimmt die Lösung für alles in einem Glasfläschchen mit der Aufschrift 'Impfung'."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.12.2020 - Wissenschaft

Künstliche Intelligenz kann die Faltung von Proteinen vorausberechnen und erweist sich dabei inzwischen als ebenso effizient wie die viel zeitaufwändigeren experimentellen Methoden - das ist die große Meldung über einen Erfolg von Googles KI-Ableger Deepmind in den heutigen Zeitungen. Bei golem.de schreibt Frank Wunderlich-Pfeiffer: "Die Fortschritte kamen. Langsam. Ausgehend von den experimentellen Methoden im Labor wird geschätzt, dass die Proteinstrukturen auf einer Skala von 100 Punkten mit einer Genauigkeit von etwa 90 Punkten bestimmt werden können. 1994 erreichten die besten Programme 20 Punkte in diesem 'Global Distance Test'. Bis 2016 verbesserten sich die Punktzahlen auf 30 bis 40 Punkte. 2018 stieg Deepmind mit Alpha Fold in den Wettbewerb ein und erreichte im Durchschnitt 58 Punkte. 2020 waren es fast 90 Punkte. Der KI von Alpha Fold gelang es, zwei Drittel der vorgelegten Proteine mit der Präzision von Labormessungen zu berechnen."
Stichwörter: Künstliche Intelligenz

9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.11.2020 - Wissenschaft

250.000 Corona-Tote haben die USA inzwischen zu verzeichnen. In einem wichtigen Hintergrundtext legen Alexis C. Madrigal Whet Moser in Atlantic dar, dass die Sterberate von Corona-Infizierten in den USA zwar gesunken sei, die Zahl der Infizierten aber so stieg, dass demnächst trotzdem mit 2.000 Toten täglich oder mehr zu rechnen ist. Sarah Zhang ist in Atlantic aber mit Blick auf die kommenden Impfstoffe zuversichtlich: "Das Ende der Pandemie ist nun in Sicht."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.11.2020 - Wissenschaft

Wie beim Fall Guttenberg war es bei der Doktorarbeit von Franziska Giffey die "Vroniplag"-Community, die die Plagiate in Giffeys Doktorarbeit dingfest machte, schreibt Constanze Kurz bei Netzpolitik. Giffey hat nun verkündet, auf ihren Doktortitel verzichten zu wollen und dafür viel Schulterklopfen von der SPD bekommen, aber Kurz macht da nicht mit: "Dass sie ihr Amt mit so etwas wie Einsicht aufgibt, ist nicht mehr zu erwarten. Leider scheint damit der Fall zu Guttenberg doch das geworden zu sein, was viele im Jahr 2011 nicht wahrhaben wollten: ein negativer Präzedenzfall. Auch wenn sein 'Monsterplagiat' voller kopierter Textstellen aus Zeitungen und Büchern am Ende zu seinem Rücktritt führte, so hat doch die Diskussion darum die absichtliche Täuschung bei Doktorarbeiten stark bagatellisiert. So stark, dass sich eine Ministerin bisher im Amt halten kann, obwohl ihr die 'objektive Täuschung' unzweifelhaft nachgewiesen wurde."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.11.2020 - Wissenschaft

Als die Firma Biontech  bekanntgab, mit innovativer Technologie - nämlich Gentechnik - einen Impfstoff gegen Corona gefunden zu haben, veröffentlichte die Grünen-Vorsitzende des Landes Rheinland-Pfalz ein Statement über "Vorsprung in Rheinland-Pfalz". Ludger Wess erinnert bei den Salokolumnisten daran, dass die Grünen seit Jahrzehnten eigentlich gegen Gentechnik opponieren: "Man könnte sich auch daran erinnern, dass die in Rheinland-Pfalz schon länger mitregierenden Grünen 2011 den BASF-Standort in ihrem Land zur 'gentechnikfreien Zone' erklärten und dem Konzern die Forschung so sehr erschwerten, dass er seine Forschungsabteilung in die USA verlagerte - ein Schritt, den die grüne Umweltministerin Ulrike Höfken ebenso wie die grüne Wirtschaftsministerin Eveline Lemke öffentlich begrüßte. Oder daran, dass die grüne Partei, hätte sie sich durchsetzen können, 2001 die Gründung von Ganymed, dem ersten Biotech-Unternehmen der BioNTech-Gründer, untersagt hätte. Dann wären Özlem Türeci und Ugur Sahin heute vermutlich in den USA."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 11.11.2020 - Wissenschaft

Finn Mayer-Kuckuk profiliert in der taz das Unternehmerpaar Özlem Türeci und Ugur Sahin, die beide türkischer Herkunft und in Deutschland aufgewachsen sind. Mit ihrer Firma Biontech und dem Partner Pfizer haben sie nun den ersten aussichtsreichen Corona-Impfstoff an den Start gebracht. "Der Zweck der Firma ist die Anwendung von Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) zur Therapie und Verbeugung zahlreicher Krankheiten. Medikamente von Biontech enthalten nicht den eigentlichen Wirkstoff, sondern seine Blaupause. Die Zellen des Patienten stellen die Zielsubstanz her. Türeci und ŞSahin hatten ursprünglich erwartet, dass die erste Praxisanwendung eine maßgeschneiderte Krebstherapie sein würde. Jetzt ist es die Corona-Impfung."