9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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9punkt - Die Debattenrundschau vom 25.02.2023 - Internet

Slavoj Zizek macht sich in der Berliner Zeitung große Sorgen über die Künstliche Intelligenz, wie sie sich etwa in dem Textroboter ChatGPT manifstiert: "Kurz gesagt, das Problem entsteht, wenn der Mensch, der mit einem Chatbot Nachrichten austauscht, schmutzige Sprache verwendet oder heftige rassistische und sexistische Bemerkungen macht, und der Chatbot, der so programmiert ist, dass er auf dem gleichen Niveau wie die an ihn gerichteten Fragen antwortet, im gleichen Tonfall antwortet. Die offensichtliche Antwort ist eine Art von Regulierung, die klare Grenzen setzt, das heißt Zensur - aber wer wird bestimmen, wie weit diese Zensur gehen soll?"

9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.02.2023 - Internet

Im Interview mit der taz sieht der Medienforscher Wolfgang Schulz keinen Anlass für Weltuntergangsphantasien, bloß weil KI jetzt Text kann. Könnte ja auch was Gutes dabei rauskommen, meint er. "Grundsätzlich hat eine neue Technologie immer ein großes Potenzial für den Markt. Denn kleine Unternehmen bekommen eine Chance, die großen mit ihren teilweise monopolartigen Strukturen in Bedrängnis zu bringen. Es ist also eine Chance auf Wettbewerb, und das ist gut für die Gesellschaft und die Wirtschaft. ... Aus meiner Sicht muss man zwei zentrale Punkte festhalten, wenn man sich auf den Vergleich Mensch-Maschine überhaupt einlassen und ihr Verhältnis klären will. Das eine ist die Körpergebundenheit menschlicher Intelligenz, also dass sie immer auch mit unserem Fühlen, Leiden, mit unserer Körperlichkeit verbunden ist. Und das Zweite: Wir sind soziale Wesen und vieles von dem, was wir machen, hat mit Erfahrungen zu tun, die wir mit anderen Menschen gemacht haben. Was daraus an Handlungen resultiert, kann ein technisches System vielleicht versuchen vorherzusagen. Aber ihnen fehlt diese Erfahrung. Ich habe im Augenblick wenig Anhaltspunkte für Weltuntergangsdystopien. Ich glaube aber auch grundsätzlich eher an positive Effekte neuer Technologien."

Auch Mark Siemons möchte ChatGPT - so heißt die Software, die Texte erstellen kann - in der FAS nicht verteufeln. Chancen sieht er auch in neuen Fragen, die sich Menschen stellen können. Etwa im Sinne des amerikanischen Dichters Wallace Stevens, der einst notierte: "'A poem should stimulate the sense of living and of being alive.' ... Erst wenn Informationen wieder auf Materie, auf körperlich vermittelte Erfahrung, zurückgeführt werden, besteht die Chance, sie aus den Fängen der Verwertungsmaschinerie herauszulösen. So kann das Selbstverständlichste etwas geradezu Rebellisches bekommen, einfach weil es durch die zur Gewohnheit gewordene Fixierung auf die Möglichkeiten der Apparate fast aus dem Blickfeld geraten ist."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.02.2023 - Internet

Laila Oudray erklärt in der taz, was "Algospeak" ist, eine Umgehung bestimmter Begriffe um die zensorischen Algorithmen bei Tiktok oder auch Instagram auszutricksen: Also sagt man nicht mehr "white", sondern "YT". Besonders ausgegrenzt würden auf Tiktok (und auf Instagram auch?) Themen wie Homosexualität oder Rassismus."Was, wenn man über diese Themen posten möchte, ohne Reichweite zu verlieren? Man spricht eben anders. Mit Rechtschreibfehlern, Emojis und Sonderzeichen versuchen User*innen den tyrannisch herrschenden Algorithmus zu umgehen. Die Journalistin Taylor Lorenz von der Washington Post hat dem Phänomen eine eigene Bezeichnung gegeben: 'Algospeak'." Oudray findet das Thema gar nicht lustig und fordert Beauftragte: "Die Politik ist gefragt. Hier geht es nämlich nicht um eine kleine Plattform, wo sich irgendwelche Teenies tummeln, sondern um ein mächtiges Instrument, das schon jetzt die politische Debatte prägt."

Der SZ liegen zwei Millionen interne Dokumente vor, die von der Hackergruppe Belarusian Cyber Partisans geleakt wurden. Darin ersichtlich ist, wie die russische Aufsichtsbehörde Roskomnadsor (RKN) alle Informationskanäle in und nach Russland zu kontrollieren versucht: "Die Zensurbehörde RKN soll das russische Internet sauber halten, frei von Verstößen gegen die Gesetze und Regeln des Landes. Dazu gehören pornografische Inhalte mit Minderjährigen und Gewaltdarstellungen. Wegen solcher Inhalte ermitteln auch deutsche Staatsanwaltschaften und Polizeien, doch damit enden die Gemeinsamkeiten. Denn im russischen Internet ist es auch verboten, Bilder von nicht-heterosexuellen Beziehungen zu veröffentlichen oder den Angriffskrieg gegen die Ukraine als solchen zu bezeichnen. Artikel, Videos und andere Beiträge, die vom offiziellen Narrativ des Kremls abweichen, soll RKN schnellstmöglich zensieren. (…) RKN-Mitarbeiter gehen die Listen verdächtiger Posts durch, um die Stimmung in der Bevölkerung zu beobachten, frühzeitig auf regionale Protestaufrufe aufmerksam zu werden und Unruhestifter zu identifizieren. Verstößt ein Post oder Kommentar gegen russische Gesetze, stellt die Behörde Löschanfragen an Youtube, Facebook oder Odnoklassniki." Um das System zu perfektionieren, wird an "hauseigenen KI-Systemen" gearbeitet.

Künstliche Intelligenzen wie Chat-GTP basieren auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen und führen dadurch mitunter in "Sackgassen", schreibt Andrian Kreye ebenfalls in der SZ: "Der australische Ökonom und Schachgroßmeister David Smerdon führte das vergangene Woche mit einer einfachen Frage an Chat-GPT vor: 'Welches ist die meistzitierte wirtschaftswissenschaftliche Arbeit aller Zeiten?' Die Antwort kam prompt: ',A theory of economic history' von Douglass North und Robert Thomas, die 1969 im Journal of Economic History veröffentlicht wurde.' Die beiden Autoren gibt es, die zitierte Arbeit aber nicht, deswegen konnte sie 1969 auch nicht in der englischen Fachschrift erscheinen. Hakt man in solchen Fällen bei Chat-GPT nach, beharrt die KI erst auf ihrem Fehler. Dann gibt es Ausreden. Ist man zu hartnäckig, meldet sich der Chatroboter mit einer Fehlermeldung ab."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.01.2023 - Internet

Jakob Schirrmacher führt in der Welt durch das Gestrüpp geplanter EU-Netzregulierungen und fürchtet Internetzensur. Die gute Absicht kann Ungeheuer gebären, meint er mit Blick auf das deutsche NetzDG: "Anzumerken ist, dass das NetzDG mittlerweile als Zensurinstrument von vielen autokratischen Staaten übernommen wurde. Eine vorangegangene Studie von 'Justitia', ein dänisch juristischer Thinktank, zum NetzDG, zeigt auf, dass mindestens 13 Staaten viele der im NetzDG definierten Regeln der Internet-Regulation übernommen haben. Darunter Venezuela, Russland, Indien, Kenia, die Philippinen und Malaysia. Autoritäre Systeme benutzen die Gesetze für ihre eigene Agenda, um beispielsweise 'Fake News', 'Anti-Regierungs-Propaganda' und 'Hatespeech' zu löschen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.01.2023 - Internet

Die Zeit der Witze über dier AI-Software Chat GPT ist vorbei, konstatiert Andrian Kreye in der SZ: "Die ganze digitalisierte Welt spielte mit dem Ding herum. Doch nun setzt Panik ein. Vor ein paar Tagen bestand Chat GPT die Zulassungsprüfung für amerikanische Ärzte, dann die für Anwälte und schließlich auch noch die Diplomprüfung für den Masters of Business Administration an der Ivy-League-Wirtschaftsuniversität Wharton School. Immerhin mit der Note Zwei minus." Inzwischen wurde schon eine App namens GPT Zero programmiert, die nachweisen kann, ob ein Text mit Künstlicher Intelligenz geschrieben wurde: "Mehr als 6.000 Dozenten und Professoren von Universitäten wie Harvard, Princeton und Yale haben sich schon auf die Warteliste eingetragen. Die Testversion ist dauerüberlastet."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 26.01.2023 - Internet

Der Internetkritiker Adrian Lobe schlägt in der taz Alarm. KI-Programme wie Chat GPT, die von immer mehr Menschen genutzt werden, um scheinbar versierte Texte zu erstellen, schöpfen ihre Formulierungsvorschläge aus Texten, die im Internet vorliegen und reproduzierten damit Stereotypen: "So haben Forscher der Entwicklerorganisation Open AI in einer Studie herausgefunden, dass GPT-3 weibliche Pronomina mit tendenziell sexistischen Adjektiven wie 'naughty' (unanständig, verrucht) und 'gorgeous' (wunderschön) verknüpft, während Männern eher geschlechtsneutrale Eigenschaften wie 'sympathisch' oder 'groß' zugeschrieben werden." Und dann ist da noch die Gefahr des Eurozentrismus: "Die westliche Kultur fängt jedoch gerade erst an, die vielstimmige afrikanische Literatur zu hören - die Vergabe des Literaturnobelpreises 2021 an den tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah liefert davon Zeugnis. Wie also lässt sich mehr Diversität herstellen?"

Auch der Medienrechtler Rolf Schwartmann fürchtet in der FAZ, dass die Datenbasis von Chat GPT politische Schlagseite haben könnte: "Welche Partei würde ChatGPT wählen? Das lässt sich feststellen, indem man die Wahl-O-Mat-Fragen, mit denen jeder seine potenzielle Wahlentscheidung auf Basis von Wahlprogrammen ermitteln kann, dem Bot stellt. Das im Netz geteilte Ergebnis ergab eine Präferenz von jeweils gut 76 Prozent für Grüne und Linke, 73 für SPD, 56 für FDP, 48 für CDU/CSU und 31 für AfD. Die Auswertung der Datenbasis, auf die der Bot zugreift, bildet offenkundig nicht die Realität ab. Sie erzeugt einen Zerrspiegel zugunsten des linken Parteienspektrums." Wie das Programm zugleich mit 76 Prozent für Grüne und Linke, 73 für SPD votieren kann, erklärt der Professor nicht.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 10.01.2023 - Internet

Vorgestern wäre Joseph Weizenbaum 100 Jahre alt geworden, einer der Mitbegründer und schärfsten Kritiker der KI, erinnert uns Wolfgang Coy in netzpolitik. "In seinem Hauptwerk beschreibt er, wie schockiert er darüber war, dass eine kurze Interaktion mit einem geschickt geschriebenen Computerprogramm ausreichte, um ein powerful delusional thinking hervorzurufen. Zehn Jahre nachdem er ein lächerliches, kurzes Programm geschrieben hatte, das die Karikatur einer Unterhaltung zeigen sollte, schreibt er in Computer Power and Human Reason: "Diese Reaktionen auf ELIZA haben mir deutlicher als alles andere bis dahin Erlebte gezeigt, welch enorm übertriebenen Eigenschaften selbst ein gebildetes Publikum einer Technologie zuschreiben kann oder sogar will, von der es nichts versteht."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.01.2023 - Internet

"Es gibt im Kontext der Digitalisierung ebenfalls eine letzte Generation. Eine Generation, die entweder einen sinnhaften digitalen Wandel möglich macht - oder vom digitalen Wandel überrannt werden wird, ohne ihn sinnvoll mitgeprägt zu haben", warnt in netzpolitik die Entwicklerin Bianca Kastl angesichts von Pandemie, Klimakrise und Energiekrise. Mit der Digitalisierung dann stünden endlich auch Zahlen übergreifend bereit, die man dringend bräuchte, um der Krisen Herr zu werden. Auf einen Strukturwandel der Behörden können wir nicht mehr warten, meint Kastl, es geht auch so: "Gerade im Netz haben wir gelernt, durch unterschiedliche Hierarchien und Strukturen sowie über Länder und Kontinente hinweg zueinander zu finden, miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. Wir sollten daher den Wert offener technischer Standards, gemeinsamer Datenformate und flacher Netzstrukturen längst verstanden haben, weil wir täglich von diesen profitieren. Der Minimalanspruch sollte daher lauten: Behalte deine Organisationsstruktur, wenn es unbedingt sein muss und sich darin dein Machtanspruch begründet. Aber sei offen, dich bis auf unterster Arbeitsebene direkt mit anderen zu vernetzen."

Außerdem: In der taz berichtet Jannis Hagmann von Vorwürfen der Rechtsorganisationen Smex und Dawn, Saudi-Arabien habe gezielt Wikipedia-Autoren als Agenten "rekrutiert und auf diese Weise die Plattform 'infiltriert'". Wikipedia weist die Vorwüfe zurück.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 06.01.2023 - Internet

FAZ-Medienredakteur Mchael Hanfeld findet die "Twitter Files" zwar interessant, aber er kritisiert, wie sie von Bari Weiss und anderen Journalisten publiziert wurden - von Gnaden Elons Musks. Die "Twitter Files" sollen nachweisen, wie intransparent und regierungshörig das alte Twitter auf Zensurforderungen reagierte: "Musks vermeintlich gute Absichten mit Twitter könnten die 'File'-Autoren untermauern, gingen sie transparent vor und hörten auf, wie es ihnen der Twitter-Boss diktiert hat, ihre Story häppchenweise zu veröffentlichen. Die Welt braucht mehr als diese 'Files'." Hanfeld verweist eher zustimmend auf die Antworten des ehemaligen Twitter-Chefs Jack Dorsey zu den Twitter Files, hier und hier. Mehr zu dem unübersichtlichen Thema hier.

9punkt - Die Debattenrundschau vom 04.01.2023 - Internet

Jakob Schirrmacher beleuchtet in der Welt die "Twitter Files", die hierzulande kaum wahrgenommen wurden - wohl auch, weil sie vom Oberchaoten Elon Musk freigegeben wurden. Sie zeigen, wie die vorherige Twitter-Leitung einerseits Regierungsvorgaben von Ländern wie Pakistan folgte, weil das soziale Medien nun mal tun, wenn sie in solchen Ländern operieren wollen, und andererseits, dass viele Entscheidungen intransparent und willkürlich sind und Nutzer oft nicht mal wissen, dass sie Opfer von "Shadowbanning" und ähnlichen Techniken sind: "Die Glaubwürdigkeit verliert sich in der Verschleierung. User, die nicht wissen, ob und warum sie 'geblacklistet' wurden, oder der Ausschluss von Wissenschaftlern aus der Diskussion über global relevante Themen sind durchaus als demokratiegefährdend zu betrachten. Hier sollten aber vor allem auch regierungsnahe Organisationen dafür zur Rechenschaft gezogen werden, eine so stringente Content-Politik einzufordern. Nicht zuletzt hat die Europäische Kommission Elon Musk mit harten Sanktionen gedroht, falls dieser nicht härter gegen 'Desinformationen' im Kontext der Corona-Pandemie vorgeht. Doch wer bestimmt hier eigentlich, was Desinformation ist und was nicht?"