Magazinrundschau - Archiv

The Spectator

155 Presseschau-Absätze - Seite 3 von 16

Magazinrundschau vom 17.08.2010 - Spectator

Alles hängt und drängt zur Stadt, stellt Doug Saunders fest. Und das ist gut so. Die wichtigste Kraft im 21. Jahrhundert seien nämlich weder Kriege noch Rezession noch der Klimawandel, sondern die Urbanisierung. Nach UN-Schätzungen werden 2050 zwei von drei Menschen in Städten leben. "Warum ist es wichtig, jetzt darüber nachzudenken? Denken wir doch mal an die Folgen, zum Beispiel im Hinblick auf die Entwicklungshilfe. Wenn wir arme Länder mit Hilfsgeldern versorgen, damit Dorfbewohner weiterhin Subsistenzfarmer bleiben, so wie das viele Wohlfahrtsorganisationen und Regierungsbehörden gerade tun, dann machen wir einen furchtbaren Fehler. Das Landleben ist nicht romantisch. Das Leben auf dem Land ist der größte Menschenvernichter der Gegenwart, die größte Quelle von Unterernährung, Kindersterblichkeit und vorzeitigem Tod. Es kann sein, dass urbane Armut eine Mutter zwingt, ihr Kind auf die Straße zu schicken, damit es sich als Verkäufer verdingt, auf dem Land wird dieses Kind an Hunger sterben. In der Stadt verhungern generell kaum Menschen. Die Einkommen der Stadtbewohner sind überall höher, oft um eine Vielfaches, der Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wasser, Abwasserreinigung wie auch Kommunikation und Kultur sind immer besser in der Stadt."

Magazinrundschau vom 15.06.2010 - Spectator

Das Musikfestival in Glastonbury? Würde Brendan O'Neill nie freiwillig hinfahren. "Wenn sie das Wort Glastonbury hören, denken die meisten Leute an Matsch, Drogen, Besäufnis, moshing, freie Liebe, Kiffen - harmloses Rumexperimentieren auf einem Acker. Nun, mit dem Matsch haben sie recht. Aber hippieske Selbstexeperimente gibt's hier nicht, im Gegenteil. Das Glastonbury Musikfestival ist eine streng geregelte Zusammenkunft von Mittelklasse-Masochisten, denen es nichts ausmacht, drei lange Tage von herumschnüffelnden Polizisten und spaßverderbenden Grünen rumkommandiert zu werden. Glastonbury erinnert heute an ein Konzentrationslager der Subkultur - komplett mit CCTV-Kameras und 'Wachtürmen' (ihr Ausdruck, nicht meiner)."

Michael Attenborough, der gerade Ingmar Bergmans "Wie in einem Spiegel" für die Bühne inszeniert, beschreibt im Interview sein Theater Almeida so: "Wir sind unangepasst, unberechenbar, katholisch, eklektisch. Mal ist es Shakespeare, dann ein Musical, dann ein neues Stück oder ein ausländischer Klassiker. Es gibt nur eine Forderung am Almeida: Gehe Risiken ein und sei aufregend."

Magazinrundschau vom 04.05.2010 - Spectator

Am 6. Mai ist Wahl in Großbritannien. Durch die unerwartet starken Liberaldemokraten könnte es zu Koalitionen kommen, die an zwei große Parteien gewöhnten Briten sind verwirrt, und auf Partys kommt man mit jeder Theorie zur Wahl weg, so abwegig sie auch sein mag, behauptet Hugo Rifkind. "Eine Strategie ist, irgendetwas zu behaupten und sich dann zu überlegen, wie man es begründen könnte. 'Die BNP (British National Party) werden die wahren Gewinner sein', erzählte ich einer Freundin meiner Frau. Ich wollte mal gucken, ob sie mich damit durchkommen lässt. 'Wirklich?', sagte sie, 'aber Nick Robinson (hier sein Wahlblog auf BBC) sagt, die anderen kleineren Parteien leiden unter dem Aufschwung der LibDems'. 'Ach was', sagte ich. 'Hör nicht auf den alten Schwindler. Er hat natürlich unrecht. Ein Parlament ohne absolute Merheit führt nämlich zu Wahlreform, und das führt zum Verhältniswahlrecht, und dann werden Großbritanniens extremistische Parteien das Zünglein an der Waage sein genauso wie die ultra-orthodoxen im isrealischen System.' 'Oh', sagte sie, und klang tatsächlich beeindruckt. Es könnte sogar stimmen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung."

Magazinrundschau vom 27.04.2010 - Spectator

Für den Spectator läuft gerade etwas ziemlich schief im Staate Großbritannien. Noch zwei Wochen bis zur Wahl, und Nick Clegg von den Liberaldemokraten hat David Cameron überholt. Cameron hätte nie diesem neumodischen TV-Duell zustimmen sollen, seufzt Toby Young. Clegg sei da schwer zu schlagen. "Clegg hat Neuigkeitswert. Er ist der Überraschungskandidat, hinter den sich die Öffentlichkeit stellen kann, um den Gang der Dinge zu stören. Ihn zu unterstützen ist eine Art, den Wettbewerb in Besitz zu nehmen. Dieses Modell ist altbekannt, aber es ist kein Modell einer Parlamentswahl. Wir kennen das von X Factor. Simon Cowell hat vor ein paar Monaten gesagt, dass es wohl einen Weg geben müsste, um eine Realityshow über Politik zu machen, und die Premierminister-Debatten sind genau das, wie sich herausgestellt hat. In Amerika, wo die Präsidentendebatten aufkamen, bevor Reality das Fernsehen dominiert hat, werden sie von den Zuschauern nicht so aufgefasst. Aber in Großbritannien sind die Debatten neu, und sie werden durch die Linse der Realityshow betrachtet." Was sagt der Spectator erst, wenn er den Internet-Wahlkampf entdeckt?

Magazinrundschau vom 26.01.2010 - Spectator

Wegen Gordon Browns Steuerplänen bereitet sich die halbe Londoner City auf einen Umzug nach Genf oder Zürich vor, wie Martin Vander Weyer meldet. "Wenn ihre Pläne schon so weit gediehen sind, dass sie sich tatsächlich zwischen einem der beiden schweizerischen Finanzzentren entscheiden müssen, hier ein schneller Lehrgang: Beide Städte sind erschreckend klein gegenüber London, und in beiden sind Büroflächen knapp. Die Memoiren des Privatbankiers Hans J. Baer 'It's not all about money' ist ein nützlicher Führer zu der fremdenfeindlichen Dumpfheit der Zwergenstadt Zürich. Genf ist kosmopolitischer, und es gibt ein gutes Steak im Cafe de Paris in der Rue du Mont Blanc - aber dann gibt es da auch das Risiko, von seiner Domina im Latexanzug erschossen zu werden, wie es dem Finanzier Edouard Stern in seinem Appartement in der Rue de Villereuse im Jahr 2005 passiert ist. Alles in allem würde ich empfehlen, doch in Mayfair zu bleiben." Mit einer Orange im Mund?

Magazinrundschau vom 12.01.2010 - Spectator

Eine Träne rollt, als Harry Mount zu einem englischen Nationalheiligtum leise Servus sagen muss. "Nach mehr als 200 Jahren dürfen wir uns von einem typisch britischen Stil verabschieden. Der Shabby Chic ist weggesaugt, ausgebleicht und chemisch weggereinigt worden. Ausgefranste Hemdkragen, Eigelb auf der Krawatte, Soßenflecken im Schritt, wild über die brüchigen Terrassenfliesen wuchernde Rosenbüsche, Wände vollgepflastert mit Bildern, Tische bedeckt mit schwankenden Buchstapeln. Das so britische Gefühl eines verfallenen Adelsstandes wurde von einer Kombination aus Minimalismus, Modernismus und Nihilismus hinweggefegt. Wir leben zum ersten Mal in der Geschichte in einer Zivilisation, in der man immer weniger besitzt, je reicher man ist, die Dinge dafür aber immer neuer, sauberer und reduzierter sein müssen. Shabby Chic bedeutete das Gegenteil. Die Idee war, dass man bei steigendem Vermögen nicht nur immer mehr Dinge hatte, sondern diese auch älter und heruntergekommener zu sein hatten. 'Ich habe so viel Zeug, natürlich wird es staubig und angeschlagen', so war das Mantra, 'aber es ist so stilvoll, dass es nie aus der Mode kommen wird.'"

Magazinrundschau vom 15.12.2009 - Spectator

Leah McLaren war noch nicht lange in London, als sie auf eine Party eingeladen wurde. Bedingung: ausgefallene Kleidung. Für die Kanadierin bedeutete das ein schickes Cocktailkleid. An der Haustür des Gastgebers erlebte sie dann einen Clash of Civilizations aus nächster Nähe, als eine Frau öffnete, deren bloße Brüste als Zielscheibe dekoriert waren. "Als ich mich wieder gefangen hatte, schaffte ich es tatsächlich, mich auf der Party zu amüsieren, obwohl ich mich wie eine Schuldirektorin in Sodom und Gomorrha fühlte. Der Abend, der von Kunst- und Medientypen aus dem Westen Londons bevölkert war, sprudelte über vor Nazis, Dominas, Pornstars, unzähligen Männer in Drag-Outfit, Frauen in Reizwäsche, einem Model mit Bikini und Jesusbart und einem Pärchen (es zu erklären, wäre zu kompliziert), das sich gemeinsam als 'Vagina dentata' verkleidet hatte. Es war ein Mordsspaß. Es wurde schnell klar, dass das Gebot zur 'ausgefallenen' Kleidung von allen mit größtem Aufwand befolgt wurde, abgesehen von mir, der tumben Kanadierin. Denn wie schon A. A. Gill sagt: 'Ausgefallene-Kleider-Parties sind im Gegensatz zu emotionaler Offenheit, Kinderbetreuung und Pediküren eine jener inkonsequenten und nebulösen kleinen Sachen, denen sich der Engländer mit einer unendlichen, verbissenen, Alles-oder-Nichts-Attitüde widmet.' Die Frage ist: warum?"

Magazinrundschau vom 10.11.2009 - Spectator

Für den Spectator war der Fall der Mauer ein Erfolg, den das Magazin persönlich nahm. Gefeiert wird mit Berichten über die Anbiederungen der Labour-Partei an die Sowjetunion in den Siebzigern (wie Maggie Thatcher in den Achtzigern Kohle aus der Sowjetunion liefern ließ, um den Streik der britischen Bergarbeiter zu brechen, ist dann wohl in der nächste Woche Thema). Aber es gibt auch die Erinnerungen des damaligen Osteuropa-Korrespondenten des Spectator, Timothy Garton Ash: "Die wunderbarste war die Samtene Revolution in Prag. Aus den Eingeweiden des unterirdischen Laterna-Magika-Theaters dirigierte der Dissidenten-Dramatiker Vaclav Havel sein größtes Stück, in dem er selbst auch die Hauptrolle spielte: 300.000 Menschen waren sein Ensemble, Tag für Tag versammelte es sich auf dem Wenzelsplatz, eine der größten und besten Bühnen der Welt. Tja, Pech gehabt, Cecil B. de Mille."

Magazinrundschau vom 13.10.2009 - Spectator

Nicht Rassismus ist das Problem in Großbritannien, schreibt Samir Shah, sondern das Zusammenglucken kultureller Milieus. Das aber betrifft nicht nur eine Gruppe, sondern zieht sich durch alle Schichten. "Eltern bestimmter muslimischer Gruppen neigen dazu, ihre Kinder so aufziehen, dass sie niemals mit Mitgliedern anderer Kulturen interagieren müssen und vermindern so die Fähigkeit ihrer Kinder voranzukommen." Auf der anderen Seite haben in den eher linken Medien Rechte kaum eine Chance. Denn die Leute, die in den Medien Entscheidungen treffen - "weiße Mittelschicht, großstädtisch, liberal, männlich - glauben alle, die besten Leute für den Job seien, äh, weiße Mittelschicht, liberal, großstädtisch und männlich. Dieses Phänomen als institutionellen Rassismus zu beschreiben, wie viele geneigt sind, geht meilenweit an der Sache vorbei. Denn das eigentliche Problem ist, was ich 'kulturelles Klonen' nenne - der menschliche Hang, sein eigenes Abbild zu bevorzugen. Bei Einstellungen geht es nicht mehr darum, die besten Leute herauszusuchen, sondern darum, Leute wie diejenigen zu finden, die bereits da sind. Das überwältigende Bedürnis nach einer kulturelle Wärmedecke gewinnt vor allen anderen Überlegungen Vorrang - und sondert die aus, deren Hintergrund nicht ganz passt. Das sollte eine Gleichstellungskommission im 21. Jahrhundert im Blick behalten."
Stichwörter: Mittelschicht, Rassismus

Magazinrundschau vom 22.09.2009 - Spectator

Philip Hensher freut sich über Italo Calvinos gesammelte Erzählungen "Cosmicomics", die jetzt endlich auf Englisch erschienen sind, und applaudiert dem Autor: "Einige Schriftsteller verbringen ihre Karrieren zufrieden damit, das immer gleiche Buch zu variieren. Andere scheinen mit jedem neuen Werk ihre Idealvorstellung von einem Buch noch einmal zu überdenken. Nur einige wenige jedoch haben eine Karriere, die wie eine geplante Flugbahn in völlig unbekanntes Gebiet anmutet. Man würde Tolstois späte Fabeln nicht von seinen ersten autobiografischen Sketchen ableiten oder die opaque Magie von James Joyces 'Finnegans Wake' im robusten Realismus der 'Dubliners' vermuten. Und doch sind alle Zwischenschritte ganz genau geplant, und die Karriere ist vollkommen schlüssig."
Stichwörter: Joyce, James