Magazinrundschau - Archiv

L'Espresso

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Magazinrundschau vom 10.03.2009 - Espresso

Der kleine Mann hat genug vom Kapitalismus, wie ihn der Weltwährungsfonds predigt. Das beobachtet die kanadische Publizistin Naomi Klein (hier auf Englisch) von Argentinien bis Rejkjavik mit einer gewissen Genugtuung: "Was diesen globalen Protest [gegen den deregulierten Kapitalismus] eint, ist die Ablehnung der Lehre von der 'außergewöhnlichen Politik' - einen Begriff, den der polnische Politiker Leszek Balcerowicz prägte, um zu beschreiben, wie Politiker in einer Krise die Legislative ignorieren und unpopuläre 'Reformen' durchsetzen. Dieser Trick wird langsam alt, wie Südkoreas Regierung kürzlich entdeckte. Im Dezember wollte die regierende Partei die Krise dazu benutzen, ein umstrittenes Freihandelsabkommen mit den USA durchzuboxen. Indem sie die Politik der verschlossenen Türen ins Extreme trieben, schlossen sich die Abgeordneten im Parlament ein, um in Ruhe abzustimmen. Die Türen wurden mit Schreibtischen, Stühlen und Sofas verbarrikadiert. Die Opposition wollte das nicht hinnehmen. Mit Vorschlaghämmern und einer Elektrosäge brachen sie durch die Barrieren und veranstalteten ein zwölftägiges Sit-In. Die Abstimmung wurde verschoben, eine weitere Diskussion ermöglicht - ein Sieg für eine neue Art von 'außergewöhnlicher Politik'."

Magazinrundschau vom 03.03.2009 - Espresso

In Italien entstand die sagenhaft erfolgreiche Geschäftsidee, Zeitungen zusammen mit irgendeinem Zusatz als Bündel zu verkaufen. Jetzt ist auch Umberto Eco mit dabei. Zusammen mit der Tageszeitung La Repubblica bringt der Espresso das Mittelalter in einer Fortsetzungsreihe an den Mann. Der Führer durch den 81 Seiten starken ersten Band ist natürlich der Autor von "Der Name der Rose". In der im aktuellen Heft in Auszügen abgedruckten Einleitung für die Buchreihe bemüht sich Eco, den schlechten Ruf seiner Lieblingszeit aufzupolieren. Ja, manche "mystisch inspirierten" Terroristen der Gegenwart würden uns gerne in das Mittelalter zurückbomben, aber: "In den Städten entstanden damals die unterschiedlichsten Formen des Wirtschaftens und die Banken, zusammen mit Kreditverschreibungen, Scheck und Wechsel. Und dann gibt es da noch alle jene mittelalterlichen Erfindungen, die wir heute noch als Erscheinungen unserer Zeit benutzen: der Kamin, das Papier als Ersatz fürs Pergament, die arabischen Zahlen, im 12. Jahrhundert notiert im 'Liber Abaci' von Leonardo Fibonacci, die doppelte Buchführung, die Musiknoten von Guido d'Arezzo - Außerdem zu verzeichnen sind Knöpfe, Unterhosen, Hemden, Handschuhe, Schubladen, Hosen, Spielkarten, Schach und Fensterglas. Im Mittelalter begannen wir uns an den Tisch zu setzen (die Römer speisten im Liegen) und mit der Gabel zu essen."

Magazinrundschau vom 24.02.2009 - Espresso

Der Frühling ist auch in Italien nicht weit, doch aufgrund der Etatkürzungen und der allgemeinen Lustlosigkeit im "Ministero per i Beni e Attivita Culturali" ruft der Espresso den italienischen "Kulturherbst" aus. Kultur steht bei der derzeitigen Regierung so weit hinten auf der Liste der Prioritäten, dass Berlusconi-Protege Sandro Bondi nach einem Jahr als Kulturminister Gerüchten nach demnächst das Handtuch werfen will. Salvatore Settis, der Leiter des wissenschaftlichen Beirats des Kulturministeriums, wünscht sich im Interview einen Sarkozy nach Italien. "Nicht für das Kulturministerium, sondern eine Etage drüber: um das Ressort zu verteidigen. Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, reagiert die italienische Regierung mit der Kürzung des Kulturetats. Die französische Regierung tut genau das Gegenteil: schon im vergangenen September versicherte Präsident Sarkozy, dass man in Krisenzeiten in die Kultur investieren muss(...) Sarkozy, dem man wahrlich nicht nachsagen kann, er sei ein Kommunist, hat sofort gehandelt. Er hat die Öffnungszeiten der Museen verlängert und dafür gesorgt, dass mehr Leute freien Eintritt genießen. Das ist kein Tabu: so macht es die National Gallery und auch das British Museum. Ja, der Staat gibt mehr aus, aber es lohnt sich: das ist ein großartiger Beitrag zur menschlichen und staatsbürgerlichen Bildung."
Stichwörter: British Museum, Benin, Kulturetat

Magazinrundschau vom 17.02.2009 - Espresso

Umberto Eco sorgt sich um unser kulturelles Gedächtnis und fährt bei seinen Büchern lieber zweigleisig. "Ich bin kein Ewiggestriger. Auf einer tragbaren Festplatte von 250 Gigabyte habe ich die Meisterwerke der Weltliteratur und die Geschichte der Philosophie gespeichert: es ist viel angenehmer, dort in wenigen Sekunden ein Zitat von Dante oder aus der 'Summa Theologica' herauszusuchen als aufstehen und einen schweren Band aus viel zu hohen Regalen wuchten zu müssen. Trotzdem bin ich froh, dass diese Bücher weiterhin in meinen Regalen stehen, sie sind eine Erinnerungsgarantie, falls die elektronischen Apparate einmal über den Jordan gehen." Bücher sind die festverzinslichen Wertpapiere des Erinnerungsmarktes, meint Eco. "Wenn ich meinen Computer oder mein E-Book aus dem fünften Stock schmeiße, kann ich todsicher sein, dass alles verloren ist. Ein Buch bekommt höchstens einen Knick."

Magazinrundschau vom 03.02.2009 - Espresso

Das bettelarme Institut francais in Berlin ruft um Hilfe, die Institute in Neapel und Sarajevo stehen kurz vor der Schließung. Frankreich spart seine Kultur kaputt, fürchtet der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun in einem Beitrag, der noch vom Ende des vergangenen Jahres stammt, aber nach wie vor trägt. Der sparwütige Sarkozy sollte sich das jedoch zweimal überlegen, meint er. Sieht man doch an den Preisträgern des Prix Goncourt und des Prix Renaudot, dass die französische Kultur nicht mehr im Kern, sondern nur noch an ihren Rändern lebt. "Frankreich hat ein wenig gebraucht, um zu begreifen, dass seine Sprache mehr außerhalb seiner Grenzen gesprochen und benutzt wird als innerhalb. Dort draußen befinden die Literaturen, die ihre so unterschiedlichen Visionen und Bilder auf Französisch beschreiben. Das gilt für diverse Länder Afrikas, der arabischen Welt, vor allem des Maghreb, das gilt für Kanada, für Belgien und für die Schweiz, die Antillen nicht zu vergessen. Sie alle zusammen bilden einen Reichtum, der eine Sprache und eine Zivilisation ernährt und am Leben hält. Das Konzept der Frankophonie, wie das der Negritude, blüht im Umfeld von Kultur und Politik besonders auf und stellt ein Konzept dar, mit dem Frankreich wieder in die Interessen und die Lebenswelt seiner Ex-Kolonien eintauchen und die Beziehung mit ihnen am Leben halten kann."

Magazinrundschau vom 20.01.2009 - Espresso

Vor drei Jahren hat Andrzej Stasiuk (mehr) auf dem Marktplatz des alten Seebades Budva in Montenegro einen Kaffee getrunken und ein Fußballspiel angeguckt, zwischen Montenegro und Transnistrien. Und da kam ihm dieser Gedanke: Früher sind Staaten entstanden, weil Völker unabhängig sein wollten, heute werden Nationen konstruiert, weil es zum Geschäftsmodell passt. "Transnistrien wird nur von Transnistrien anerkannt und stillschweigend von Moskau geduldet. Der größte Reichtum des Landes sind die riesigen Waffenlager, die von den Sowjets zurückgelassen wurden. Es gibt Grenzbefestigungen, eine Landeswährung, und alles wird regiert von der Familie Smirnov, die einer Mafiafamilie doch sehr ähnelt. Während des lauen adriatischen Sonnenuntergangs hatte ich das Gefühl, eine alternative Realität zu beobachten. Die Welt, Europa, all das existierte noch, aber parallel dazu entstand eine völlig neue Ordnung. Zwei nicht existierende Länder treten durch ein internationales Fußballspiel in Verbindung und übertragen es im Fernsehen. Die Männer am Nebentisch waren in Stimmung. Sie begeisterten sich für ihr inexistentes Land. Aber auch die Mannschaft von Transnistrien hatte etwas vorzuweisen: sie spielte in ihrem eigenen Nationalstadion, das in Tiraspol mit dem Geld Smirnovs gebaut worden war, des Kommunisten, Gangsters und Waffenhändlers."

Magazinrundschau vom 13.01.2009 - Espresso

Die Faszination für bizarre Reliquien ist beileibe keine christliche Marotte, betont Umberto Eco in seiner Bustina di Minerva. Jede Religion konserviert Fundstücke aus ihrer Geschichte, und auch Atheisten bestaunten schließlich die Mumie von Lenin oder den Cadillac von Elvis Presley. Allerdings hat die Kirche, das muss auch Eco zugeben, eine unerreichte Verfeinerung des Reliquienwesens erreicht. "Wir wissen zum Beispiel, dass der Kopf von Johannes dem Täufer in der Kirche San Silvestro in Capite in Rom ruht, währen eine frühere Überlieferung ihn in der Kathedrale von Amiens verortete. Aber dem in Rom verwahrten Kopf fehlt der Unterkiefer, der in der Kathedrale San Lorenzo in Viterbo aufbewahrt wird. Der Teller, auf dem der Kopf von Johannes lag, befindet sich in Genua, in der Schatzkammer der dortigen San Lorenzo-Kathedrale, zusammen mit der Asche des Heiligen. Ein Teil dieser Asche findet sich aber auch in der antiken Kirche der Benediktinermönche in Loano, während man einen Daumen im Dommuseum vom Florenz besichtigen kann. Von den Zähnen liegt einer in der Kathedrale von Ragusa und ein anderer, zusammen mit einer Haarsträhne, in Monza. Von den restlichen dreißig Stück weiß man nichts."

Magazinrundschau vom 06.01.2009 - Espresso

Eine Herzensangelegenheit hat Silvio Berlusconi in seiner aktuellen Amtszeit schon erledigt, notiert Marco Damilano: Telefonüberwachungen sind nun stark eingeschränkt, Journalisten drohen drei Jahre Haft, wenn sie heimlich Mitgeschnittenes veröffentlichen. Aber wie ein Maßanzug sitzt dem Cavaliere das Land erst, wenn sein größtes Projekt abgeschlossen ist: die Direktwahl des Präsidenten. Es könnte klappen, meint Damilano. "Manche glauben, dass der Weg zum Präsidentialismus schon in der zweiten Hälfte dieses Jahres beschritten werden könnte. (...) Falls man also in der zweiten Jahreshälfte 2009 beginnt, darüber zu diskutieren, könnte bis Ende 2010 die Zustimmung der Legislative erfolgt sein. Gerade rechtzeitig, so hat es der Cavaliere schon angekündigt, um dann die Bürger über den Präsidentialismus abstimmen zu lassen, wie es der Artikel 138 der Verfassung vorsieht." Dies wäre "etwas Ähnliches wie das Referendum von 1946, bei dem die Italiener zwischen Monarchie und Republik entschieden haben. Aber dieses Mal wäre es ein Referendum für oder gegen den Cavaliere, der davon träumt, als Gründer der Dritten Italienischen Republik in die Geschichtsbücher einzugehen. Zum Quirinal emporgehoben, vom Willen des Volkes."

Magazinrundschau vom 30.12.2008 - Espresso

Umberto Eco führt die in der vergangenen Woche begonnene Evaluation des Entschuldigens fort. Der Papst hat sich für die Verfolgung Galileis entschuldigt. Aber wer sollte für Vietnam um Vergebung bitten? Obama? Kerry? Einer der Kennedys? Und wer für die Exekution der Romanows am 1917? "Es gibt noch mehr peinliche Fälle. Wer bittet um Vergebung für Ptolemäus, der letztlich für die Verurteilung Galileos verantwortlich ist? Wenn er tatsächlich, wie man sagt, in Ptolemais Hermii in der lybischen Provinz Kyrenaika geboren würde, müsste es Ghaddafi sein, aber wenn er in Alexandria geboren wurde, dann sollte sich die ägyptische Regierung entschuldigen. Wer entschuldigt sich für die Konzentrationslager? Die einzigen lebenden Erben des Nationalsozialismus sind die diversen Neonazi-Bewegungen, und sie sind nicht gerade zu einer Entschuldigung bereit, sie würden es sogar wieder tun, wenn sie die Chance dazu bekämen."

Magazinrundschau vom 02.12.2008 - Espresso

"Arf arf bang crack blam buzz cai spot ciaf ciaf clamp splash crackle crackle crunch deleng gosh grunt honk honk cai meow mumble pant plop pwutt roaaar dring rumble blomp sbam buizz schranchete slam puff puff slurp smack sob gulp sprank blomp squit swoom bum thump plack clang tomp smash trac uaaaagh vrooom". Der gelernte Semiotiker Umberto Eco ist hocherfreut über ein neues spanisches Lexikon der Onomatopöie. Mehr als 1.000 lautmalerische Begriffe aus Comics haben Roman Gubern e Luis Gasca in ihrem "Diccionario de onomatopeyas del comic" gesammelt, allerdings ist das für Eco immer noch zu wenig. "Jacovitti zum Beispiel kommt nur drei Mal vor, mit einem bescheidenen und vorhersehbaren bang, einem tompt und einem hug. Natürlich ist da noch viel mehr zu holen, mehr als man hier aufzählen kann: blomp, pra (für einen Schlag mit dem Pistolengriff), pamt, ponfete, slappete, cianft, svoff, ciunft, badabanghete, sdenghete, flup und (sein Meisterstück) PUgno."
Stichwörter: Eco, Umberto, Semiotik