Magazinrundschau
Festverzinsliche Wertpapiere des Erinnerungsmarktes
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
17.02.2009. Brauchen die Palästinenser mehr Platz als die Belgier? fragt Amos Oz im Guardian. In Eurozine erklärt Slavenka Drakulic, wie man auf die harte Tour lernt. In Nepszabadsag beklagen der Pole Bogdan Goralczyk und der Ungar Laszlo Lengyel die Provinzialität Osteuropas. Im Espresso wirft Umberto Eco mit Büchern. Im TLS erklärt Richard Dawkins: Evolution ist wahr. The New Republic fürchtet die Zwei-Klassen Informationsgesellschaft nach dem Tod der Zeitungen.
Guardian (UK), 14.02.2009

Außerdem: Keith Thomas hat in der van-Dyck-Ausstellung in der Tate Britain gelernt, wieviel die britische Porträtmalerei - vor allem was Kostüme, Kinder und Hunde angeht - dem niederländischen Maler verdankt. (Wir lernen außerdem, dass die Engländer eine Geliebte früher 'lemon' nannten.) "Le Corbusier famously built nothing in Britain", aber er hat doch einige britische Architekten beeinflusst, erzählt Brian Dillon, der Isi Metzsteins und Andrew MacMillans verfallendes St. Peter College im schottischen Cardross besucht hat, das von Corbusiers Kapelle in Ronchamp inspiriert ist. Sanjay Subrahmanyam, Historiker an der kalifornischen UCLA, liest noch einmal - nicht unfreundlich, aber kritisch - Salman Rushdies "Satanische Verse".
Eurozine (Österreich), 06.02.2009

Economist (UK), 13.02.2009

In weiteren Artikeln geht es um den Zusammenschluss der Hollywood-Studios Dreamworks und Disney sowie, anlässlich der Vorstellung des Kindle 2, um die eher konservativen Benutzer der E-Books - die Technikaffinen lesen ohnehin, argumentiert der Verfasser, auf ihren iPhones. Besprochen werden unter anderem die Memoiren (Verlagsseite) des südafrikanischen Autors Andre Brink und David Reynolds' Geschichte Amerikas in einem Band (Verlagsseite),
Außerdem zeigt sich, in der Titelgeschichte, der Economist bitter enttäuscht von den ökonomischen Plänen Barack Obamas.
Nouvel Observateur (Frankreich), 12.02.2009

Aude Lancelin feiert das vierzigjährige Bestehen der Experimental-Universität Vincennes, in der Studenten und Professoren auf Augenhöhe miteinander arbeiteten und deren Dozentenliste sich wie ein Who?s who der französischen Geistes- und Sozialwissenschaften liest; hier lehrten unter anderem Gilles Deleuze und Felix Guattari, Jacques Lacan, Michel Foucault und Jean-Francois Lyotard sowie Antonio Negri. Am 18 März wird bei Flammarion die von Jean-Michel Dijan herausgegebene Publikation "Vincennes - Une aventure de la pensee critique" erscheinen.
Weltwoche (Schweiz), 12.02.2009

Nur im Print: Ein Interview mit Wolf Biermann.
Al Ahram Weekly (Ägypten), 12.02.2009

Außerdem: Die beste Aufführung beim diesjährigen Creative Forum for Independent Theatre Groups war die "Iphigenie in Aulis", inszeniert vom Gardzienice Theaters, schreibt Nehad Selaiha, die die polnische Truppe schon mal 1996 in Kairo gesehen hat, mit der "Carmina Burana".
Nepszabadsag (Ungarn), 14.02.2009

Laszlo Lengyel ist noch pessimistischer. "Bedenke nur lieber Bogdan, wie viele 'politische Generationen', wie viele unterschiedliche politischen Kulturen und Stile in den USA seit 1989 erschienen sind, im Vergleich zu Ungarn oder Polen! Die politische Elite hat ihren eigenen potentiellen Nachschub abgeblockt, neuen Gesichtern, Ideen und Institutionen den Zugang verwehrt. Die parlamentarische Demokratie ist ein Schein. Die unmittelbare Abhängigkeit von den Oberen, von der Parteizentrale, von dem Ministerpräsidenten, das feudale Günstlingssystem, die Verteilung und der Entzug der politischen Güter wurde erneut ausgebaut. Worin ihr am meisten an die Welt von Gomulka und Gierek, und wir an die Welt von Kadar erinnern, ist der vollkommene Antidemokratismus der politischen Selektion. Während der Systemwechsel und die Europäisierung von den Akteuren in der Wirtschaft, der Kultur und sogar von den Arbeitnehmern ernsthafte Anstrengung und Anpassungsfähigkeit abverlangte, forderte sie von der polnischen und ungarischen politischen Elite genau das Gegenteil - die Provinzialisierung. Unsere Führer sind alles andere als internationale Politiker. Sie sprechen ihre eigene, nationale Wählersprache, selbst wenn sie sie wortgetreu aus dem Englischen übersetzen"
Espresso (Italien), 13.02.2009

Times Literary Supplement (UK), 13.02.2009
Wenn überhaupt etwas wahr ist auf dieser Welt, dann ist es die Evolution, befindet der Biologe Richard Dawkins. In einem bissigen Artikel tritt der Autor kreationistischen und islamischen Weltbildern entgegen und zeigt sich begeistert von Jerry Coynes Buch "Why Evolution is true": "Woher kommt das oft nachgeplapperte Gerücht, 'Evolution sei nur eine Theorie'? Vielleicht von einem Missverständnis der Philosophen, die behaupten, dass Wissenschaft niemals die Wahrheit beweisen kann. Sie könne allenfalls eine Hypothese nicht widerlegen. ... Evolution ist wahr, in dem Sinne, dass man akzeptiert, dass Neuseeland in der südlichen Hemisphäre liegt. Wenn wir es ablehnen würden, ein Wort wie 'wahr' zu benutzen, wie könnten wir unsere alltäglichen Unterhaltungen führen? Oder einen Fragebogen ausfüllen: 'Was ist Ihr Geschlecht?' 'Die Hypothese, dass ich männlich bin, ist noch nicht widerlegt, aber lassen Sie mich das noch einmal überprüfen.' ... In diesem Sinne ist Evolution wahr - vorausgesetzt natürlich, dass das wissenschaftliche Beweismaterial überzeugend ist. Es ist sehr überzeugend, und Professor Coyne unterbreitet es uns auf eine Weise, dass kein objektiver Leser umhin könnte, es zwingend zu finden."
Gazeta Wyborcza (Polen), 14.02.2009
Im Interview spricht der polnische Schriftsteller Stefan Chwin über das bei Grabungsarbeiten entdeckte Massengrab in Malbork (dem früheren Marienburg), in dem möglicherweise mehr als 2.000 Deutsche verscharrt wurden, die in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs getötet wurden (über die verschiedenen Spekulationen zu diesem Zeitpunkt mehr hier und hier). Was Chwin den Stadtoberen von Malbork raten würde, die die Sache gern runterkochen würden? "Ich würde raten, diese Angelegenheit sofort in die Hände von Archäologen, Historikern und Anthropologen zu übergeben, und dann diese gefundenen Gebeine zu bestatten. Und ich finde, dies sollte kein Massengrab sein, also eine einzige riesige Grube, in die man alle menschlichen Überreste schüttet. Ich weiß, dass es schwer ist, zeitintensiv und arbeitsaufwändig, aber man hat auch nach den furchtbaren Gemetzeln auf den Balkan, sogar in Srebrenica, versucht die sterblichen Überreste irgendwie zu identifizieren."
Tadeusz Sobolewski erwartete sich von Andrzej Wajdas Film "Tatarak" einen Gegenakzent zur überpolitischen Berlinale: "Der Premiere wurde mit großen Hoffnungen entgegen geblickt, zumal 'Tatarak' sich gegen die programmatische Tendenz des Festivals stellt, welche dieses Jahr keine guten Filme hervorbrachte. Wajda, der hier eine Legende ist, beschäftigt sich weder mit der Krise, noch mit der Globalisierung. Er öffnet sich vor dem Publikum als Künstler."
Außerdem: Zu lesen ist Volker Schlöndorffs Rede im Rahmen der "Berliner Lektionen"; gelobt wird die Biografie des Regisseurs Kazimierz Kutz, dem Adam Michnik zudem im Namen all seiner Verehrer zum Achtzigsten gratuliert: "Schwer zu glauben, dass Schlesiens schwarze Erde einen so bunten und wunderschönen Vogel hervorgebracht hat".
Tadeusz Sobolewski erwartete sich von Andrzej Wajdas Film "Tatarak" einen Gegenakzent zur überpolitischen Berlinale: "Der Premiere wurde mit großen Hoffnungen entgegen geblickt, zumal 'Tatarak' sich gegen die programmatische Tendenz des Festivals stellt, welche dieses Jahr keine guten Filme hervorbrachte. Wajda, der hier eine Legende ist, beschäftigt sich weder mit der Krise, noch mit der Globalisierung. Er öffnet sich vor dem Publikum als Künstler."
Außerdem: Zu lesen ist Volker Schlöndorffs Rede im Rahmen der "Berliner Lektionen"; gelobt wird die Biografie des Regisseurs Kazimierz Kutz, dem Adam Michnik zudem im Namen all seiner Verehrer zum Achtzigsten gratuliert: "Schwer zu glauben, dass Schlesiens schwarze Erde einen so bunten und wunderschönen Vogel hervorgebracht hat".
HVG (Ungarn), 14.02.2009

New Statesman (UK), 16.02.2009

Nach drei Jahren quittiert Alice O'Keeffe ihren Job als Kunstkritikerin beim New Statesman. Es war eine bizarre Zeit, meint sie. "Die zeitgenössische Kunstszene bot ein sklavisch dem Geld dienendes Catering, weil sie ausschließlich die Reichen bediente. Da die Käufer oft keine Ahnung von Kunst hatten, gab es keine rationale Verbindung zwischen der Qualität eines Kunstwerks und seinem Preisschild."
Point (Frankreich), 12.02.2009

New Republic (USA), 04.03.2009

Außerdem: Joe Mathews beklagt den journalistischen Niedergang der Los Angeles Times. Und Gabriel Sherman stellt das Nachrichtenmagazin Politico vor, das in der kurzen Zeit seines Bestehens die großen Zeitungen ins Schwitzen gebracht hat.
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