Magazinrundschau
Diese Russland-Polen-Theorie
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24.08.2010. In Salon.com erklärt Clay Shirky, warum Bücher keine Bücher mehr sind. Poets & Writers berichtet über neue Formen elektronischer Ausleihe in Bibliotheken. Elet es Irodalom erinnert daran, dass es neben der geschriebenen auch noch eine unsichtbare Verfassung gibt. Im New Yorker erzählt Francois Truffaut, wie er Renoir und Gabin kopierte. Die New York Times liest bei Lewis Hyde, wie eine Gelehrtenrepublik entsteht: indem man das Urheberrecht ignoriert.
Salon.com (USA), 09.07.2010
Clay Shirky spricht im Interview über sein neues Buch "Cognitive Surplus", über die Bedeutung der digitalen Revolution für Verlage, Autoren und Leser. Eine der Schwierigkeiten, die digitale Revolution zu erfassen liegt für ihn darin, dass wir für viele Dinge nicht mehr die richtigen Wörter haben. "Ich habe diese Russland-Polen-Theorie. Sie geht so: einer der Gründe, warum Polen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus so viel besser dasteht als Russland, ist, dass die Polen nur eine Generation lang unter dem Kommunismus lebten. Es gab also Leute, die sich an die früheren Zeiten erinnern konnten. Nicht so in Russland. Dort weiß kein Mensch mehr, wie das Leben vor 1916 war." In der Buchindustrie hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg nichts verändert. "In so einer Situation passiert es leicht, dass ein Wort für das ganze Geschäft steht. Eine Produktionsmethode, ein Produkt, eine kulturelle Referenz - alles wird in dieses eine Wort gepackt. Man sieht das sehr deutlich beim Fernsehen. Sie gehen in einen Laden, kaufen einen Fernseher und dann kommen Sie nach Hause und gucken Fernsehen. Aber der Fernseher, den Sie kaufen ist nicht das gleiche wie das Fernsehen, das Sie gucken. Wir benutzen für das Objekt das gleiche Wort wie für den Informationsfluss. Das verwirrt uns nicht, weil wir wissen, was Fernsehen ist. Jetzt plötzlich gibt es Videos auf Telefonen und Computer und die Frage, 'was ist Fernsehen?' wird sehr kompliziert. Was Bücher angeht: Als Bücher wird eine Form langer Texte bezeichnet. Sie sind physische Produkte. Und dann gibt es die Menschen, die ihr ganzes Leben mit der Produktion langer Texte und ihrer Verwandlung in physische Produkte beschäftigt sind. Das fällt jetzt alles auseinander." Was ein Ebook ist, wissen wir im Grunde noch gar nicht.
Poets & Writers (USA), 01.09.2010

Elet es Irodalom (Ungarn), 20.08.2010

New Yorker (USA), 24.08.2010

MicroMega (Italien), 19.08.2010

Espresso (Italien), 20.08.2010

New York Times (USA), 22.08.2010
Mit großem Vergnügen hat Robert Darnton, Direktor der Harvard University Library, Lewis Hydes Buch "Common as Air" gelesen, das noch einmal erzählt, wie wenig die amerikanischen Gründervater vom Schutz des geistigen Eigentum hielten. Zum Beispiel Benjamin Franklin und seine Erfindung des Blitzableiters: "Er beantragte niemals ein Patent, denn er bezog sich auf einen gemeinsamen Vorrat an Wissen und fühlte sich verpflichte, etwas 'für das gemeinsame Wohl zu produzieren'. Die gleiche Haltung lag Thomas Jeffersons Beschreibung des Wissens als einem 'gemeinsamen Besitz' zugrunde. Sie durchzog die gesamte Aufklärung, als Männer über Experimente und Ideen in brieflichen Netzwerken und einer Kette von Akademien diskutierten, die von St. Petersburg bis Philadelphia reichten. Vor allem trugen sie ihre Gedanken gedruckt weiter. Briefe, gelehrte Gesellschaften und gedruckte Worte führten zusammen zu der Bilderung der Republic of Letters, der Gelehrtenrepublik, eine für alle offene und gleichberechtigte Welt - zumindest im Prinzip, in der Praxis war sie begrenzt auf die literarische Elite." (Hyde hat seine Überlegungen zum Copyright auch hier beschrieben: pdf zum runterladen)
Zu Beginn des 20. Jahrhundert hat die britische Diplomatie viele Absichtserklärungen zu Palästina produziert. Gehalten hat sie sich dann aber nicht an die Sykes-Picot-Erklärung, die den Palästinensern einen eigenen Staat versprach, sondern an die Balfour-Deklaration, die den Juden dasselbe Land versprach. An Jonathan Schneers "The Balfour Declaration" (Leseprobe) schätzt der israelische Historiker Tom Segev zwar die Darstellung der britischen Imperialmacht, einverstanden ist er aber nicht mit der Erklärung, dass London aus Angst vor der "jüdischen Weltherrschaft" und in Hoffnung auf einen amerikanischen Eintritt in den Ersten Weltkrieg agierte: "Die Angst vor den Juden war nicht der einzige Aspekt dieser Geschichte. Der andere, den Schneer vernachlässigt, war die genuine Bewunderung, die viele britische Politiker, inklusive Premierminister David Lloyd George und Balfour selbst, für die Juden und ihre Geschichte, hegten."
Zu Beginn des 20. Jahrhundert hat die britische Diplomatie viele Absichtserklärungen zu Palästina produziert. Gehalten hat sie sich dann aber nicht an die Sykes-Picot-Erklärung, die den Palästinensern einen eigenen Staat versprach, sondern an die Balfour-Deklaration, die den Juden dasselbe Land versprach. An Jonathan Schneers "The Balfour Declaration" (Leseprobe) schätzt der israelische Historiker Tom Segev zwar die Darstellung der britischen Imperialmacht, einverstanden ist er aber nicht mit der Erklärung, dass London aus Angst vor der "jüdischen Weltherrschaft" und in Hoffnung auf einen amerikanischen Eintritt in den Ersten Weltkrieg agierte: "Die Angst vor den Juden war nicht der einzige Aspekt dieser Geschichte. Der andere, den Schneer vernachlässigt, war die genuine Bewunderung, die viele britische Politiker, inklusive Premierminister David Lloyd George und Balfour selbst, für die Juden und ihre Geschichte, hegten."
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