Efeu - Die Kulturrundschau - Archiv

Literatur

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Efeu - Die Kulturrundschau vom 20.02.2024 - Literatur

Judith Liere macht sich für die Zeit zu einer Lesung einer Erfolgsschriftstellerin auf, die niemand unter 30 kennt: Sarah Sprinz ist selbst erst 27 und schreibt im neuen Erfolgssegment "New Adult". Liebesromane sind das, und zumeist sind sie eher überraschungsfrei: "Ständig blitzen grüne oder graublaue Augen, ziehen sich Mägen vor Aufregung zusammen, fallen Haarsträhnen sexy in Gesichter, ist jemand 'verflucht attraktiv'. Wenn auf Seite 382 etwas Schlimmes passiert, hört man es spätestens seit Seite 104 deutlich trapsen. Und nicht immer hilft der Anspruch, bloß nichts zu schreiben, was irgendwen verletzen könnte, der Lesbarkeit. In Sexszenen kann es noch so wild und hart anfangen, zwischendrin fragen sich die Protagonisten garantiert noch mal: 'Bist du sicher?' - 'Ja. Und du?' - 'Ich bin auch sicher', bevor es richtig zur Sache geht." Andererseits: "Klischees und Floskeln stehen auch in vielen Krimis oder in Fantasyliteratur. Auch diese Genres gewinnen selten Literaturpreise. Aber sie gelten eher als Guilty Pleasure oder als ein wenig nerdig. Sie trifft deutlich weniger Häme, als Liebesromane für junge Frauen abbekommen."

Maria Lazar
Mehr als 70 Jahre nach ihrem Tod erlebt das Werk der jüdisch-österreichischen Schriftstellerin Maria Lazar eine Renaissance. Es ist, wie Thomas Mießgang in der Zeit schreibt, vor allem der DVB-Verlag, der sich um diese Wiederentdeckung verdient macht und teilweise Texte herausbringt, von deren Existenz bis vor kurzem niemand wusste. "Erst aus heutiger Perspektive kann man ermessen, was der literarischen Welt durch das Ausblenden der literarischen Schöpfungen von Maria Lazar jahrzehntelang entgangen ist: eine Sprachkunst, die in späteren Jahren immer politischer argumentierte und zwischen expressionistischem Furor und Bewusstseinsstrom, zwischen filmischer Schnitttechnik und epigrammatischer Verdichtung oszilliert. Maria Lazar war eine große Zeitdiagnostikerin, die den unaufhaltsamen Aufstieg des faschistischen Unheils in Romanen wie Leben verboten! mit einem gewissen Hang zur gehobenen Kolportage überaus suggestiv beschrieb."

Weitere Artikel: Welt-Redakteur Adriano Sack ist jetzt auch Romanautor. Sein Arbeitgeber druckt eine gekürzte Fassung des Beginns seines Debüts "Noto". Ebenfalls in der Welt hofft Hannah Bethke darum, dass auch in Zeiten der Klimakrise noch Bücher aus ordentlichem Papier erscheinen. Ulrich Seidler besucht für die Berliner Zeitung die Ausstellung "Bertolt Brechts Paper War", die in der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu sehen ist.

Besprochen werden unter anderem Judith Koelemeijers "Mit ganzem Herzen" (FAZ), Andreas Viestads "Ein Abendessen in Rom" (FAZ), Rüdiger Safranskis "Kafka" (FAZ), Han Kangs "Griechischstunden" (FR), Omri Boehm und Daniel Kehlmanns "Der bestirnte Himmel über mir - Ein Gespräch über Kant" (SZ), Julia Josts "Wo der spitzeste Zahn der Karwanken in den Himmel hinauf fletscht" (SZ), Carlo Leone Spillers "In Wahrheit war es schön" (Zeit).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 19.02.2024 - Literatur

Erich Kästner - Bild: Dutch National Archives - Foto: Basch/Opdracht Anefo - Lizenz: CC0 1.0 DEED

Markus Steinmayr widmet sich in der FAS Erich Kästner, der vor 125 Jahren geboren wurde. Er beschreibt den Autor vor allem als einen Gegenwartsbeobachter - und weist darauf hin, inwiefern sich dessen Werk von der autofiktions- und diskursfreudigen Gegenwart abhebt: "Es besteht aber ein gewichtiger Unterschied zwischen dieser Art Gesellschaftsschilderung aus der Zeit um 1930 und der von heute. Und dieser Unterschied macht etwas  an der heutigen Gegenwartsliteratur sichtbar: Sie bleibt in ihren Zirkeln und Bubbles. Kästners Fabian dagegen wanderte durch ganz unterschiedliche Milieus des großstädtischen Berlin -  Journalismus, Akademie, Sport, Politik, die Bohème -,  die scheinbar nichts oder nur wenig miteinander zu tun haben, aber dann eben doch Parallelen aufweisen, weil sich der Eindruck einer Verunsicherung durch die ganze Gesellschaft zieht." Mehr zu Kästner von Sven Hanuschek auf Zeit Online.

Ebenfalls in der FAS beschäftigt sich Tobias Rüther mit dem "Mann, der Emil zeichnete": Walter Trier war Kästner-Illustrator, aber noch viel mehr. Rüther lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kreuzberger Verlag, der sich seit Jahren um Triers Werk verdient macht: "Antje M. Warthorsts 'Bilderwelt des Walter Trier' (2021) zeigt das Spektrum von politischer Karikatur bis Werbegrafik. Gerade erst erschien das herrlich gestaltete Bändchen 'V for Victory' mit Karikaturen und Flugblättern aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch in dieser Propaganda, die Trier für die britische Regierung zeichnete, erkennt man die Physiognomien der Menschen, die schon Kästners Kinderbuchillustrationen bevölkerten."

Besprochen werden unter anderem Frank Böschs "Deals mit Diktatoren" (SZ), Elisabeth Bronfens "Händler der Geheimnisse" (SZ), Nicole Seiferts "Einige Herren sagen etwas dazu" (NZZ), Thomas Manns "Tristan" als Hörbuch (FAZ) und das Hörgeschichtsbuch "Jahrhundertstimmen" (FAZ).

In der Frankfurter Anthologie (FAZ) widmet sich Detlev Schöttker einem Vergessenen der deutschen Literaturgeschichte: Alfons Paquet:

"In Wiesbaden bin ich geboren,
In London pfiff mir der Wind um die Ohren ..."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 17.02.2024 - Literatur

Charles M. Schulz Museum and Research Center in Santa Rosa California © BrokenSphere Lizenz: GNU Free Documentation License

In der FAZ besucht Andreas Platthaus am Martin-Luther-King-Day das Charles M. Schultz Museum in Santa Rosa, California. Mit seinen Peanuts hat Schultz Comicgeschichte geschrieben - unter anderem im Jahr 1968, als er, unter Eindruck der Bürgerrechtsbewegung und auf Bitten einer Leserbriefschreiberin, mit dem Jungen Franklin die erste schwarze Figur in seiner Comicwelt etablierte. "Mit den kleinen Panels der 'Peanuts' konnten große Botschaften verkündet werden. Gerade auch emanzipative. Erst die Botschaft von der Emanzipation der Kinder durch die höhere Vernunft der 'Peanuts'-Akteure in ihrer erwachsenenfreien Welt und dann die der Emanzipation der Schwarzen durch eine selbstverständlich in der Schar dieser Höhervernünftigen mitagierenden Figur wie Franklin."

Markus Bauer porträtiert gleichfalls in der FAZ eine Fastvergessene der Literaturgeschichte: Martha Bibesco wird für gewöhnlich auf ihre Bekanntschaft mit Marcel Proust sowie auf ihr dem berühmten Kollegen gewidmetes Buch "Au bal avec Proust" reduziert. Tatsächlich jedoch gehörte Bibesco, führt Bauer aus, zu den herausragendenen literarischen Beobachterinnen der High Society ihrer Zeit. An herausragenden Arbeiten mangelt es nicht in ihrem Werk, aber vielleicht hat sie "ihren literarischen Gipfel mit dem elegant und intelligent geschriebenen Roman 'Catherine-Paris' (1927) erreicht, der die Stadt Paris in immer wieder sich kaleidoskopisch verändernden Prismen der Vorkriegsatmosphäre und der Welt der europäischen Aristokratie feiert. Paris als Frau, als Bücherstadt, als Republik, als Inbegriff der Eleganz, als Hauptstadt Europas."

Außerdem: Der israelische Schriftsteller Moshe Sakal unternimmt in der FAZ auf drei Doppelseiten acht Spaziergänge. Detlev Schöttker porträtiert in der FAZ den deutschen Schriftsteller Alfons Paquet, dessen Werk sich zwischen Journalismus und Dichtkunst orientiert. Dmitrij Kapitelman sucht in der SZ den kleinsten gemeinsamen Nenner von Franz Kafka und dem Wu-Tang Clan. Besprochen werden unter anderem Franz Doblers "Ein Sohn von zwei Müttern" (taz), Ian Penmans "Fassbinder" (taz), Slata Roschals "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten" (taz), Wolfgang Schieders "Ein faschistischer Diktator" (FR), Roberto Savianos "Falcone" (SZ), Mirna Funks "Von Juden lernen" (SZ), "Radio 'Krieg'" von Daryna Gladun (FAZ) und Peter Heathers "Christendom" (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.02.2024 - Literatur

Richard Ford © Rodrigo Fernández, Lizenz: CC BY-SA 4.0 DEED


Die Feuilletons gratulieren Richard Ford zum 80. Verena Lueken würdigt in der FAZ das Werk des amerikanischen Autors in seiner ganzen Breite, kommt aber natürlich auch auf Fords berühmteste Kreation zu sprechen: Frank Bascombe, dessen Lebensweg sich fünf Romane widmen. Bascombe ist "eine einzigartige Figur, ironiebegabt und philosophisch gestählt, eine Kunstfigur ohne Vorbild oder Bezug zu einer realexistierenden Person, weder Alter Ego des Autors, erst recht nicht beispielhaft für eine Generation. Und doch ein Mann seiner Zeit. Ein Mann des 20. Jahrhunderts, der ins 21. mitgenommen hat, was sich lohnte (Bücher, ein kühler Blick auf die Besonderheiten kapitalistischer Ordnungssysteme und immer ein Haus), und einiges zurückließ, an das er sich erinnert, ohne ihm nachzutrauern (aufregendere Arbeit, mehr Erfolg bei Frauen)." In der SZ porträtiert Nils Minkmar einen, der weiß, dass "Identitäten stets mobil sind und die Literatur ein offenes Medium bleiben sollte".

Ein Comeback der Monogamie macht Welt-Autorin Marie-Luise Goldmann in der Gegenwartsliteratur aus. Einschlägige Neuerscheinungen unter anderem von Han Kang und Maggie Müller lassen Goldmann allerdings eher skeptisch zurück: "Was ist es also, woran die Liebenden im 21. Jahrhundert scheitern? Was hält sie davon ab, ihr Happy-Ever-After auf Dauer zu stellen? Eine feindliche Konvention wie in 'Romeo und Julia' scheint weit und breit nicht in Sicht, auch keine unüberbrückbaren Klassendifferenzen oder eine tragische Katastrophe wie in 'Titanic'. Vielleicht ist die Frage ja wirklich falsch gestellt. Vielleicht müssten wir umgekehrt fragen, was überhaupt dafür spricht, sich auf eine Zweierkonstellation einzulassen. Wahrscheinlich ist es dieser Grundzweifel, dieser Verdacht auf Absurdität, der die zeitgenössischen Texte eint. Ebenso wie die Unmöglichkeit, sich dem Absurden vollständig zu entziehen."

In der Welt erinnert Lothar Struck an einen Autounfall Peter Handkes. Im Standard unterhält sich Karl Fluch mit dem österreichischen Schriftsteller Robert Palfrader. Wolf Wondratschek begibt sich in der SZ auf die Spuren Franz Kafkas.

Besprochen werden unter anderem Mustafa Suleyman und Michael Bhaskars Sachbuch "The Coming Wave" (FAZ), Ilona Hartmanns "Klarkommen" (Welt), Michela Murgias "Drei Schalen" (FR) und der von Tania Martini und Klaus Bittermann herausgegebene Essayband "Nach dem 7. Oktober" (FR).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 15.02.2024 - Literatur

Besprochen werden unter anderem Uwe Wittstocks Studie "Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur" (FAZ, SZ, Zeit). Sigrid Nunez' "Die Verletzlichen" (NZZ), Nora Krugs illustrierte Tagebücher "Im Krieg" (Tsp) und Ilona Hartmanns "Klarkommen" (TA). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 14.02.2024 - Literatur

Besprochen werden unter anderem Han Kangs "Griechischstunden" (online nachgereicht von der Zeit), Timon Karl Kaleytas "Heilung" (FR), Arne Dahls "Stummer Schrei" (FR), Nora Krugs illustriertes Tagebuch "Im Krieg" (FAZ) und Thomas Meyers Biografie über Hannah Arendt (SZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 13.02.2024 - Literatur

Felix Stephan staunt in der SZ, wie es dem Popstar Dua Lipa gelingt, mit ihrem Buchclub im Netz die GenZ wieder zum Lesen zu bringen. Dort gibt es "auch halbstündige Interviews mit keineswegs auf Niedrigschwelligkeit bedachten Autoren wie Patti Smith, Emma Cline, Brit Bennett und Khaled Hosseini zu sehen. Diese Autorengespräche führt Dua Lipa selbst und beschäftigt sich darin in einer Ausführlichkeit mit den Büchern ihrer Gäste, die bei den Programmverantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk längst ein nervöses Reformbedürfnis ausgelöst hätte. ... Welchen Einfluss Dua Lipas Literatursendung auf die Verkäufe dieser Bücher hat, ist nicht im Detail erhoben, aber wenn ein Konzert von Beyoncé in Stockholm die Hotelpreise dermaßen in die Höhe treibt, dass der Effekt in der schwedischen Inflationsrate sichtbar wird, könnte das für die Auswirkungen, die Dua Lipas Anwesenheit auf dem vergleichsweise überschaubaren Markt für anspruchsvolle Literatur hat, schon eine praktikable Vergleichsgröße sein."

Weitere Artikel: Aus Rom schreibt Annabelle Hirsch an die taz, dass Elsa Morantes "La Storia" aus dem Jahr 1974 dieser Tage wie weiland zu seinem Erscheinen die Bestsellerlisten Italiens beherrscht, seit der Roman vor kurzem fürs Fernsehen adaptiert wurde - und vielleicht auch, "weil er heute, fünfzig Jahre später, erschreckend gut in die Zeit passt". Schriftsteller John Lewis-Stempel spricht in der FR mit Sylvia Staude über die Vorzüge von Nachtspaziergängen in der Natur. Für die FAZ wirft Frauke Steffens einen Blick auf den anhaltenden Memoir-Boom: "Nie war diese radikale Subjektivität bei Lesern beliebter." Der Schriftsteller Uwe Timm schreibt in der SZ einen Nachruf auf den Germanisten Ulrich Dittmann.

Besprochen werden unter anderem Dilek Güngörs "A wie Ada" (FR), Julia Josts "Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht" (Standard), Albrecht Selges "Silence" (SZ) und Martin Doerrys "Lillis Tochter" (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.

Efeu - Die Kulturrundschau vom 12.02.2024 - Literatur

In der Kafka-Reihe der SZ erinnert sich die Schriftstellerin Teresa Präauer daran, wie sie als Jugendliche mal Teil einer Putzkolonne war, die in den Ferien die Schule wieder auf Vordermann bringen sollte. "Allerlei Herzen, Pfeile, Schniedel und Sprüche mussten von den Tischplatten in den Klassenräumen entfernt werden. 'Gibs auf, gibs auf', stand an einer Stelle geschrieben, und ich rieb mit großem Schwunge über die schwarze Spur des Permanentmarkers, die Blitzputz-Edelstahlspirale in der rechten, die Cif-Scheuermilch in der linken Hand. Die Hände in gelbe Gummihandschuhe gesteckt dachte ich an Kafkas Parabel, die wir im Gymnasium gelesen hatten: 'Gibs auf, gibs auf', sagte darin ein Schutzmann zu einem, der nach dem Weg fragt. ('Gibs auf, gibs auf', rieten auch die Erwachsenen damals den Jugendlichen, die in die Welt hinauswollten.) Die Leiter und Chefinnen, die Inhaber und Bosse, die Direktoren und die Galeristinnen, mit denen ich später noch zu tun gehabt habe, hatten oft etwas mit den Figuren aus Franz Kafkas Texten gemein: Sie verweigern den Zugang, sie vertrösten auf später, sie lächeln wissend, scheinbar hilfsbereit, und geben wesentliche Informationen doch nicht preis. Keiner weist dem, der nach dem Ausgang fragt, den Weg. Oder weiß keiner den Weg?"

Außerdem: In der Zeit erzählt Maxim Biller, online nachgereicht, wie ein Gespräch zwischen ihm und dem israelischen Schriftsteller Etgar Keret über Fragen zur Einschätzung des 7. Oktobers zu einem Streit eskalierte. Georg Stefan Troller erinnert sich, online nachgereicht von der Literarischen Welt, an seine Begegnung mit Sartre. Besprochen werden unter anderem Ursula Poznanskis "Die Burg" (Standard), Mojca Kumerdejs "Unter die Oberfläche" (NZZ), eine Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin über Leben und Werk des Dichters Curt Bloch (SZ) und Vladimir Sorokins "Doktor Garin" (SZ).

In der online nachgereichten Frankfurter Anthologie schreibt Alexander Košenina über Selma Meerbaums "Frühling":

"Sonne. Und noch ein bißchen aufgetauter Schnee
und Wasser, das von allen Dächern tropft ..."

Efeu - Die Kulturrundschau vom 10.02.2024 - Literatur

Wenn Verlage in den Konkurs gehen, dann ist die Trauer in den Feuilletons zwar oft groß, schreibt die Schriftstellerin Roswitha Quadflieg (die eine bedrückende Anzahl von Verlagsinsolvenzen in ihrer Autorinnen-Vita auflisten kann) im "Literarischen Leben" der FAZ. Aber im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht dann meist die unternehmerische Seite des Verlags, nicht das oft künstlerische wie existenzielle Fiasko für die Autoren, die dort veröffentlichen. Denn auch "der Autor stürzt in einen Abgrund und mit ihm sein (im schlimmsten Fall) gerade erschienenes Buch. Das Feuilleton schweigt - bis auf ein, zwei Ausnahmen vielleicht -, kein Mucks im Radio, keine Veranstaltungen, die Arbeit vieler Jahre versickert im Nirgendwo. Kein Einkommen mehr. Denn natürlich verschwinden auch alle zuvor in diesem Verlag erschienenen Titel aus Handel und Wandel. ... Woher die Kraft zu einem 'Dennoch' nehmen? Wie viel Kenntnis von wirtschaftlichen Turbulenzen sind Autoren zumutbar, wie vielen üblen Gerüchten und hohlen Versprechungen halten sie stand, ohne dass ihre Seelen, ihr Denken und Schreiben Schaden nehmen? ... Wenn ständig die Wände wackeln und keine Honorare mehr fließen, wackeln auch die Schreibtische."

Außerdem: Die SZ läutet ihre lose Reihe zum Kafka-Jahr mit einem Text des Schriftstellers und Juristen Bernhard Schlink ein, der angesichts der "großen juristischen Qualität" von Kafkas im Berufsleben abgefasster Texte nicht mehr glauben mag, dass der Prager Schriftsteller in seiner Anstellung nur einen lästigen Brotjob gesehen hat. Nikolaus Bernau wirft in der taz einen Blick auf den aktuellen Stand der Dinge in den Auseinandersetzungen um das Buddenbrookhaus in Lübeck. In den Romanen junger Schriftstellerinnen geht es wieder häufiger um Zweierbeziehungen, fällt Marie-Luise Goldmann in der WamS auf. Patrick Bahners liest für die FAZ die erste Ausgabe des neuen Literatur-Onlinemagazins Berlin Review, das sich in einem Schwerpunkt mit dem Nahostkonflikt beschäftigt. In der FR stellt sich Christian Thomas Bücher von Isaak Babel in seine ukrainische Bibliothek. 54books liefert den zweiten Teil von Isabella Caldarts literarischem Stadtführer durch New York (den ersten gab es 2021). Martin Winter verneigt sich in "Bilder und Zeiten" der FAZ vor dem chinesischen Dichter Nan Ren. Thomas David erzählt in "Bilder und Zeiten" der FAZ von seiner Begegnung mit dem Schriftsteller Aleksandar Hemon. Für die SZ hat sich Sonja Zekri mit Mely Kiyak getroffen, die mit "Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an" eben ein Buch über das Leben ihres Vaters geschrieben hat.

Besprochen werden unter anderem Timon Karl Kaleytas "Heilung" (taz), eine Neuausgabe von Peter Flamms "Ich?" aus dem Jahr 1926 (taz), Jonathan Lees "Joy" (FR), Alex Capus' "Das kleine Haus am Sonnenhang" (Standard), Michela Murgias "Drei Schalen" (FAS) und Joy Williams' Debütroman "In der Gnade" von 1973 (FAZ).

Efeu - Die Kulturrundschau vom 09.02.2024 - Literatur

Im Guardian verteidigt Bernardine Evaristo die Royal Society of Literature, der sie als Präsidentin vorsteht, gegen Anwürfe, es herrsche dort ein allgemeiner Niveauverfall und ein Klima von Zensur. Arno Widmann (FR) und Verena Lueken (FAZ) gratulieren der Schriftstellerin Alice Walker zum 80. Geburtstag. Judith von Sternburg berichtet in der FR von der Shortlistlesung für den Wortmeldungen-Literaturpreis in Frankfurt. Comiczeichner Jason gibt im Tagesspiegel-Fragebogen Auskunft über sich.

Besprochen werden unter anderem Joan Didions von Antje Rávik Strubel übersetzte Romane "Play it as it lays" und "Wie die Vögel unter dem Himmel" (taz), Vladimir Sorokins "Doktor Garin" (Welt, Standard), Bettina Görings Autobiografie "Der gute Onkel. Mein verdammtes deutsches Erbe" (online nachgereicht von der taz), Valerie Fritschs "Zitronen" (Tsp), Josephine Teys "Wie ein Hauch im Wind" (Presse) und Sandra Langereis Biografie über Erasmus von Rotterdam (FAZ). Mehr ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.