Außer Atem: Das Berlinale Blog

Absolut albtraumhafte Welt: "Maman Colonelle" von Dieudo Hamadi (Forum)

Von Thekla Dannenberg
15.02.2017.
Wenn Colonelle Honorine Munyole auftaucht, wird ihr gehuldigt. Sie ist Maman Colonelle, und die Frauen des Dorfes bekunden ihre Ergebenheit gegenüber der kräftigen Offizierin. In Bukavu hat sie lange Dienst getan, jetzt wird sie versetzt. In Kisangani, V.S. Naipauls legendärer Stadt an der Biegung des großen Flusses, soll sich ihre Polizeieinheit dem Schutz von Kindern und dem Kampf gegen sexuelle Gewalt verschreiben. Groß verkünden es die Lettern über dem Eingang ihres Reviers, neben dem UN-Signet, auf ihrer Uniform prangen zwei stolze Löwenköpfe. Neunzehn Polizisten stehen ihr zur Verfügung, die notdürftig Haltung annehmen, wenn die Kommandeurin es verlangt, aber voll dabei sind, wenn sie ihre Kampfmontur anlegen und die Maschinenpistolen aus dem Schrank holen dürfen.




Kisangani hält erschütternd viele Aufgabe für die Maman Colonel bereit: Zum Beispiel die Frauen, die während des Zweiten Kongo-Krieges vor fünfzehn Jahren, vergewaltigt wurden, bevor man ihre Männer ermordete. Eine nach der anderen wird von der Polizistin in ihre Amtsstube zitiert, um kurz vor ihr und der Kamera zu erklären, was ihr widerfahren ist. Sie organisiert für die verwitweten Frauen eine Unterkunft, dort sollen sie miteinander sprechen, das ist gut gegen Traumata, und sie sollen ein Handwerk lernen, um sich selbst versorgen zu können. Spenden will die Offizierin in einer Plastiktüte sammeln, natürlich gibt ihr niemand was. Kurz darauf rollt, in einer extrem deprimierenden Szene, ein Bus voller Kriegsinvaliden an, die den Frauen absprechen, wahre Opfer zu sein. Sie, die Verkrüppelten und Versehrten, hätten ein amtliches Zertifikat, das sie als legitime Kriegsopfer ausweist.

Und dann gibt es die vielen misshandelten Kinder: Aus furchtbarsten Aberglauben werden sie von ihren Müttern und Vätern der Hexerei beschuldigt und halb tot geprügelt. Bei einer Razzia befreit die Polizistin zehn Kinder aus einem Verschlag, die von einer selbsternannten Wunderheilerin tagelang gequält wurden, um ihnen die Zauberei auszutreiben.

Dieudo Hamadi führt mit seiner kurzen Dokumentation in eine absolut albtraumhafte Welt und lässt einen dort aufgeschmissen zurück. Colonel Munyole nimmt etwa von einem Kind die Aussage auf, dass es von der Mutter geprügelt wurde, daraufhin wirft die Offizierin die Frau dem Mob vor, ihre Polizisten schleifen sie aufs Revier. Die Szene wirkt gestellt und brutal zugleich. Auch wenn im Kongo bestimmt nicht die strengsten Maßstäbe an Rechtsstaatlichkeit angelegt werden können, fragt man sich, ob Maman Colonel weiß, was sie da tut? Und weiß der Filmemacher, was er da tut? Dieudo Hamadi folgt der Polizistin auf dem Fuß. Er hat keine Fragen, keine eigene Haltung, keine eigene Perspektive. Man traut ihm nicht.

Thekla Dannenberg

"Maman Colonelle" von Dieudo Hamadi, Demokratische Republik Kongo / Frankreich 2017, 72 Minuten. Forum. (Termine).