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Der dunkelste Winkel der Weltpolitik: Hubert Saupers 'We Come as Friends' (Panorama)

Von Thekla Dannenberg
09.02.2014. Hubert Sauper zeigt in seinem Dokumentarfilm "We Come as Friends" unerträgliche Zustände im Südsudan, sollte aber noch eine Lehre über den Neokolonialismus beherzigen.
Vom ersten Moment an wissen wir, mit wem wir es bei Hubert Sauper zu tun haben. Für seine Erkundung des Südsudan hat er sich extra ein eigenes Kleinflugzeug bauen lassen und in dessen Cockpit eine kleine Spieluhr anbringen. Nein, erklärt er dem erfreuten Sudanesen, das ist kein Kinderspielzeug, das ist die Internationale! Auch später wird er seine Thesen gern mit einer gewissen Brachialität an den Zuschauer bringen. Dennoch zeigt der in Paris lebenden Österreicher auf ziemlich beeindruckende Weise, wie der seit drei Jahren unabhängige Südsudan, der jüngste Staat der Erde, zur Beute gemacht wurde.



Sauper, schon für seine Doku "Darwins Albtraum" über die Zerstörung des Victoriasees viel in Afrika unterwegs, begibt sich nun in einen der dunkelsten Winkel der Weltpolitik. Kreuz und quer fliegt er durch das Land, in verarmte Dörfer, verheerte Kriegsgebiete und zu den ertragreichen Ölfeldern des Landes, aus denen jeden Tag 350.000 Barrel Öl gefördert werden. Chinesische Ingenieure verschanzen sich hier in den Containerdörfern und sehen sich passenderweise im Fernsehen "Star Trek" an. "Wir kommen in friedlicher Absicht", sagt Captain Kirk, "aber wir tragen Waffen, um uns, falls nötig, verteidigen zu können". So ungefähr werden es später auch die UN-Mitarbeiter sagen, die Chefs der internationalen Waffenkonzerne, die britischen Söldner und die evangelikalen Missionare.

Ungeheure Profite werden in den Öl- und Landgeschäften gemacht, Milliarden Dollar verschwinden jedes Jahr aus der Staatskasse in korrupte Kanäle. Die Tochter des einen UN-Mannes plant ein Safari-Camp, der andere wechselt in die Waffenindustrie, die angesichts des bereits ausgebrochenen Bürgerkriegs mehr Zukunft zu haben scheint als die Konfliktlösung.

In einer der bittersten Szenen des Films besucht Sauper eine Missionsschule, wo ein unerträglich selbstherrlicher Missionar seine Botschaften verkündet. Natürlich wollen sie den Kindern auch Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen, vor allem nackt herumlaufenden Kinder das rechte Schamgefühl eintrichtern: Unter erbarmungswürdigen Geheul und Geschrei werden die schockierten Kinder in Kleider und Schuhe gezwängt.

Sauper zeigt den Südsudan in sehr unterschiedlichen Facetten: Wunderschöne Bilder von Menschen und Landschaft wechseln sich ab mit bitteren Erzählungen von Dorfbewohnern, die grausam über den Tisch gezogenen wurden, oder Auftritten von waffenstarrenden Kriegsherren und lokalen Politikern, deren Beschränktheit ans Kriminelle grenzt. Sauper sucht die Verantwortlichkeiten in der westlichen Kolonialgeschichte, für die innersudanesischen Konflikte interessiert er sich nicht sonderlich, auch wenn die Menschen im Film immer wieder auf den Bürgerkrieg und das Wüten der arabischen Milizen zu sprechen kommen. Was aber vor allem in dieser Dokumentation fehlt, sind die Menschen, auf denen das Land eine Zukunft aufbauen könnte. Abgesehen von einer einzigen Frau kommt in dem ganzen Film kein Sudanese zu Wort, der politisch, historisch oder kulturell die Lage des Landes reflektieren würde. Für einen Film, der zu recht eine unverhohlen neokolonialistische Politik anprangert, ist das eine recht krasse Lücke.

Thekla Dannenberg

Hubert Sauper, "We Come as Friends", Dokumentarfilm, Frankreich / Österreich 2013, 109 Min. Hier alle Vorführtermne.