Post aus Istanbul

Strategie für die Kurdenfrage gesucht

Von Constanze Letsch
30.01.2008. Als die kurdische Partei DTP nach der Wahl im Juli mit zwanzig Abgeordneten ins türkische Parlament einzog und Ahmet Türk von der DTP dem Vorsitzenden der konservativ-nationalistischen MHP, Devlet Bahceli, die Hand reichte, ging das Bild als das Symbol einer neuen innenpolitischen Ära durch die Presse. Doch die Freude währte nur kurz.
Am 3. 1. 2008 explodierte im Stadtteil Yenisehir in der größten kurdisch bewohnten Stadt Diyarbakir eine ferngesteuerte Autobombe, die sechs Menschen tötete und 110 verletzte. Gerichtet war der Anschlag gegen einen Armeetransporter, die Hauptopfer waren Schüler einer Dershane, einer Privatschule zur Vorbereitung der Universitätsaufnahmeprüfung ÖSS. Bozan Tekin aus der Führungsriege der PKK erklärte im kurdischen Fernsehsender Roj TV, dass die PKK den Befehl zu diesem Anschlag zwar nicht gegeben hätte, aber die Durchführung durch eine "unabhängig-autonome Gruppe" auch nicht hatte verhindern können. Ein Tatverdächtiger sitzt in Untersuchungshaft.

Dieser schwere Anschlag ist der bisher letzte in einer ganzen Reihe von Anschlägen in der Türkei in den letzten Wochen. In Istanbul und Izmir explodierten Bomben, ein Bombenleger wurde festgenommen, als er Sprengstoff außerhalb einer U-Bahnstation in Istanbul deponierte.

Vorausgegangen waren schnell aufeinanderfolgende und verlustreiche Anschlägen der PKK auf die türkischen Streitkräfte im September und Oktober. Als Antwort hatten wiederum türkische Militärs im Dezember PKK-Lager im Nordirak bombardiert, nachdem die Amerikaner den Luftkorridor für türkische Militärflugzeuge geöffnet hatten. Diese mittlerweile 25. offizielle Militäroperation jenseits der türkischen Grenze wurde diesmal, zur Befriedigung der türkischen Regierung, sowohl von den USA als auch Europa als berechtigte Selbstverteidigung unterstützt. Die Geister, die die Türkei seit einigen Monaten wieder heimsuchen, ist sie nie wirklich losgeworden. "Die Skelette fallen alle gleichzeitig aus dem Schrank", schreibt der Journalist und Politikwissenschaftler Baskin Oran (mehr hier und hier) in der linksliberalen Tageszeitung Radikal.

Es stellt sich die Frage, wie diesmal damit umgegangen werden soll. Um den besagten Schrank auszumisten, müssten sich vor allem Einstellung und politischer Diskurs ändern. Eine tabufreie Diskussion um die Kurdenfrage ist längst überfällig. Es ist zwar positiv, wenn der Putschgeneral und ehemalige Präsident Kenan Evren in der Presse öffentlich zugibt, es sei ein Fehler gewesen, die Existenz der Kurden zu verneinen und ihnen ihre Kultur und ihre Sprache zu verbieten. Doch müssten aus diesen Fehlern jetzt Schlüsse gezogen werden.

Besonders wichtig ist dabei auch die neue Verfassung, deren Entwurf in diesen Tagen den Führungsgremien der Regierungspartei AKP (Adalet ve kalkinma partisi - Gerechtigkeits-und Fortschrittspartei) vorliegt und der in den nächsten Wochen - von der AKP überarbeitet - der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Bis jetzt hat sich die AKP für ihre malmaitrise und ihre Unfähigkeit, eine offene politische Diskussion über den neuen staatlichen Grundlagentext zu führen, der die Putschverfassung von 1982 ersetzen soll, massive Kritik von der Opposition und verschiedenen nicht-staatlichen Organisationen eingehandelt. Man konnte sich nicht einmal auf die von der EU geforderte Abschaffung des umstrittenen Artikels 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der die "Verunglimpfung des Türkentums" unter Strafe stellt, einigen.

Wie blockiert die Kommunikationskanäle in der türkischen Innenpolitik im Moment sind, zeigt auch der Fall der kurdischen Partei DTP (Demokratik Toplum Partisi - Demokratische Gesellschaftspartei). Als die Partei nach der Wahl vom 22. Juli 2007 mit 20 unabhängigen Abgeordneten ins Parlament einzog und Ahmet Türk von der DTP dem Vorsitzenden der konservativ-nationalistischen MHP, Devlet Bahceli, die Hand reichte, ging das Bild als das Symbol einer neuen innenpolitischen Ära durch die Presse. Die Freude währte kurz. Schnell wurde den kurdischen Abgeordneten aufgrund ihrer Weigerung, die PKK offiziell als "terroristische Organisation" zu bezeichnen, vorgeworfen, selbst Separatisten und Unterstützer des Terrors zu sein.

Obwohl man in der DTP wieder und wieder beteuerte, Terror und Gewalt strikt abzulehnen und betonte, zu jedem Kompromiss bereit zu sein und jedes Projekt zur Lösung der Kurdenfrage gemeinsam diskutieren zu wollen, schaffte man es nicht, die entgleiste Stimmung im Parlament wieder zu besänftigen.

Als Abgeordnete der DTP die Übergabe von acht von der PKK entführten Soldaten organisierten, schlug die unterkühlte Stimmung endgültig in offene Aggression um. Generalstabschef Yasar Büyükanit schmähte die DTP als die Partei, deren "Namen er nicht in den Mund nehmen wolle."

Der Parteivorsitzende der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, forderte die Regierung auf, die Immunität, die Abgeordnete des Parlaments verfassungsrechtlich geniessen, für die DTP aufzuheben. Ahmet Türk, der ebenso wie DTP-Politikerin Leyla Zana auf der gerade aufgedeckten Todesliste von Ergenekon stand, begründete die dennoch anhaltende Weigerung seiner Partei, die PKK Terroristen zu nennen : "Wenn wir die PKK auf diese Weise verurteilen, werden wir die Verbindung zum Volk verlieren. Wenn wir Einfluss nehmen können, dann doch lieber, um das Blutbad endlich zu beenden."

Nach dem Bombenanschlag in Diyarbakir reagierte Premierminister Erdogan aggressiv. "Wenn diese terroristische Organisation (die PKK) eine politische Vereinigung sein soll (wie die DTP behauptet), wozu braucht man dann noch die DTP?"

Dennoch ist eben die demokratisch gewählte DTP ein Brückenpfeiler in der Lösung der Kurdenfrage, darüber ist man sich in liberalen Kreisen einig. Der Kolumnist und Historiker Murat Belge fragt: "Wenn wir uns ehrlich fragen, was wir von der DTP wollen, würde eine ehrliche Antwort nicht darauf hinauslaufen, dass wir von ihnen erwarten, sich in allem unserer Meinung anzuschließen? Und würde das nicht heißen, dass wir die kurdische Realität immer noch verneinen?"

Die Verbindung der DTP zur PKK ist kein Geheimnis. Ein Teil der DTP-Abgeordneten redet offen und mit Respekt vom "Kurdenführer Abdullah Öcalan", der auf der Gefängnisinsel Imrali einsitzt. Am 8.11. wurde der als Hardliner bekannte Nurettin Demirtas, der für seine Mitgliedschaft in der PKK früher zu Gefängnis verurteilt worden war, zum neuen Vorsitzenden der Partei gewählt. Aber sei es, so wurde in liberalen Kreisen gefragt, nicht besser, kurdische Aktivisten im Parlament in den politischen Dialog einzubinden als sie bewaffnet in den Bergen zu wissen?

Murat Belge schreibt in Radikal, dass es auch zwischen Sinn Fein und IRA Beziehungen gab, genauso wie zwischen der ETA und Batasuna. Eine Partei wie die DTP, die Beziehungen zur PKK hat, sei aber gerade jetzt und genau deswegen als Dialogpartner wichtig. "Wer mit niemandem zu reden bereit ist, wird auch keine politisch sinnvollen Lösungen finden."

Während sich ein Teil der Partei, Politiker wie der Gruppenvorsitzende im Parlament, Ahmet Türk, um eine gemäßigte Diskussion bemühen, führen andere, wie die Abgeordnete Leyla Zana, einen radikalen Diskurs. Leyla Zana hatte sich dafür ausgesprochen, Abdullah Öcalan, den wegen Hochverrat, Bildung einer terroristischen Vereinigung, Sprengstoffanschlägen, Raub und Mord verurteilten PKK-Vorsitzenden, dem Volk wieder näherzubringen und ihn aktiv in die Politik einzubinden. Die Lösung der Kurdenfrage in der Türkei könne und würde nur über Abdullah Öcalan führen (mehr hier).

Eine denkbar unpopuläre Aussage in der Türkei. Ahmet Insel, Professor für Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen an der Galatasaray Universität Istanbul, meinte zu mir im Gespräch: "Die DTP ist keine Partei, die Herr über ihre Wortführung ist. In der DTP gibt es Leute, die wollen, dass die Partei eine tatsächlich unabhängige Organisation ist, und es gibt Leute, die ihre Antennen auf die PKK gerichtet haben." Anders als Sinn Fein und die IRA hätte die DTP die PKK nicht unter Kontrolle, im Gegenteil. Auch die kurdisch-alevitische Dichterin Bejan Matur hat im Dezember in Zaman auf die Unterschiede zwischen Sinn Fein und der DTP hingewiesen. Und doch habe "Leyla Zana mit ihrer Analyse nicht Unrecht", meint Insel. "Für viele Kurden ist Öcalan immer noch ein starkes Symbol. Aber es hat keinen Sinn, auf Öcalan zuzugehen, wenn man nicht weiß, was man will. Die Regierung braucht zuerst eine klare Strategie für die Kurdenfrage."

Doch eben auf eine solche Strategie konnte man sich im Parlament auf keiner Seite einigen. Am 23. November 2007 stimmte das Verfassungsgericht der Anklage des Generalstaatsanwaltes Abdurrahman Yalcinkaya vom 16.11.2007 zu, der ein Verbot der DTP aufgrund "separatistischer Aktiväten" forderte (mehr hier und hier). Yalcinkaya hatte eine 121-seitige Anklageschrift verfasst, in der es hieß: "Alle Aktionen der DTP wurden unter der Führung einer terroristischen Vereinigung und unter der Direktive von Abdullah Öcalan vorgenommen."

Die Türkei hält bis zum heutigen Tag mit 26 gerichtlichen Parteiverboten einen einsamen Rekord. Und Parteien, die sich für eine Lösung der Kurdenfrage aussprachen, hatten nie eine lange Verfallsdauer. Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist die Türkei zu Entschädigungszahlungen verurteilt worden, doch jetzt sieht es so aus, als würde auch die DTP endgültig vom parlamentarischen Dialog ausgeschlossen. "Die Türkei befindet sich in einem Zustand gemeinschaftlichen Amoks. Der Amokläufer tötet alles, was sich sich ihm in den Weg stellt, verbreitet Terror und tötet sich am Ende selbst. Der einzige Unterschied ist, das es hier nicht ein Amokläufer ist, sondern eine ganze Nation." Baskin Oran malt in Radikal ein schwarzes Bild von der politischen Landschaft. Wenn die DTP, und damit das legale Sprachrohr für die kurdische Bevölkerung, aus dem Parlament verbannt würde, würde die PKK zum einzigen politischen Organ einer kurdischen Bewegung. "Die PKK sabotiert die DTP als Mittler in der Kurdenfrage", glaubt Oran.

Die Regierung hält sich bedeckt. Premierminister Recep Tayyip Erdogan sprach sich zwar gegen eine Schließung der Partei aus und betonte wiederholt, dass es wichtig sei, das Problem im Dialog zu lösen. Eine wirkliche Strategie hat seine Partei bis jetzt jedoch nicht vorgestellt. Ahmet Insel sieht im Umgang der AKP mit der Kurdenfrage Hilflosigkeit und Kalkül: "Die AKP will sich noch weitere Wählerstimmen in den Kurdengebieten sichern. Sie drängen die DTP in die Ecke einer extremistischen Partei, die die PKK unterstützt. Sie wissen auch, dass der Großteil der kurdischen Bevölkerung der DTP nicht in diese Ecke folgen wird."

Schon bei den Wahlen vom 22.Juli 2007 hatte sich die AKP in kurdischen Wahlkreisen viele Stimmen sichern können (mehr hier). Doch die vielen kurdischen Wähler, die sich von der diplomatischen Kurdenpolitik der AKP angesprochen gefühlt hatten, könnten enttäuscht sein. Andeutungen auf eine von der DTP begrüßte Generalamnestie für die PKK verliefen im Sand. Eine von der Regierung begonnene Werbekampagne, die darauf zielt, einzelne PKK-Kämpfer dazu zu bewegen, "nach Hause zurückzukehren", wurde von der Opposition als zu großes Zugeständnis und von der DTP als uneffektiver Schritt kritisiert.

Die DTP hat jetzt einen konkreten Lösungsplan vorgelegt. Auf einem Kongress in Diyarbakir Ende Oktober hatte man eine Liste mit Forderungen ausgearbeitet, die u.a. größere regionale Autonomie und konkrete Verfassungsänderungen vorsah (mehr hier). Dem ausgearbeiteten Text wurde im Parlament, außer von dem MHP-Vorsitzenden Devlet Bahceli, der es ein separatistisches Verräterprojekt nannte, kaum Beachtung geschenkt. Doch eine landesweite Verwaltungsreform, wie sie die DTP vorschlägt, und die den Kommunal-und Regionalparlamenten mehr Zuständigkeiten einräumen würde, würde nicht nur die Verwaltungsarbeit des Staates erleichtern, sondern auch die türkische Demokratie stärken. Hinter einer Forderung nach Dezentralisierung sofort Förderalismus und einen Zerfall des Staates zu wittern, ist ein Symptom des "Sevres-Traumas", benannt nach dem gleichnamigen - von der Türkei nie ratifizierten - Vertrag von Sevres, der, nach der Niederlage im 1. Weltkrieg die Aufteilung des Osmanischen Reiches vorsah. Das Trauma hat sich in diffuse Paranoia verwandelt.

Diese Paranoia findet sich auch in der türkischen Verfassung, im Strafgesetzbuch, im Parteiengesetz, im Vereinsgesetz. Sie durchsetzt die Medien, den politischen Diskurs, das nationale Unterbewusstsein. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 wurden Gesetze, die die "Unteilbarkeit der Nation und des Volkes" untermauern sollten, radikal verschärft. Die Verfassung von 1961, die viele individuelle Freiheiten gewährt hatte, musste der militärisch straff geschnittenen Verfassung von 1982 weichen, die auch heute noch gilt, und in der der Bürger als Individuum fast völlig verschwindet.

In Art.3 Abs.1 liest man: "Der türkische Staat, das Land und das türkische Volk sind ein unteilbares Ganzes. Die Sprache ist Türkisch." In dieser kurzen Formulierung finden sich laut der Analyse von Baskin Oran zwei Probleme, die der türkischen pluralistischen Realität, demokratischen Grundsätzen, und sogar türkischen Gesetzen widersprechen. Zum einen, weil ein "unteilbares Volk" einen monistischen Staat definiert, der jedwede ethnischen, religiösen und individuellen Unterschiede von vornherein ausschließt. Zum anderen, weil man mit dem Satz "Die Sprache ist Türkisch" annimmt, dass die Muttersprache aller in der Türkei lebenden Staatsbürger Türkisch sei.

Das daraus resultierende Parteiengesetz, das parteipolitische Veröffentlichungen oder Ansprachen in einer anderen Sprache als Türkisch verbietet, widerspricht auch dem Vertrag von Lausanne von 1923, der als Gründungsvertrag der Republik einen fast heiligen Status hat. Der Vertrag, der zwar nur Nicht-Muslime als offizielle Minderheiten anerkennt, garantiert aber in Art.39 Abs.4 absolute Freiheit der verschiedenen Muttersprachen, also auch des Kurdischen. Auch die Publikationsfreiheit in der Muttersprache wird im Lausanner Vertrag festgelegt. Obwohl es seit den Reformen vom Mai 2004 erlaubt ist, unter staatlicher Kontrolle in anderen Sprachen Fernseh-und Radioprogramme zu senden, handelt es sich dabei fast um Lippenbekenntnisse, da dies nur für den staatlichen Rundfunk gilt, der dafür nur wenige Sendeminuten zur Verfügung stellt.

Auch private Sprachschulen, die Kurdisch unterrichten, sind gesetzlich erlaubt, werden jedoch oft durch verschiedene bürokratische Hindernisse am Unterrichten gehindert. Emre Öktem, Dozent für Jura und Minderheitenrechte an der Galatasarayuniversität Istanbul, erklärt mir im Interview, dass die in der EU geltenden Verträge zum Schutz gegen Diskriminierung, wie die Europäische Menschenrechtskonvention, auch in der Türkei ratifiziert wurden: "Wir brauchen nicht wirklich neue Gesetze. Zuerst müssen die Gesetze, die wir haben, auch beachtet werden."

Ahmet Insel sieht, neben der nötigen Verwaltungsreform, den wichtigsten ersten Schritt in der Kurdenfrage in einer radikalen Diskursänderung. "Die neue Verfassung muss die Pluralität und die Multikulturalität der Bürger der Türkei anerkennen und schützen." Vorgeschlagen wird unter anderem auch, den Artikel 66 der Verfassung, "Jeder, der durch die Staatsbürgerschaft an den Staat gebunden ist, ist Türke.", zu ändern. Da das Wort "Türke" ethnokulturalistisch besetzt sei, sollte es durch "Türkiyeli" geändert werden, was man mit "jemand aus der Türkei" übersetzen kann. In Art. 3 soll "Sprache" in "Amtssprache" geändert werden. Auch diese Änderungsvorschläge, die nicht nur von der DTP gemacht wurden, sondern von vielen anderen Gruppen - Politikern, Politikwissenschaftlern -, finden sich in der Anklageschrift von Generalstaatsanwalt Yalcinkaya gegen die Partei.

Als Tayyip Erdogan nach dem Bombenanschlag am 3.1.2008 am darauffolgenden Samstag nach Diyarbakir fuhr und sich dort auch mit Vertretern verschiedener Nichtregierungsorganisationen traf, schlug ihm Sezgin Tanrikulu, Vorsitzender der Anwaltskammer von Diyarbakir, vor, Schulunterricht auf Kurdisch, Kurdisch als Wahlfach und an Universitäten Kurdologie als Studienfach einzuführen. Der Premierminister reagierte auf diesen Vorschlag wie erwartet. Es gäbe schließlich nicht nur Kurden, sondern auch Lasen, Tscherkessen und andere Minderheiten in der Türkei. Wie sollte man den Zerfall des Landes noch verhindern können, wenn sie alle Unterricht in ihren Sprachen fordern sollten?

Es ist jedoch genau diese Politik des eisernen Beharrens auf Unteilbarkeit, die seit Jahren Skelett auf Skelett türmt, schreibt Baskin Oran in seinem Buch "Türkiyede azinliklar - Minderheiten in der Türkei". Skelett: Damit meint er den wachsenden kurdischen Nationalismus, der sich proportional an einem zunehmend aggressiver werdenden türkischen Nationalismus hochschaukelt, und den Islamismus: "Das sind die Gruppen, die seit Jahrzehnten vom demokratischen Prozess ausgeschlossen werden." Und er fügt hinzu: "Ein Staat, der auf einer Nation aus erzwungenen Staatsbürgern aufbaut, sitzt auf Dynamit."