Magazinrundschau - Archiv

Die Weltwoche

110 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 11

Magazinrundschau vom 23.12.2008 - Weltwoche

Wolfgang von Mecklenburg, ehemaliger Anzeigenchef der Weltwoche, erklärt im Interview zur Zeitungskrise: "Ich glaube nicht, dass die Zeitungen überflüssig werden, aber die Branche verändert sich. ... Samstag und Sonntag gewinnen als Lese-Tage an Bedeutung. Während der Woche übernehmen Radio und Internet die Grundversorgung an Nachrichten. In der Schweiz sind es die Pendlerzeitungen. Die Gratiszeitungen bewirtschaften die Jungen als Zielgruppe. Was lesen die, wenn sie älter werden? Dieses Produkt müssen die Verleger jetzt entwerfen."

Alexej Wenediktow, Chefredakteur von Radio Echo Moskau, dem letzten unabhängigen Radiosender Russlands beschreibt den steigenden Druck auf die Journalisten in Putins Russland: "Es gibt objektive Zeichen für einen negativen Trend in den letzten acht Jahren. Insgesamt wurden 43 Gesetzesnovellen erlassen, welche alle die Pressefreiheit einschränken, und keine einzige Novelle, die unsere Möglichkeiten erweitern würde. In den letzten zehn Jahren wurden zwölf bis siebzehn Journalisten ermordet, aber in keinem Fall wurde bis zu Ende ermittelt. Es geht nicht darum, dass wir umgebracht werden, dies ist Teil unseres Berufsrisikos. Entscheidend ist, dass die Behörden diese Fälle nicht so untersuchen, wie sie es sollten. Hier wird der Journalist nicht als eine öffentliche Institution betrachtet, sondern vielmehr als Instrument in den Händen von jemandem."

Magazinrundschau vom 11.11.2008 - Weltwoche

Albert Kuhn porträtiert den Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky, Roman-, Fernsehserien- und Schlagerautor. 2006 veröffentlichte er eine fast 800 Seiten lange jüdische Familiensaga, "Melnitz", die in der Schweiz auf Platz 1 der Bestsellerliste landete. "Charles Lewinsky hat altmodische Prinzipien. Man habe nicht das Recht, sagt er, sich Künstlerin oder Künstler zu nennen. Ob etwas Kunst ist oder wird, entscheiden die, die ein Werk lesen, hören oder anschauen." Das können Leser ab 20. November überprüfen, ab dann erscheint nämlich Lewinskys Fortsetzungsroman in der Weltwoche. "Das Handicap: 'Doppelpass' ist kein bestehender Roman, der in servilen Häppchen abgegeben wird. Der Text soll fortlaufend geschrieben werden und Aktualitäten beinhalten. Also kann sich der Autor keinen Bogen und keinen Schluss ausdenken. Er muss das Unvorhersehbare laufend voraussehen. In Folge 40 darf nichts passieren, was nicht kompatibel ist zu Folge 1 bis 39. Ein Roman, der sich selbst Eier legt und Fallen stellt. Kommentar Lewinsky: 'Das wird ein scharfer Ritt. Ich hab so etwas noch nie gemacht. Darum sagte ich zu.'"

Magazinrundschau vom 28.10.2008 - Weltwoche

Der holländische Soziologe Paul Scheffer hat gerade ein Buch über Immigration veröffentlicht, "Die Eingewanderten". Im Interview spricht er unter anderem über die Chancen, die eine Einwanderungsgesellschaft birgt: "Aber ich meine es nicht so überschwänglich. Ich meine das ganz konkret, und es passiert. Man kann keine Forderungen an Immigranten stellen, die nicht sofort auf einen zurückschlagen. Man kann nicht verlangen, dass sie etwas wissen von europäischer Geschichte - ohne selbst etwas davon zu wissen. Deshalb haben wir jetzt in Holland viel mehr Geschichte im Unterricht. Immigration betrifft die ganze Gesellschaft, sie verändert sie. Immigration und Integration schneiden viel tiefer in unser eigenes Fleisch als dieser ganze sentimentale Diskurs über Multikulturalismus. Migranten können nur von einer Gesellschaft eingeladen und herausgefordert werden, die selbst einen starken Bürgerschaftssinn hat."

Magazinrundschau vom 07.10.2008 - Weltwoche

Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel fragt sich, ob 63 Jahre nach Auschwitz der Antisemitismus Bestandteil diskursiver Normalität ist - oder wieso sonst die antisemitische Rede Achmadinedschads vor der UN-Vollversammlung so wenig Protest ausgelöst hat: "Vielleicht liegt es an einem rhetorischen Trick. Achmadinedschad hat nicht von 'Juden', er hat von 'Zionisten' gesprochen, um seinem Antisemitismus einen ehrbaren Anstrich zu verleihen. Prompt feierte ihn die Vollversammlung der Vereinten Nationen als antiimperialistischen Star. Dass der iranische Präsident dem Wort 'Zionist' exakt dieselbe Bedeutung beimisst, die Hitler der Vokabel 'Jude' gab, dass er sich auch damit in die direkte Nachfolge von Revolutionsführer Chomeini stellt, dies scheinen viele zu übersehen."

Weitere Artikel: Kurt W. Zimmermann stichelt mit einer pessimistischen Bestandsaufnahme in Richtung der ihm zu zahmen schweizer Blogger: "Es gibt in der Eidgenossenschaft keinen frechen Polit-Blog, keinen gutgemachten Wirtschafts-Blog und keinen flotten Unterhaltungs-Blog. Vergleichsweise mickrige Schwachstrom-Blogs wie jene von Moritz Leuenberger und Kurt Aeschbacher gehören zu den Angeboten mit dem höchsten Beachtungsgrad."

In den USA hingegen, so berichtet Carmen Gasser, nutzten angesehene Ökonomen für einen Brandbrief an Finanzminister Paulson einen Blog namens Freakonomics : "Längst ist Bloggen keine Spielerei mehr von Internetfreaks. Es ist zu einem Massenphänomen geworden."


Magazinrundschau vom 30.09.2008 - Weltwoche

Wo sind sie nur hin, die waschechten Plots, die barocken, weitläufigen, rauhen Abenteuer in der Literatur? klagt Markus Gasser (Audio), um uns anschließend natürlich seine Neuentdeckung zu präsentieren. Patrick Rothfuss lässt in "Der Name des Windes: Die Königsmörder-Chronik" den berüchtigten Zauberer Kvothe nach dem Namen des Windes suchen - wenn er diesen beherrscht, kann er über ihn befehligen und sich an den Mördern seiner Eltern rächen. Melancholisch und selbstironisch reanimiere der Autor das Fantasy-Epos: "Rothfuss geht darin aufs Ganze und schenkt dem Genre Selbstbewusstsein im doppelten Sinn: Fantasy macht, Rothfuss sei Dank, doch noch was her; und seine Figuren sind Hauptdarsteller und zugleich Zuschauer ihres eigenen Stücks. Fantasy goes postmodern. Von einem Rothfuss hatte bislang noch niemand gehört; mit der 'Königsmörder-Chronik' wird sich das ändern."

Weitere Artikel: Charlotte Roche spricht mit Peer Teuwsen über Zweckpessimismus, den unerwarteten Erfolg der "Feuchtgebiete" und die Notwendigkeit, sich vor dem Star-Rummel zu schützen. Im Graubünden-Porträt zeigt Daniele Muscionico (Audio) dem Leser unter anderem die architektonischen Perlen des Kantons, wie Rudolf Olgiatis Gelbes Haus, die Kapelle in Sogn Benedetg oder die Felsentherme in Vals, beide von Peter Zumthor. Peter Hossli und Tobias Straumann porträtieren den amerikanischen Finanzminister Henry-Paulson. Und Wolfram Knorr bespricht den Baader-Meinhof-Komplex.

Magazinrundschau vom 23.09.2008 - Weltwoche

Der Historiker Hans-Ulrich Wehler zeigt im Interview Verständnis für die Kritiker, die sich über die Darstellung der DDR im fünften Band seiner Gesellschaftsgeschichte aufgeregt haben. Der Vergleich mit der Bundesrepublik "fällt in meinen Augen in allen wesentlichen Bereichen negativ aus für die DDR. Schlagend ist zum Beispiel, dass 1988 85 Prozent der ostdeutschen Studenten aus den Familien der Nomenklatur kommen. Dass der Anteil der Arbeiterkinder an den Universitäten sehr viel geringer ist als in der Bundesrepublik, und die war damals schon Schlusslicht in der Europäischen Gemeinschaft. Manche haben von einer bewundernswerten Sozialpolitik der DDR gesprochen. Aber die ist, wo immer Sie hinblicken, hundsmiserabel: Sie gab den Menschen nur einen Dreissigstel des westdeutschen Rentenwertes. ... Ich glaube, dass manche sich an der unterschiedlichen Tonart stoßen, weil ich die Bundesrepublik trotz ihrer Fehler und Mängel doch für eine Erfolgsgeschichte halte. Und dass die DDR daneben in allem abfällt. Ich habe mir die Mühe gegeben, das zu belegen. Es waren in der DDR nicht 5.000 oder 10.000, die alle Schlüsselpositionen hatten und miteinander versippt waren, sondern nur 550! Viele, vor allem solche Kritiker, die 1968 bei Linksgruppierungen waren, finden, so dürfe man mit der DDR nicht umspringen."

Die militärische Lage in Afghanistan hat sich verschärft, die Kämpfe dehnen sich mittlerweile bis tief in den einst stabilen Norden aus. Urs Gehriger sprach mit John Nagl über das Land, das für den Militär-Strategen eine viel schwierigere Herausforderung als der Irak
ist. Nagl hält eine Aufstockung der US-Truppen im Umfang von 10000 bis 15000 Mann für unvermeidlich, gleichzeitig setzt er auf den "Bau eines Straßennetzes, das die Menschen verbindet. Dafür braucht es keine Panzer, sondern Lastwagen und Straßenwalzen. Der zentrale Teil des Anti-Guerilla-Kampfes ist Aufbauarbeit. Dollars und Euros sind die wichtigsten Kugeln in diesem Krieg, sie wirken nachhaltiger als Gewehrgeschosse."

Magazinrundschau vom 24.06.2008 - Weltwoche

In der Weltwoche lesen wir den Anfang des Interviews, das Andre Müller mit Jonathan Littell geführt hat. An einer Stelle geht es um Michel Houellebecq:
"Müller: Was Sie mit Houellebecq verbindet, ist die Betonung des Sexuellen.
Littell: Darüber können wir gerne reden, solange es nicht persönlich wird.
Müller: In Ihrem Roman beschreiben Sie ausführlich die homosexuellen Praktiken der Hauptfigur, eines SS-Offiziers im Zweiten Weltkrieg. Ich habe mich gefragt, woher Sie Ihre Kenntnisse haben.
Littell: Darauf antworte ich nicht. Chacun sa merde, wie die Franzosen sagen. Das ist privat. Sie sollten mich nicht fragen, mit wem ich ficke. Ich frage Sie ja auch nicht, mit wem Sie ficken.
Müller: Ich ficke nicht.
Littell: Dann tun Sie mir leid. Mögen Sie Käse?
Müller: Käse?
Littell: Es gibt hier eine französische Käseplatte.
Müller: Ich teile alles mit Ihnen."
Das ganze Interview kann man heute online in der FR lesen.

Weitere Artikel: Andreas Kunz skizziert die Gefahren chinesischer Cyberspionage. Franziska K. Müller hörte eine Lesung aus der Autobiografie Pippin Wigglesworths.

Magazinrundschau vom 17.06.2008 - Weltwoche

Gleich mehrere amerikanische Magazine haben in letzter Zeit von einer innerislamistischen Meuterei gegen al-Qaida berichtet, Urs Gehringer unterhält sich darüber mit Pulitzerpreisträger Lawrence Wright, der kürzlich im New Yorker berichtet hatte, dass Sayyid Imam al-Sharif alias Dr. Fadl neue, weniger blutrünstige Regeln für den Dschihad aufgestellt habe. Gehriger kommt dies vor, "als ob Marx aus dem Grab gestiegen wäre, um Lenin den ideologischen Teppich unter den Füßen wegzuziehen". Er fürchtet, die Revolte könnte sich als Sturm im Wasserglas erweisen. Dazu Wright: "Al-Qaida wird ihren Terror fortsetzen, kein Zweifel, doch niemand kann ihre Philosophie mehr ernst nehmen. Die Organisation hat nichts vorzuweisen außer Blut und Elend. Ihre Ideologie wurde aus verrotteten intellektuellen Fragmenten - falsche Interpretationen von Religion und Geschichte - zusammengezimmert. Dr. Fadls Manifest hat dies schonungslos entlarvt."

Magazinrundschau vom 27.05.2008 - Weltwoche

Ein Video der Pariser Elektro-Band Justice hat die französische Presse aufgeschreckt. Gedreht von Romain Gavras, dem Sohn Constantin Costa-Gavras', zeigt es eine Jugendgang aus der Banlieue, die marodierend durch Paris zieht. Stefan Brändle hat sich das Video angesehen: "Gewalt ist das Mittel und der Zweck. Das steigert den verstörenden Effekt des Clips: Der gellende Beat versetzt uns auch in die Köpfe dieser Halbwüchsigen, die aufgezogen sind wie Stahlfedern, wie Getriebene durch die Gassen rennen und Dampf an allem ablassen, was ihnen in die Fänge kommt. Gavras schlägt sich aber nicht auf ihre Seite, wie das der Banlieue-Film 'La Haine' vor gut zehn Jahren vorgemacht hatte (als die casseurs noch bedeutend älter waren). Der 'Stress'-Streifen bezieht keine Stellung. Er erklärt nichts, er zeigt. Er zeigt die Opfer, die Täter, die Zaungäste, die Polizei. Aber er wertet nicht; er übertreibt auch nicht und beschönigt noch weniger; er verharmlost die Gewalt nicht und zelebriert sie ebenso wenig. Dafür offenbart das Video, was sonst gerne übersehen wird: dass diese Jünglinge, denen noch nicht einmal der Bartflaum sprießt, keinerlei Hemmschwellen mehr haben."

Außerdem: Markus Gasser kann sich Thomas Pynchons Erfolg bei der Literaturkritik nur damit erklären, dass Pynchon so schön kapitalismuskritisch ist.

Magazinrundschau vom 06.05.2008 - Weltwoche

Andre Müller interviewt die Geigerin Julia Fischer, die sich nach Kräften bemüht, nicht Auskunft zu geben. Ein Auszug:

"Wollen Sie Kinder haben?
Ja, selbstverständlich. Wozu ist man denn sonst auf der Welt?
Für die Kunst!
Das lässt sich doch gut vereinen, wenn ich es will. Nun werden Sie fragen, ob ich schon den geeigneten Mann dafür habe.
Nein.
Das ist eine von diesen doofen Journalistenfragen. Darauf antworte ich nicht."

Weiteres: Im Aufmacher würdigt Beatrice Schlag Madonna. Und Sacha Verna porträtiert den Romancier Nathan Englander, der nach seinem gefeierten Erzählband vor zehn Jahren jetzt seinen ersten Roman "Das Ministerium für besondere Fälle" veröffentlicht hat.