Charlotte Roche

Feuchtgebiete

Roman
Cover: Feuchtgebiete
DuMont Verlag, Köln 2008
ISBN 9783832180577
Gebunden, 220 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Nach einer missglückten Intimrasur liegt die 18-jährige Helen auf der Inneren Abteilung von Maria Hilf. Sie wartet auf den Besuch ihrer geschiedenen Eltern, in der irren Hoffnung, die beiden könnten sich am Krankenbett der Tochter endlich versöhnen. Unterdessen nimmt sie jene Bereiche ihres Körpers unter die Lupe, die gewöhnlich als unmädchenhaft gelten, und lässt Krankenpfleger Robin die Stellen fotografieren, die sich ihrem neugierigen Blick entziehen. Nebenher pflegt sie ihre Sammlung von Avocadokernen, die ihr auch in sexueller Hinsicht wertvolle Dienste leisten. Selbst wenn Helens Besessenheit eine Notoperation nötig werden lässt - ihr ungestümer Witz und ihre Wahrhaftigkeit machen sie zu einer Sensation nicht nur auf der Station des Krankenhauses. Sie spricht aus, was andere nicht einmal zu denken wagen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.05.2008

Um es mal klar zu stellen: Die Rezensentin Franziska Seyboldt ist Praktikantin der taz, und ihr Einspruch gegen manche säuerliche Kritiker des Buchs hat umso mehr Autorität, als sie sich das Buch anders als die Damen und Herren Großkritiker selbst gekauft und aus eigenem Antrieb gelesen hat. Es sei möglicherweise kein großes literarisches Werk, meint die Rezensentin. Aber ursprünglich hätte es wohl auch ein Sachbuch werden sollen, weshalb die Romanhandlung als eher notdürftig drum herum gestrickte Leseerleichterung zu verstehen sei. Wichtig aber sei das Buch allemal, schreibt Seyboldt, auch mit Rekurs auf die zahlreichen Kritiker und Verächter des Buchs. Vor allem für junge Frauen im Teenagerageralter. Denn es mache Front gegen die allgegenwärtige kapitalistische Zurichtung der Frauen zum makellosen, auf die Begehren der Männer und des Marktes ausgerichteten Objekt. Aber auch für erwachsene Frauen, die längst "Freundschaft mit ihren Körperflüssigkeiten" geschlossen haben, ist das Buch der Einschätzung der Rezensentin zufolge wegen seiner Sextipps und anderer nützlicher Tabubrüche eine Bereicherung. Schon, weil es unserer sexualisierten Gesellschaft das Aseptische und auch Asexuelle ihres Sex-Konzepts vor Augen führe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.04.2008

Lothar Müller gibt sich Mühe zu verstehen, was Charlotte Roches Buch "Feuchtgebiete" so erfolgreich macht, dass es selbst im internationalen Buchhandel Spitzenplätze belegt, und zwar in der deutschen Version. Um es gleich zu verraten: Einleuchten wird ihm das Ganze nicht, dafür wiegen die Minus-Punkte zu schwer: die abgedroschene Geschichte vom Scheidungspunkt, das seine Eltern wieder zusammenbringen will, die schlichte Prosa, das immergleiche Geplappere, das seinen Witz aus der vermeintlichen Nüchternheit bezieht, mit der hier die Intimbereiche, Ausscheidungen und Flüssigkeiten des weiblichen Körpers erkundet werden. Immerhin muss Müller zugeben gelacht zu haben, halb aus "peinlicher Berührtheit", halb aus "Genuss an der polemischen Energie", mit der Roche hier dem schmutzigen Körper zu einem großem, wenn auch "überkandidelten Comedy-Auftritt" verhilft. Denn wenn er dem Buch und seiner "Propaganda für das Ungewaschensein" etwas positiv anrechnet, dann seine Opposition gegen die Heidi-Klum-Welt der "reinen, schönen Körperoberfläche".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.03.2008

Sehr viel gemeinsam hat Charlotte Roche, daran lässt Patrick Bahners keinen Zweifel, mit dem Papst. Oder jedenfalls dem Papst, wie eine Figur in Denys Arcands in dieser Kritik sehr, sehr ausführlich zum Vergleich herangezogenem Film "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" ihn sieht: als in Sachen Sexualität auf seine ganz privaten Probleme (Masturbation, Prostata) reduziert. Um eine solche Reduktion geht es auch der als unkonventionelle Fernsehperson aufgefallenen Charlotte Roche. Als Romanautorin lässt sie nun eine ihr zu siebzig Prozent - sagt sie laut Bahners in Interviews - ähnelnde achtzehnjährige Heldin namens Helen furchtbare Hämorrhoidenprobleme haben. Und die sind willkommener Anlass, auch auf den weiblichen Restkörper den unerschrockenen Blick der wissenschaftlichen Beobachterin in eigener Sache zu werfen. Bahners findet das "klug" Und meint, dass hier die Perspektive von Engeln auf sehr Irdisches eingenommen wird. Der Rest ist Legende und "Autohagiografie".
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.02.2008

Wohlwollend äußert sich Rezensentin Jenni Zylka über Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete", auch wenn ihr das Buch wie ein "Schleimporno gegen den Hygienezwang" vorkommt. Im Mittelpunkt stehe die 18-jährige Helen, die wegen einer Analfissur im Krankenhaus liegt und über ihre Leidenschaft für Sex, Kot, Schleim, Blut, Eiter und Schorf monologisiert. Ein echter Porno ist das Werk in Zyklas Augen natürlich nicht, auch wenn es recht drastisch zur Sache geht. Als Aufschrei gegen den in unserer Gesellschaft grassierenden Hygienewahn, als "Hommage an das Unhygienische" und "Pamphlet für Masturbation" weiß sie das Werk durchaus zu schätzen, zumal sie der Autorin einen feministischen Impetus attestiert. Allerdings scheinen ihr die Geschichte recht dürftig und die Figur der Helen "seicht". Für sie funktioniert das Buch nur auf der "Ebene der Provokation". Das eigentlich Mutige daran ist ihres Erachtens, dass die allseits beliebte Charlotte Roche in Kauf nimmt, dass sich FeuilletonistInnen, die sie vorher mochten, nun angeekelt von ihr abwenden.
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