Justyna Sobolewska hat bei der Lektüre von
Slawomir Mrozeks jüngst erschienenen Tagebüchern aus den Jahren 1962-1969 ganz neue Seiten an dem polnischen Schriftsteller
entdeckt (
hier auf Deutsch), die in seinen Theaterstücken nie zum Vorschein kamen. Denn Mrozeks Tagebücher sind vor allem eine "innere Auseinandersetzung": Warum bin ich immer auf der Flucht? Wo ist Heimat? Was ist ein Pole? Ab 1962 lebte er in Italien und dort versuchte er sich von seiner polnischen Identität zu lösen, die ihm unsympathisch war: "'Die Polen erinnern an
durchnässte Hühner, die sich auf der Stange aneinanderschmiegen, während außerhalb des Hühnerstalls Zeit und Geschichte wüten.' Mrożek klammert sich an den Gedanken, dem Polen in sich entfliehen zu können dank ? seiner großen und gleichsam
jüdischen Nase. Er möchte 'durch die Möglichkeit des Juden den Polen in sich schwächen, doch ohne dabei zum Juden zu werden'. Er ergreift nicht das Wort zu polnischen Themen, selbst im März 1968, als auf die Studenten eingeschlagen wird, hat er nicht die Absicht, seine Unterstützung zu demonstrieren. Er möchte nicht so tun - wie er schreibt -, als ob er leide. Doch nach dem Einmarsch des
Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei veröffentlicht er auf Zureden, aber auch der
Stimme seines Herzens folgend, einen Protestbrief an die polnischen Machthaber. 'Die polnischen Machthaber lassen über mich schreiben, ich sei ein Verräter. Aber mich kümmern die polnischen Machthaber einen Dreck.'"