Iva Přivřelová
unterhält sich mit der bosnischen Filmemacherin
Jasmila Žbanić, deren Film "Quo vadis, Aida?" über das
Massaker von Srebrenica dieses Jahr viel positives Echo fand. Allerdings nicht von überall: "In Venedig haben wir uns lieber kundig gemacht, ob sich
serbische Journalisten auf dem Festival befinden, um uns darauf vorzubereiten, was auf der Pressekonferenz passieren könnte, denn die meisten serbischen Zeitungen werden von der Regierung kontrolliert. Es war aber keiner da. Trotzdem erschien am Tag der Premiere eine negative Rezension in Serbien, obwohl der Schreiber den Film gar nicht gesehen haben konnte." Žbanić betont, dass alle ihre Filme von der Gegenwart handeln, auch "Quo vadis, Aida?", obwohl er zum großen Teil 1995 spielt. "Serbische Nationalisten
leugnen immer noch den Genozid, was die Überlebenden verletzt und die politische Landschaft sowohl in Serbien als auch in Bosnien beeinflusst." Oft höre sie von Europäern, dass die Geschehnisse des Jugoslawienkriegs nicht viel mit dem europäischen Kontinent zu tun hätten. "Dabei sind wir alle viel mehr miteinander verbunden, als uns lieb ist. Indem wir zugelassen haben, dass es zum Massaker von Srebrenica kommen konnte (…) haben wir gleichsam
die eigenen europäischen Nationalisten angespornt. Denn sie haben erkannt, dass man einen Genozid begehen kann, ohne dafür bestraft zu werden. Unlängst habe ich ein Interview mit
Breivik gelesen, der all diese jungen Leute in Norwegen umbrachte - und er erwähnte Ratko Mladić und Radovan Karadžić (…) als Menschen, die er bewundere. Zur Zeit des Interviews waren die beiden noch keine verurteilten Kriegsverbrecher, sondern ganz normale europäische Bürger. Wären sie schon Jahre zuvor verhaftet und bestraft worden, wäre es womöglich auch mit Breivik anders verlaufen. Das meine ich, wenn ich sage, wir sind alle miteinander verbunden."