Efeu - Die Kulturrundschau
Was wir machen, ist immer sexy
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Kunst
Weiteres: Für die NZZ stochert Christian Saehrendt im Kasseler Documenta-Archiv nach abgelehnten Bewerbungen.
Besprochen werden die große Ai-Weiwei-Retrospektive in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf (nach der es auch taz-Kritiker Falk Schreiber für ungerecht hält, Ai Weiwei als Selbstdarsteller abzutun), eine Retrospektive des Malers Otto Zitko im Museum Lentos in Linz (FAZ) und eine Schau der Fotografin Ilse Bing in der Charlottenburger Galerie Berinson (Tsp).
Architektur

Bühne
Weiteres: Bei den Bad Hersfelder Festspielen feuerte Deniz Yücel seine Salven gegen den Verfassungsschutz, aber sonst machte sich Dieter Wedels Abgang in den Augen von SZ-Kritikerin Adrienne Braun kaum bemerkbar. Auch sein Nachfolger Joern Hinkel setzt auf Unterhaltung und selbst bei Kafkas "Prozess" auf Humoriges: "'Was macht eine Bombe im Bordell?', fragt da K.s Chef - 'Puff!'" In der FR unterhält sich Stefan Schickhaus mit der Cellistin Raphaela Gromes über Jacques Offenbach. In der Nachtkritik berichtet Sophie Diesselmann vom Alternativen Volksbühnen-Gipfel "Staub zu Glitzer", der nach René Polleschs Berufung zum Intendanten ein bisschen ins Leere lief.
Besprochen wird Dedi Barons ambitionierte Inszenierung von Else Lasker-Schülers tragisch-lyrischem Stück "IchundIch" am Wuppertaler Schauspiel (SZ, FAZ).
Literatur
Aktuell: Die FAZ meldet, dass der Schweizer Autor Lukas Bärfuss den Georg-Büchner-Preis erhält. Mehr bei der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Für Tell-Review hat Sieglinde Geisel ein großes Gespräch mit Zoltán Danyi über dessen Roman "Der Kadaverräumer" geführt, in dem der serbisch-ungarische Schriftsteller fragmenthaft von einem traumatisierten Heimkehrer aus dem Jugoslawienkrieg erzählt. Der Text entstand aus ersten kleinen Prosatexten über Menschen, die Danyi immer wieder vors geistige Auge traten. "Es waren nicht nur diese Bilder und Figuren, sondern ich fand nun auch eine Sprache dafür. Mein Stil veränderte sich tiefgreifend. Ich wollte nicht etwas schreiben, das aussieht wie Literatur, sondern etwas, das ich gefunden hatte, und es war mir egal, ob es gute Literatur ist oder nicht. Ich brauchte mich einfach nur den Wellen der Sätze, ihrem Rhythmus zu überlassen, ich musste mich nicht um die Handlung oder die Figuren kümmern oder darüber nachdenken, ob die Geschichte als Ganze einen Sinn ergibt. Es war wie Musikmachen. ... Terézia Mora hat nicht nur die Bedeutung der Sätze übersetzt, sondern auch ihren Rhythmus. Diese Geschichte verliert ihren Sinn, wenn man sie ohne ihren Rhythmus erzählt, sie würde banal."
Weitere Artikel: Sehr ausführlich spricht das Ehepaar Ann und Jeff Vandermeer, die sich längst zu den wichtigsten US-Anthologisten der phantastischen Literatur gemausert haben, mit Longreads über ihr neues Buch, "The Big Book of Fantasy", das die historischen Wurzeln der literarischen Fantasy freilegt.
Besprochen werden unter anderem Lesley Nneka Arimahs "Was es bedeutet, wenn ein Mann aus dem Himmel fällt" (Dlf Kultur), Ulf Stolterfohts "Fachsprachen XXXVII-XLV" (Tagesspiegel), Ljudmila Petruschewskajas "Das Mädchen aus dem Hotel Metropol" (Dlf Kultur), Kate Atkinsons "Deckname Flamingo" (Tagesspiegel), Sophie von Maltzahns "Liebe in Lourdes" (online nachgereicht von der FAZ), die Autobiografie des Comiczeichners und "Corto Malteste"-Schöpfers Hugo Pratt (Tagesspiegel) und Bettina Wohlfarths "Wagfalls Erbe" (FAZ).
Mehr auf unserem literarischen Meta-Blog Lit21 und ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
Film
Besprochen werden Klaus Lemkes vom ZDF online gestellter neuer Film "Neue Götter in der Maxvorstadt" (Tagesspiegel, Perlentaucher, Dlf Kultur hat mit dem Regisseur gesprochen), Elena Tikhonovas "Kaviar" (SZ) und das auf Netflix gezeigte "Shaft"-Sequel mit Samuel L. Jackson (Welt).
Musik
Bei der musica viva hat Enno Poppe seine Komposition "Rundfunk" aufgeführt und SZ-Kritiker Michael Stallknecht damit so profund verstört, dass der sich erst einmal draußen im Biergarten neu sortieren musste. In Aussicht gestellt wurde "eine Art historisch informierte Aufführungspraxis für Klänge der Sechziger- und Siebzigerjahre. Der Komponist hat festgestellt, dass der Sound der älteren Synthesizer heute kaum noch wiederbelebt werden kann, weil sich Exemplare davon allenfalls in Museen finden. Also setzt sich Poppe gemeinsam mit Musikern des Ensemble Mosaik an neun moderne Synthesizer, welche die älteren Klänge reproduzieren. Doch entweder sind die Sechzigerjahre tatsächlich entschieden verrückter gewesen als unsere Zeit, oder es liegt an Poppes flirrender Textur aus kleinsten Motivpartikeln, dass 'Rundfunk' zu einer Belastungsprobe für Gehör und Gehirn wird, die einer einstündigen Wurzelbehandlung beim Zahnarzt gleicht." Das wollen wir uns nicht entgehen lassen - hier eine Live-Aufnahme vom Ultraschall-Festival:
Weitere Artikel: Juliane Liebert erkundigt sich für die SZ nach dem Gesundheitszustand des jahrelang drogenabhängigen Musikers Peter Doherty. Günter Platzdasch berichtet in der FAZ vom Rudolstadt-Festival, von dem Dlf Kultur einen vierstündigen Mitschnitt bringt.
Besprochen werden Carlos Santanas neues, von Rick Rubin produziertes Album "Africa Speaks" (Standard) und neue Klassikveröffentlichungen, darunter eine neue CD des Bennewitz-Quartetts, für SZ-Klassikkolumnist Harald Eggebrecht "eine der besten Formationen der Zeit." Auf Youtube-Music steht das Album online: