Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
05.04.2004. Diese Woche lesen Sie: Wer konservative Verlegertugenden preist. Wer einen Traumstart im Buchhandel hingelegt hat. Und wer in aller Stille beerdigt werden soll. Von Sandra Evertz

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Nach den "100 größten deutschen Buchhandlungen" (siehe Archiv) widmet sich der Buchreport den 100 größten deutschen Verlagen und stellt fest: "Die großen Buchhandelsfilialisten wachsen, die Verlage stagnieren. Die Sparten driften auseinander." Die Umsatzentwicklung im Ranking der Buchhandlungen habe bei stolzen +5,8 Prozent gelegen, die der Verlage bei gerade mal +1,7 Prozent. Und selbst dieser schmale Zuwachs sei wesentlich das Ergebnis einer Großfusion (Westermann) und eines Bestsellers ("Harry Potter V"), erläutert David Wengenroth. "Ohne diese beiden Ergebnisse hätte der Durchschnittsumsatz der Branchengrößten ein Minus von 0,6 Prozent ergeben." Wengenroth befürchtet, dass aus dem traditionellen Miteinander von Buchhandlungen und Verlagen ein dauerhaftes Gegeneinander werden könnte, wenn die Verlage nicht auf breiter Front wieder Tritt fassten.

Hier
eine Liste der "Top 100"-Verlage.

Alexander Fest, seit zwei Jahren an der Spitze der Rowohlt-Verlage, spricht sich im Buchreport-Interview für konservative Verlegertugenden aus. "Die Arbeit muss vermutlich noch persönlicher, und in dieser Hinsicht altmodischer, werden - auch im eigenen Haus", erklärte Fest. Angesichts des unübersichtlich gewordenen Buchmarkts würden deutliche Profile verlangt. Sich an Trends zu hängen, habe zu einer Reihe von Misserfolgen bei den Verlagen geführt: "Erfolge sind in diesem Geschäft nicht berechenbar."

Der Rundumschlag gegen "immer schlechter werdende Übersetzungen", bei dem im Spiegel Ende Februar "John Henry Days" und "Die Korrekturen" herhalten mussten, lässt die Diskussion um Urhebervertragsrecht und Übersetzerhonorare wieder aufleben. Die Argumente seien ausgetauscht, so die vorläufige Bilanz des Buchreports, die Fronten verhärtet, die Verhandlungen steckten in einer Sackgasse. Jetzt zweifelten die Verleger an, ob der Verband der Literaturübersetzer überhaupt befugt sei, für alle Übersetzer zu sprechen. "Eine allgemeine Festsetzung der Vergütungsregeln kann der Vielschichtigkeit der Branche kaum gerecht werden", wetterte Random House-Justiziar Rainer Dresen.

Börsenblatt

Nach der Messe ist vor der Messe und Wolfgang Marzin, neuer Chef in Leipzig, denkt angesichts schwarzer Zahlen, die das Bücherfestival im operativen Geschäft schreibt, bereits über Wachstum und eine Vergrößerung der Fläche nach. Man stehe in keinem quantitativen Wachstumswettbewerb, auch nicht mit Frankfurt, betonte Marzin im Börsenblatt-Interview: "Wir wollen dem Markt dienen und nicht ins Unermessliche wachsen." Sein Ziel für die nächsten Jahre sei, den Buchhandel stärker an die Messe zu binden und den Literaturaustausch weiter auszubauen.

Zustände wie bei den Nachbarn auf der Insel herrschen in Deutschland, was die Buchbranche betrifft, glücklicherweise nicht. Seit dem Fall der Preisbindung vor mehr als einem Jahrzehnt habe sich der britische Buchmarkt radikal verändert, berichtete der unabhängige Verleger Pete Ayrton aus London am Rande der Leipziger Buchmesse. Als "desaströs" bezeichnete Ayrton die Rahmenbedingungen für kleine engagierte Häuser wie seines. Unabhängige Buchhandlungen seien von Ketten weitgehend verdrängt worden. Ein Verlagsprogramm unterzubringen koste: 60 Prozent Rabatt und 700 Euro Miete pro Monat - einzig und allein dafür, dass die Titel von einer Großbuchhandlung am Lager gehalten würden.

Mit der Zulassung eines zeitlich begrenzten Buchverkaufs am Messestand bliesen die Leipziger - nach dem Tohuwabohu in Frankfurt - einen weiteren Versuchsballon auf. Rund 80 Prozent der Aussteller hätten Verkaufsabsichten angemeldet gehabt, schreibt Nils Kahlefendt im Börsenblatt. Bei seinen Testbesuchen am Messesonntag registrierte er zwar "keine Messebesucher, die ihren Lesestoff für die nächsten Jahre abschleppten", dafür aber Verleger, die für eine Ausweitung der Verkaufsmöglichkeiten plädierten und eine ausnahmslos penible Einhaltung der Ladenpreise.

Anzeigenrückgänge hin oder her: Gleich zwei neue Magazine, die sich an ein Politik und Kultur interessiertes Publikum richten, Cicero und Monopol, sind auf den Markt geschwemmt. Das von den ehemaligen FAZ-Mitarbeitern Florian Illies und Amelie von Heydebreck im eigenen Juno Verlag herausgegebene Monopol-Magazin werde von Investoren finanziert, die sich aus "rein privatem Interesse an der Kunst und an dem Projekt" engagierten, hat das Börsenblatt herausbekommen, allerdings nicht, wer die Gönner sind. Monopol wird in Berlin produziert, startete mit einer Auflage von 60.000 und soll alle zwei Monate erscheinen.

Jan Bayer
ist ab sofort Verlagsleiter der Süddeutsche Zeitung GmbH. Weitere Personalien aus der Buchbranche.

Meldungen: Kultur-Staatsministerin Christina Weiss will mehr Geld in die Kurt-Wolff Stiftung (mehr), die sich für "eine Förderung der vielfältigen Verlags- und Literaturszene" einsetzt, fließen lassen. Das Online-Antiquariat ZVAB plant, bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse erstmals eine Antiquariatsmesse zu organisieren. "Bookmark", das neue Büchermagazin von Helmut Markwort, hatte bei der TV-Premiere Ende März einen Marktanteil von nur 0,8 Prozent.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Optimismus und Lob, aber auch kritische Worte zur Leipziger Buchmesse hat der Buchreport wahrgenommen. Buchmesse-Leiter Oliver Zille und Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann hätten angesichts der Rekordzahl von 102.000 Besuchern und 2084 Ausstellern ein Freudenkonzert angestimmt. Schormann habe der Buchbranche gar einen Zuwachs von vier Prozent für dieses Jahr vorausgesagt. "Bei den meisten Messebesuchern fand der Vorsteher mit seinem fröhlichen Optimismus keinen Glauben", kommentiert der Buchreport. Zum Teil hämische Kritik habe es in den Feuilletons gegeben: für die Selbstinszenierung der Branche, die Eröffnungsrede und die Gala zur Verleihung des Deutschen Bücherpreises. Vielen Verlagen sei der, im Jubel um den Besucheransturm untergegangene, geringe Anteil der Fachbesucher (nur 25 Prozent!) übel aufgestoßen.

"Leipzig liest" weiter, das scheint schon seit einigen Wochen festzustehen. Jetzt ist offiziell: Der Bertelsmann Club hat Messeleiter Oliver Zille signalisiert, dass er nach Ablauf der zugesicherten finanziellen Beteiligung mit der diesjährigen Messe Partner des Lesefests bleibe. Zille wolle künftig auch branchenfremde Partner akquirieren, sagte er, sodass der Weggang eines einzelnen Geldgebers das Fortbestehen der Veranstaltung nicht gleich in Frage stelle. In diesem Jahr konnte die Leipziger Messe das Kuratorium Haus des Buches e.V. und den Spiegel als Sponsoren gewinnen.

Einen "Traumstart im Buchhandel" hat der Buchreport der SZ-Bibliothek attestiert: "Zum Start (...) erntet die bis dahin noch nicht als Buchverlag in Erscheinung getretene Süddeutsche Zeitung die Früchte einer drei Millionen Euro teuren Werbekampagne." Buchhändler aus ganz Deutschland meldeten hohe Abverkäufe, bei Amazon stünden Band 1 und 2 der Bibliothek auf den Rängen 8 und 16. 24.000 Leser hätten nach Angaben der SZ die komplette Bibliothek bestellt (im Börsenblatt sind es laut Business-Manager Klaus Füreder 32.000 Bestellungen), was einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren entspreche. Nicht alle "Billigheimer" wirbeln gleich viel Staub für das neue Sonderangebot auf: Während Weltbild die SZ-Bibliothek prominent im neuen April-Katalog verkaufe, könnten die Titel beim Bertelsmann Club nur übers Internet bezogen werden.

Mit Spannung erwartet wurde die Bilanzpressekonferenz des Branchenriesen Bertelsmann. Enttäuscht ist der Buchreport von der Rede des Vorsitzenden Dr. Gunter Thielen. "Was wie markiger Schlachtgesang klingen sollte, verblasste bei nachträglicher Lektüre oft zu wenig verbindlichen Versatzstücken (...) Worthülsen nur, wo Mitarbeiter, Konkurrenten und Presse Visionen erwartet hatten." Der Bertelsmann Club habe seine Verluste übrigens um rund 70 Prozent verringert, bliebe aber noch unterhalb der Gewinnschwelle. Und der Börsengang, bisher für 2005 angepeilt, finde frühestens im Mai 2006 statt.

Die Präsentation der Branche auf der Leipziger Buchmesse fand David Wengenroth misslungen. Die Marke "Deutscher Bücherpreis" sei beispielsweise irreparabel beschädigt, schreibt er auf der Meinungsseite des Buchreports, und sollte in aller Stille beerdigt werden. Weder die Berichterstatter der Feuilletons noch die Buchmenschen hätten dem Optimismus des Börsenverein-Vorstehers teilen können. Wengenroth hält trotz der schlechten Vorstellung nichts davon, dass der Börsenverein in Zukunft von der Branchendarstellung die Finger lässt: "Eine gute Außendarstellung der Branche kann einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der gegenwärtigen Krise leisten."

Personalien: Marlies Hebler wird Leiterin des Rogner & Bernhard Verlags. Gegenkandidaten von Dieter Schormann haben sich zur Wahl des Börsenverein-Vorstehers am 19. Mai in Bonn nicht aufstellen lassen.

Welche Titel es diese Woche in die Bestsellerlisten geschafft haben, hier.