9punkt - Die Debattenrundschau - Archiv

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9punkt - Die Debattenrundschau vom 28.11.2023 - Ideen

"Schulden sind Kredite und diese wiederum äußert raffinierte oder gar magische Instrumente. Sie sind nämlich die einzigen Erfindungen, vielleicht neben der Heilsgeschichte, mit denen man die Zeit beherrschen und die Zukunft in die Gegenwart holen kann", sagt der Philosoph Joseph Vogl im Gespräch mit der Berliner Zeitung, in dem er auch erläutert, wie Schulden die Demokratie bedrohen können: "Einerseits sind sie Instrumente für eine antizyklische Wirtschaftspolitik, etwa für Investitionen in Krisenzeiten. Anderseits hat sich nach der Finanz- und Eurokrise eine Neigung gezeigt, das kollabierende Finanzsystem mit öffentlichen Geldern zu retten, was insbesondere in der Eurozone zu einer Umverteilung von Finanzrisiken von oben nach unten bedeutete - steigende Arbeitslosigkeit, Kürzung von Sozialleistungen, erodierende Infrastrukturen. Das Finanzpublikum wurde gegenüber dem demokratischen Stimmpublikum privilegiert."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 27.11.2023 - Ideen

Die Idee des Zionismus, die maßgeblich auf Theodor Herzl zurückgeht, wird des Öfteren von politischen Hardlinern in Israel missbraucht, schreibt Paul Jandl in der NZZ. "Mit dem Phantasten allerdings, der so kühn war, die Gründung Israels als eine Art Volksfest zu imaginieren, bei dem sich die Juden und die arabisch-muslimische Welt in die Arme fallen, ist heute kein Staat mehr zu machen", so Jandl. Dieser träumte in seinem Roman von dem friedlichen Zusammenleben aller Kulturen: "Für den Feuilletonjournalisten Theodor Herzl gab es einen fiebrigen kulturellen Traum, der schwer mit dem jetzigen politischen Wachzustand des Nahen Ostens in Verbindung zu bringen ist. Seine naiven Visionen am Übergang zum 20. Jahrhundert gingen weit über die Idee politischer Landkarten hinaus. Sein neues altes Land sollte in der 'Cultur ein Wunderland' sein, das man besucht wie Lourdes, Mekka oder das chassidisch-bukowinische Sadigura. 'Neu Judäa soll nur durch den Geist herrschen', hat Theodor Herzl geschrieben und sich eine entmilitarisierte Zone gewünscht, in der alle Menschen in Frieden leben."

Auf geschichtedergegenwart.ch zeichnet der Historiker Felix Schürmann die Begriffsgeschichte des Wortes "Clan" nach. Heutzutage wird der Begriff besonders für kriminelle Strukturen benutzt, was meist unpassend und falsch sei. "Die geballten Probleme werfen die Frage auf, ob es sich überhaupt lohnt, am Clan-Begriff festzuhalten. Eine abwägende Antwort lautet: Ja - sofern man ihn als Modell begreift und nicht mehr von ihm erwartet, als er leisten kann. Ein Modell reduziert die Komplexität der Wirklichkeit, um ihre Grundzüge greifbar zu machen. Weil Modell und Wirklichkeit nicht identisch sein können, verhält es sich mit keinem Clan exakt so, wie Theorien Clans beschreiben. So verstanden kann der Clan-Begriff durchaus helfen, sich in den komplexen Landschaften sozialer Verwandtschaften, Zugehörigkeiten und Affinitäten zu orientieren. Doch je näher in eine solche Landschaft hineingezoomt wird, desto stärker greifen die Vorteile kontextspezifischer Eigenbezeichnungen. Wie man verwandt sein kann, das lässt sich aus der Binnensicht einer Gesellschaft besser verstehen als mit einem universalistischen Dachkonzept."
Stichwörter: Zionismus, Gründung Israels

9punkt - Die Debattenrundschau vom 25.11.2023 - Ideen

Für die SZ trifft sich Jörg Häntzschel mit dem Autor David van Reybrouck, der unter anderem Bücher über die Geschichte Kongos und Indonesiens geschrieben hat. Die Debatte um Kolonialismus sei zu eng, sagt er: "'Im 21. Jahrhundert betrachten wir den Kolonialismus des 20. Jahrhunderts durch die Linse des Nationalstaats des 19. Jahrhunderts.' (…) Und auch die heutige postkoloniale Bewegung ist ihm, bei aller Sympathie, ein wenig fremd. Schon bei seiner Schilderung der Unabhängigkeitskämpfe in den Kolonien interessierten ihn die Macher der Dekolonisierung mehr als deren Vordenker, die historischen Ereignisse mehr als die Theorie. Und so wundert er sich, dass viele Aktivisten all ihre Energie in die Entfernung von Denkmälern, die Umbenennung von Straßen und die Überarbeitung von Schulbüchern stecken. 'Man muss unterscheiden zwischen Intentionen und Systemen, Strukturen und Symbolen', sagt er. 'Viele tun so, als sei der Kolonialismus vorbei, und wenn er nicht vorbei ist, lebt er als Rassismus weiter.' So als sei die Dekolonisierung des Denkens die letzte unerledigte Aufgabe, bevor zwischen Nord und Süd Gerechtigkeit herrscht."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 24.11.2023 - Ideen

Für ihre Analyse postkolonialer Theorien auf ZeitOnline hatte Julia Werthmann auch Gespräche mit hierzulande an Universitäten lehrenden Vertreterinnen des Postkolonialismus geführt, im Nachhinein wurde kein Zitat freigegeben. Werthmann setzt sich mit verschiedenen Vorwürfen an den Postkolonialismus auseinander, unter anderem mit jenem des Antisemitismus: "Diese Kritik scheint schon deshalb allzu pauschal, weil sich bei vielen postkolonialen Theoretikerinnen Einflüsse aus den jüdischen Studien nachzeichnen lassen und oft auch ein Ineinandergreifen von Rassismus und Antisemitismus betont wird. … Und dennoch lässt sich fragen, ob beide Diskriminierungen stets kongruent verlaufen. Gibt es doch etwa auch die antisemitische Verschwörungstheorie des sogenannten Finanzjudentums, die Juden dämonisiert, indem sie ihnen Allmächtigkeit unterstellt. Der indische Historiker Benjamin Zachariah, der am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig zu Kolonialismus und Faschismus forscht, meint deshalb im Gespräch mit ZeitOnline: 'Antisemitismus ist der blinde Fleck der postkolonialen Theorie.' Vielleicht ist sie nicht gänzlich blind und doch bleibt die Frage, ob sie es nicht verfehlt, die Unterschiedlichkeit der Herabwürdigungen ausreichend zu erhellen."

Linke Theoretiker sollten sich mit manch "gedanklichem Kurzschluss" von Edward Said auseinandersetzen, fordert indes Thomas Ribi in der NZZ und erinnert unter anderem an die Empörung über das Foto aus dem Jahr 2000, das zeigt, wie Said an der Grenze zwischen Libanon und Israel einen Stein Richtung Israel warf. Heuchlerisch, meint Ribi, Saids politisches Engagement war absolut kein Geheimnis: Man "hätte wissen können, dass er ein Extremist war, für den Terrorismus als legitimes Mittel galt, wenn es um das ging, was er als Kampf für die Befreiung Palästinas bezeichnete. Der dandyhafte Gelehrte war ein Ideologe der palästinensischen Widerstandsbewegung gewesen, jahrelanges Mitglied des Exilparlaments der Palästinenser und einer der engsten Berater von Yasir Arafat." Und weiter: "Schon vor dem Osloer Vertrag hatte Said den Ton verschärft. Die Autonomiebehörde kritisierte er als 'korrupte, polizeistaatliche Autokratie', Israel als brutale 'Militärmacht'. Arafats Zusicherung, künftig auf Gewalt zu verzichten, bezeichnete er in aller Offenheit als Akt der Kollaboration mit den 'israelischen Okkupanten'. Dass der 'Kollaboration' verdächtigte Palästinenser erschossen oder gefoltert wurden, hatte er schon Ende der achtziger Jahre gerechtfertigt."

Ebenfalls in der NZZ untersucht der Philosph Reinhard K. Sprenger die Natur des Konflikts. In Bezug auf den Nahost-Konflikt konstatiert er: "Grundsätzlich ist die Frage nach dem Beginn eines Konflikts naiv: Sie ist weder sinnvoll zu diskutieren noch zu beantworten. Im sozialen Bereich sind die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge so ineinander verschachtelt, dass sich kein Anfang finden lässt - nicht ohne dem bereits Gewordenen Gewalt anzutun." Letzendlich ginge es bei der Suche nach Ursachen immer nur darum "Schuldige zu produzieren", stattdessen müsse man irgendwann "die vergiftete Vergangenheit hinter sich lassen. Sich vielmehr auf das gegenwärtige Erleben der Situation konzentrieren. Dann den Blick in die Zukunft richten, auf einen Zustand, der weniger leidvoll ist. Mehr ist nicht zu wollen. Denn Konflikte lassen sich nicht lösen. Sondern nur in Bewegung bringen. Sie lassen sich beruhigen, aber nicht beseitigen."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.11.2023 - Ideen

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"Ich halte es für eine Konstante in der Menschheitsgeschichte, dass jede Gruppe die Art von Grausamkeiten verübt, zu der sie ideologisch, technisch, administrativ und militärisch fähig ist", antwortet der Philosoph Hanno Sauer, dessen Buch über Moral für den deutschen Sachbuchpreis nominiert war, als er im Tagesspiegel-Gespräch gefragt wird, wie es möglich sein konnte, dass nach vielen Jahrhunderten der moralischen Fortentwicklung des Menschen die Deutschen mit dem Holocaust ein Verbrechen von einer bis heute nicht mehr erreichten Dimension begingen: "Der Holocaust war da keine Ausnahme, einzigartig war nur die Form, in der hier der Massenmord organisiert wurde. Jede gesellschaftliche Formation in der Geschichte verübt Grausamkeiten bis hin zum Genozid, zu denen sie fähig ist. Das passiert immer wieder. Nachdem die Atombombe entwickelt war, wurde sie auch eingesetzt. Zu den Voraussetzungen des Holocaust gehört, dass sich in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit eine Dynamik entfachen lässt, die eine Gruppe von Menschen gegen eine andere stellt, in diesem Fall nicht-jüdische Deutsche gegen Juden. Nur in diesem Kontext war die Entwicklung hin zum Massenmord möglich."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.11.2023 - Ideen

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Die große Gefahr des Klimawandels ist "ein Kollaps der Gesellschaft, unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie", warnt im Tagesspiegel-Gespräch der Klimaphysiker Anders Levermann, der in seinem Buch "Die Faltung der Welt" für Wirtschaftswachstum in begrenztem Raum plädiert: "Unser Wohlstand und das immense Wirtschaftswachstum der vergangenen 100 Jahre sind direkt an das Verbrennen von fossilen Brennstoffen gekoppelt. Unsere Wirtschaft verursacht also den Klimawandel und wird zugleich unter dessen Folgen zu leiden haben. Dabei muss man die Wirtschaft immer als Teil der Gesellschaft begreifen. Die Sichtweise 'die Wirtschaft gegen uns' hat wenig Wert. Es geht um gemeinsame Verantwortung für die Zukunft. (…) Wir können nicht einfach aufhören, uns zu entwickeln. Wir brauchen Wirtschaftsaktivität, um die extreme Armut und Ungleichheit auf dem Planeten zu reduzieren, und außerdem hilft uns eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes in der Klimakrise ohnehin nur bedingt. Vielen Leuten ist nicht klar: Wir stabilisieren die Temperatur der Erde nur, wenn wir auf null Emissionen kommen."

Im Welt-Gespräch mit Jakob Hayner hält der Philosoph Christoph Türcke das neue "Selbstbestimmungsgesetz" für die Durchsetzung einer neuen Doktrin: Das Gefühl werde hier zu einem Sein aufgespreizt, behauptet er und sucht die Begründung in der Digitalisierung: "Erst vor etwa 50 Jahren, mit dem Beginn der mikroelektronischen Revolution, begann der Diskurs, der der Zweigeschlechtlichkeit jegliche Naturgrundlage bestritt und behauptete: Sie ist nichts als eine patriarchale Konstruktion. Die Mikroelektronik hat die Binarität von Arbeit und Freizeit, von Öffentlichkeit und Privatsphäre tendenziell aufgelöst und damit die Deregulierung der kapitalistischen Produktion eingeleitet, die sich seither unaufhaltsam in alle Lebensbereiche ausdehnt. Spätestens mit dem Siegeszug des Smartphones ist sie in das Innere des Geschlechterverhältnisses eingedrungen. Seither kann man förmlich zusehen, wie das herkömmliche Geschlechtszugehörigkeitsgefühl an Selbstverständlichkeit verliert."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.11.2023 - Ideen

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In seinem aktuellen Buch "Die Rechte der Natur" fordert der Philosoph Tilo Wesche, der Natur Eigentumsrechte einzuräumen. Im taz-Gespräch erläutert er: "Wenn die Natur Eigentumsrechte hat und Menschen Naturgüter nutzen, kann ihnen auch eine Gebühr für die Naturnutzung abverlangt werden. Weil sie die Natur nutzen, müssten Unternehmen auch zahlen. Die Natur bekommt dann einen Preis, und dieser Preis muss reinvestiert werden, um die sozioökologische Transformation finanzieren zu können. (…) Der Vorteil von Rechten ist, dass sie durchgesetzt werden können, auch gegen Großunternehmen. In Ecuador führten die Rechte der Natur dazu, dass ein milliardenschwerer, internationaler Bergbaukonzern über Nacht gezwungen wurde, den Bergbau in einem Nebelwald einzustellen, und zwar ohne Entschädigung."

Der chinesische Politologe Jin Canrong bezweifelt die Existenz von Aristoteles, schreibt Thomas Ribi fassungslos in der NZZ. "'Er hat zu viel geschrieben', sagt Canrong. Das sei schon rein technisch nicht möglich gewesen, bevor sich das Papier im Westen verbreitet habe - das Papier, das in China erfunden wurde, wie man ergänzen soll." Aus dem Nichts kommt dies allerdings nicht: Zuvor hatten westliche Historiker "Zweifel geäußert, ob die chinesische Geschichte tatsächlich fünf Jahrtausende zurückreicht". "Die Skepsis des Westens trifft nationalistische chinesische Wissenschaftler an einem empfindlichen Punkt. Sie verstehen die kritischen Fragen aus dem Westen als Angriff auf das kulturelle Erbe Chinas".
Stichwörter: Canrong, Jin, Wesche, Tilo

9punkt - Die Debattenrundschau vom 18.11.2023 - Ideen

Impfgegner und AfD-Anhänger missbrauchen die Symbolik des Judensterns ebenso wie russische Propagandisten, schreibt der in Moskau geborene und in Deutschland aufgewachsene jüdische Schriftsteller Alexander Estis, der auf den Bilder und Zeiten-Seiten der FAZ vor solcher "symbolischen Brunnenvergiftung" warnt: "Der von Sternträgern insinuierte Vergleich ist nicht einfach ein ungeschickt hinkender, sondern ein auf den Kopf gestellter. Es handelt sich dabei um einen Umkehrvergleich, wie er von Ideologen und Demagogen jeglicher Couleur regelmäßig bemüht wird und mit dem diese keinesfalls eine echte Analogie zu einer Opfergruppe herstellen wollen, geschweige denn eine Identifizierung. Ganz im Gegenteil: Sie bezwecken damit einzig und allein die Aneignung und Umdeutung eines Narrativs - eine, wie man es nennen könnte, Schoappropriation. Die Sternträger inszenieren sich als die neuen, eigentlichen Juden, also als die wahren Opfer von heute, während die alten Juden in ihren Phantasmen umgekehrt als Strippenzieher der Krise und deren kapitalistischer Profiteure fungieren."
Stichwörter: Estis, Alexander, AfD

9punkt - Die Debattenrundschau vom 17.11.2023 - Ideen

Die FAZ druckt die Rede, die der Schriftsteller David Grossman gestern in Tel Aviv bei der offiziellen Trauerfeier der Kibbuzbewegung hielt. Auch er ist überzeugt, dass nach dem 7. Oktober nichts mehr so sein wird wie vorher: "Die, die wir einmal waren, werden wir nie wieder sein. Die Bilder der Gräuel, die Fratzen des Hasses, denen wir ausgesetzt waren - so etwas sieht ein Mensch nicht, ohne ein anderer zu werden. Als hätte sich inmitten der Realität ein Strudel aufgetan und uns eingesogen. Dem gegenüber stehen Heldentum und Opferbereitschaft, stehen Taten, die Menschen um anderer Menschen willen vollbracht haben. Wir hören von der unfassbaren Kühnheit junger Leute, die im wahrsten Sinne des Wortes dem Bösen ihr Leben entgegengeworfen haben, um andere zu retten. Um die Familie, das Haus, den Kibbuz und oft auch Unbekannte zu beschützen. Immer wieder riskierten Männer und Frauen mit unerhörtem Mut ihr Leben. In einer Sekunde, mit einer Tat: Manche warfen sich auf scharfgemachte, von den Terroristen in frei stehende Bunker oder häusliche Schutzräume geworfene Handgranaten, wodurch andere Schutzsuchende verschont blieben. Solche Akte bringen unsere Sicht auf die Welt, die wir als zynisch, selbstsüchtig, utilitaristisch wahrnehmen, gründlich ins Wanken. Seit dem 7. Oktober denke ich viel über diese Menschen nach."

Die neue Weltordnung ist nicht mehr bipolar, sie ist ein à la carte Menü, erklärt im Guardian Timothy Garton Ash die Ergebnisse zweier Umfragen, die er und Kollegen für das European Council on Foreign Relations und ein Forschungsprojekts der Oxford Universität in China, Indien, Türkei, Russland, den USA, Saudi-Arabien, Indonesien, Südafrika, Brasilien, Südkorea und 11 europäische Länder durchgeführt haben. "Die meisten dieser Länder glauben, dass sie sich nicht entscheiden müssen. Sie können engere Wirtschaftsbeziehungen zu China, eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit den USA unterhalten und gleichzeitig alle Vorzüge der 'Soft Power' Europas genießen. Eine Welt mit vielen konkurrierenden Mächten gibt ihnen die Möglichkeit zu mischen und zu kombinieren. ... Die Lektion für den Westen ist nicht, dass wir unsere Werte aufgeben sollten, sondern dass wir viel schlauer werden und die Welt so sehen sollten, wie sie ist, und nicht so, wie wir sie gerne hätten. "

Greta Thunbergs Antisemitismus zeigte sich schon früher, meint Pauline Voss in der NZZ: "Bereits 2021 teilte Thunberg einen Beitrag der Autorin und BDS-Unterstützerin Naomi Klein, die Israel 'ein Kriegsverbrechen nach dem anderen' vorwarf. Im selben Jahr drückte Fridays for Future International seine Solidarität mit den palästinensischen 'Märtyrern' und ihrem antikolonialen Kampf aus. Thunbergs Abdriften ist kein Ausflug, sondern eine zielstrebige Reise ins Reich des Antisemitismus. Seit Jahren verschreibt sich die Klimabewegung dem Konzept der 'Intersektionalität'. Dieses wissenschaftliche Konzept rückt die Verschränkungen unterschiedlicher Diskriminierungserfahrungen in den Fokus, um zum Beispiel Fragen des Geschlechts und der Rasse zusammenzudenken. Allerdings ist von der ursprünglichen Idee nicht mehr viel übrig geblieben. Intersektionalität dient heute vor allem als Rechtfertigung, um jeden politischen Konflikt auf einen Kampf von Unterdrückten gegen Unterdrücker zu reduzieren."

9punkt - Die Debattenrundschau vom 16.11.2023 - Ideen

In Vorbereitung auf den dreihundertsten Geburtstag von Immanuel Kant erklärt der Philosoph Otfried Höffe im FR-Interview mit Michael Hesse, warum Kant noch heute gelesen werden sollte: "Kant verdanken wir das Vorbild einer in der Autonomie des Willens gründenden universalistischen Moral, einschließlich dem Gedanken der unantastbaren Würde des Menschen und einer kompromisslosen Ablehnung von allem Kolonialismus. (...) Bei diesem Philosophen finden wir nicht nur entscheidende Argumente für den demokratischen Rechtsstaat. Sein gesamtes Denken durchzieht vielmehr eine demokratische Grundhaltung, die allen Eigendünkel einer bloß professionellen Spekulation verwirft: Kant denkt im Namen aller Menschen, für sie alle und im Prinzip auch für sie alle verständlich. Unter Anspielung auf einen Song der Rolling Stones empfiehlt sich daher diese Lebensmaxime: 'You K'ant get no satisfaction', 'von Kant kann man nie genug lernen'."