Magazinrundschau - Archiv

Tygodnik Powszechny

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Magazinrundschau vom 16.02.2010 - Tygodnik Powszechny

Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe ist das Tabu. Der kürzlich mit dem Ordway Prize ausgezeichnete Künstler Artur Zmijewski sagt dazu: "Auch wenn es die sogenannte engagierte Kunst gibt, existiert in unserer Kultur das Tabu des Politischen. Es geht nicht nur um das Verbot, sich politisch zu äußern, das Künstler zu befolgen haben, sondern auch um das Fehlen einer effektiven Sprache, in der man sich über Politik äußert. Hinzu kommt die ständige Verspätung der Kultur - bevor wir die Ereignisse reflektieren, hat sich die politische Debatte bereits verlagert. Die Kunst sollte hier nicht nur mithalten, sondern diesem Prozess voraus sein. Ein größeres Problem als dieses Wettrennen ist aber das Fehlen einer Sprache, um aktuelle Fragen anzusprechen". Zmijewski, der selbst überaus politisch engagiert ist - u.a. in der Zeitschrift Krytyka Polityczna - sieht auch eine große Veränderung gegenüber den neunziger Jahren, als alles noch im Fluss war. "Heute sind die Grenzen klar gezogen, die Zugehörigkeiten offensichtlicher. Da, wo früher alles verschwommen war, existiert heute ein Tabu. Dass die Künstler dem gehorchen, hat auch mit den Interessen der Künstler selbst zu tun."

Der Film, über den man in Polen momentan spricht, heißt "Tlen" (Sauerstoff) und wurde von dem in Warschau lebenden russischen Regisseur Iwan Wyrypajew (hier die offizielle russische Seite) gedreht. Er stelle den Versuch dar, einen "totalen Film" zu machen, in dem alle existenziellen Ängste unserer Zeit zu thematisieren, meint Anita Piotrowska. "Mit 'Tlen' diskutiert man nicht. Entweder sind wir bereit, bedingungslos in dieser künstlichen, hybriden Welt aufzugehen, oder wir erachten den Film als sinnlose Sammlung biblischer Zitate, Fernsehnews, Werbung und fotogener Aufnahmen, die in eine Videoclip-Ästhetik gezwängt wurden."
Stichwörter: Wyrypajew, Iwan

Magazinrundschau vom 09.02.2010 - Tygodnik Powszechny

"Die Polen sind unbewusste Konservative", schreibt der Soziologe Pawel Spiewak. "Wir haben eine grundlegende Transformation des politischen Systems, der Wirtschaft, der Medien und der Technik erlebt, aber die Einstellungen der Polen haben sich - wenigstens auf Ebene des Deklarierten - nicht wesentlich verändert. Das hat nicht einmal etwas von Konservatismus, sondern Automatismus. Als ob wir unsere Identität nicht kritisch bewerten könnten, und nur in abwehrender Manier auf einstudierten Äußerungen beharren würden. Wir sagen uns selbst: So sind wir, und wir haben nicht vor, sich zu ändern." Jeder begnüge sich mit Klischees, vor allem sprachlich: "Unser Selbstbild hat keine Ecken und Kanten, es ist wie aus Plastik. Es löst sich im Nichtssagenden auf und lässt uns ruhig schlafen."

Nicht ruhig schlafen kann der Schriftsteller Stefan Chwin, der sich zwar keine Sorgen um die Qualität der polnische Literatur nach 1989 macht. Bei der Themenwahl allerdings hinkten die Autoren der Wirklichkeit hinterher, schreibt er: "Nach 1989 beschlossen die Polen sehr schnell, eine 'normale Nation' zu werden; alle Solidaritätsträumereien wurden an den Haken gehängt. Man muss mit beiden Füßen auf der Erde bleiben und hart sein. Zu beschreiben wäre also, wie glatt der polnische Idealist zum Realpolitiker geworden ist. Wie schnell alle alten Träume verflogen sind. Wir haben seelenruhig zur Kenntnis genommen, dass der Kapitalismus keine Sentiments braucht (...) Die Welt ist, wie sie ist, sie lässt sich nicht ändern, also ist es am klügsten, diese Wahrheit zu akzeptieren."

Magazinrundschau vom 02.02.2010 - Tygodnik Powszechny

Fortgesetzt wird die Debatte über Nutzen und Nachteil der Freiheit für polnische Schriftsteller nach 1989. Für Dariusz Nowacki haben die meisten den Übergang in die neue Zeit besser gemeistert als manchmal behauptet wird. Auch die negativen Folgen der Kommerzialisierung hielten sich auch in Grenzen. "Nach 1989 haben es die Dichter am besten verstanden, die Freiheit auszunutzen. Die Kraft der Poesie liegt darin, dass sie jenseits von Experten- und Genießerkreisen über keinerlei gesellschaftlichen Einfluss verfügt. Sie ist somit frei von Macht. Im Gegensatz zur Prosa, ist die Dichtung nicht verwickelt in Markt und Medien, unterliegt keinerlei Politisierung und Ideologisierung." Während das soziale Engagement von Prosawerken sich meistens negativ auf die literarische Qualität auswirkt, arbeiten Dichter an kreativen Gegendiskursen. Nur, dass es kaum jemand wahrnimmt, resümiert Nowacki.

Der Krakauer Philosophieprofessor Jan Hartmann sieht den aufgeklärten Menschen an einem tragischen Punkt angekommen - vor lauter Kultur und Rationalität ist ihm die religiöse Bindung abhanden gekommen. "In unserer modernen Welt kam es zu einer Katastrophe von galaktischen Ausmaßen, aber es wird weder Sühne noch Vergebung geben. Denn Gott ist tot. Es ist etwas Schreckliches passiert, aber nur Verrückte und Visionäre erfassen das Grauen dieses Ereignisses - der Glaube hat uns verlassen, es wird keine Religion mehr geben. Wie kam es dazu? Wir haben einfach erkannt, dass es lächerlich wäre, an einer Offenbarung und an einem Gott festzuhalten, da es so viele andere Götter und Offenbarungen gibt. Der Mensch aber, frei und rational, hat den Punkt erreicht, wo er seiner Einsamkeit auf dem Gipfel der Natur entgegen blicken kann".

Außerdem: W.G. Sebalds "Schwindel. Gefühle" und "Die Ausgewanderten" sind in polnischer Übersetzung wieder aufgelegt worden und "Die Ringe des Satrun" neu erschienen, was Grzegorz Jankowicz sehr freut. Im Krakauer "Kunst-Bunker" werden die Jahre 1985-1995 in der polnischen Video-Kunst als "Verstecktes Jahrzehnt" gefeiert, was Agnieszka Sabor quer zur politischen Periodisierung lesen will: "Die Zäsur 1985-1995 richtet die Aufmerksamkeit auf eine riesige Veränderung, die damals stattgefunden hat. Sie betraf nicht nur die Wirtschaft oder Technologie, sondern vor allem die Identität. Die in diesen Jahren entstandene Kunst hat diese Veränderungen nicht nur festgehalten, sie hat sie mit provoziert." Als jene Veränderung wird vor allem die Neuverhandlung des Verhältnisses von öffentlich und privat anerkannt.

Magazinrundschau vom 26.01.2010 - Tygodnik Powszechny

Was brachte die Freiheit den Schriftstellern? Nur Bedeutungsverlust und Kommerz, wie oft behauptet wird. Nach 1989 profitierte die Literatur von ungeheuren neuen Ausdrucksmöglichkeiten, findet die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Inga Iwasiow. "Ich kann nicht alle Tendenzen, Themen, Ästhetiken und Rituale der letzten zwanzig Jahre aufzählen. So schwierig es ist, diesen Katalog zu erstellen, so unmöglich ist es zu behaupten, dass wir nur mit der Vorrangstellung der Medien ringen und Schriftsteller ihre Rolle als Experten für Werte, Politik und die Seele eingebüßt haben. Es passiert tatsächlich viel mehr, Errungenschaften und Niederlagen gehen Hand in Hand. Es passiert viel mehr, als wir sehen wollen, wenn wir über den Verlust des Ansehens und die Marginalisierung in der Welt des Marktes, der leichten Unterhaltung und der Medien sprechen." Statt über fehlende Anerkennung zu klagen, schlägt Iwasiow Schriftstellern vor, in die Provinz zu gehen, wo sie noch die Möglichkeit hätten, mit interessierten Lesern in Kontakt zu treten, statt um die Gunst der Fernsehzuschauer zu buhlen.
Stichwörter: Iwasiow, Inga

Magazinrundschau vom 19.01.2010 - Tygodnik Powszechny

Anita Piotrowska atmet auf. Nach "Dom zly" und "Rewers"kommt mit "Wszystko, co kocham" (Alles, was ich liebe) der dritte Film über die Zeit der Volksrepublik in die Kinos, der nicht im realistischen Stil den Freiheitskampf beschreibt. "Die Zeiten korrekter, patriotischer Lektüren sind vorbei. Sollen sich Historiker über die Fakten und deren Interpretation streiten. Sollen die alten Meister die Lücken aus der Zeit der kommunistischen Zensur aufarbeiten. Jetzt wird polnische Geschichte auf eigene Art erzählt, aus subjektiver Perspektive, indem nicht die Tatsachen gezeigt werden, sondern eine konzentrierte, durch einen privaten Filter gejagte Atmosphäre der vergangenen Zeiten."

Der Regisseur von Kinderfilmen Andrzej Maleszka glaubt an die Kraft der Magie: "In meinen Filmen steht die magische Kraft für die Möglichkeiten, die in uns stecken. Sie warten, ausgeschöpft zu werden. Wenn wir Kinder sind, entscheidet sich unsere Zukunft - entweder gehen wir in die Erwachsenenwelt hinaus mit der Fähigkeit, über unser eigenes Leben zu entscheiden, oder wir werden willenlos, wie Roboter, die von Managern, Politikern und Werbung gesteuert werden. Gute Märchen erlauben es Kindern, an die eigenen inneren Kräfte zu glauben."

Die Novellierung des irischen Blasphemiegesetzes hat selbst im katholischen Polen Eingang in die Debatte gefunden. "Gott braucht keine Paragraphen", sagt sinngemäß der frühere Verfassungsrechtler Andrzej Zoll der Wochenzeitung. Entsprechend werden im polnischen Recht die religiösen Gefühle der Menschen geschützt, und nicht die Glaubensobjekte.

Magazinrundschau vom 12.01.2010 - Tygodnik Powszechny

Fast 40 Jahre hat der Schriftsteller Wojciech Albinski in Afrika gelebt, und seine Erfahrungen literarisch verarbeitet hat, jetzt kehrt er im letzten Buch zu seiner Kindheit in Warschau während des Aufstands 1944 zurück. Im Gespräch mit der Wochenzeitung sagt er, was beide Welten verbindet: "Ich beschrieb ein mystisches Land, an dessen Existenz ich selbst manchmal kaum glaube. Afrika war dabei etwas ganz anderes. Das war ein Leben! Und das hier ist nur Erinnerung. Wenn ich aber nicht von hier weggegangen wäre, würde ich vielleicht nicht zu diesen Geschichten zurückkehren. Wenn man vor Ort ist, scheint alles so wie immer zu sein. Nur nach der Rückkehr von einer Reise sehen wir, dass alles anders ist. Als ich hierher kam, entdeckte ich, dass in Polen die wahre Exotik ist. Und erst hier und jetzt, nach Afrika, entdecke ich die Welt so, wie sie ist."

Zbigniew Liberas berühmtestes Kunstwerk ist wohl das "Lego Konzentrationslager". Eine Warschauer Ausstellung präsentiert nun eine Art Gesamtschau des Künstlers, was Piotr Kosiewski sehr freut: "Immer deutlicher wird, wie viel die Künstler, die nach 1989 schufen, ihren Vorgängern verdanken. Libera scheint ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den Generationen zu sein. Umso wichtiger ist die Ausstellung in der Zacheta-Galerie."
Stichwörter: Konzentrationslager, Zacheta

Magazinrundschau vom 05.01.2010 - Tygodnik Powszechny

Der Soziologe Marek Kucia analysiert den Raub des Schriftzuges "Arbeit macht frei" in Auschwitz-Birkenau und spricht dabei über die Ambivalenz zwischen Authentizitätsanspruch und Bewahrung der Stätte: "Ich bin voller Bewunderung für die Mitarbeiter, weil mittlerweile die dritte Generation die materiellen Hinterlassenschaften des Geschehenen zu bewahren versucht. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass man alles nicht erhalten kann. Deswegen wird es in Auschwitz in den nächsten Jahren immer stärker darum gehen, die Erinnerung zu bewahren, nicht die Materie. Es gibt Orte, wo die Treppen aufgrund der Besuchermengen abgerieben wurden. Sollte man sie preisgeben oder ersetzen? Die Gebäude von Auschwitz werden nicht ewig stehen; die Baracken in Birkenau sind eine originalgetreue Kopie, denn Holz würde so lange nicht halten. Meine Erachtens ist ein Vorschlag gerechtfertigt, gegen den sich die Direktion des Museums sträubt: Es sollte ein modernes Gebäude mit Exponaten außerhalb des Lagers entstehen, und die Lagergebäude sollten nur noch von außen betrachtet werden. Unabhängig davon, was mit den Objekten passiert - ob sie auseinander fallen oder ob sie mithilfe immer aufwendigerer Techniken erhalten werden - wird eines nie verschwinden: der Ort".

Außerdem: Es ist erstaunlich, wie über einen Satz ganze Bücher geschrieben werden können. Przemyslaw Czaplinski schafft es immerhin auf zwei Seiten, das Phänomen von "I would prefer not to" zu erläutern. Herman Melvilles "Bartleby, der Schreiber" erschien nicht nur in neuer Übersetzung, sondern es wurde ein Band mit Erzählungen junger polnischer Autoren mit diesem Titel versehen. Die Unternehmung erscheint dem Literaturkritiker etwas hilflos, aber für die Herausforderung, die Bartlebys Satz der Literatur hierzulande stellt, ist Czaplinski dem Herausgeber dennoch dankbar.

Magazinrundschau vom 22.12.2009 - Tygodnik Powszechny

Mit einer Einzelausstellung in der Londoner Tate Modern hat Miroslaw Balka wohl den Gipfel seiner Karriere erreicht. Sie begann Anfang der Neunziger ein wenig durch Zufall, wie der Künstler im Gespräch mit der polnischen Wochenzeitung verrät: "Heute ist es einfach, ohne Komplexe vom Erfolg der polnischen Kunst zu sprechen. Aber die Neunziger waren eine ganz andere Zeit. Das Wort 'Erfolg' hatte etwas Beschämendes, und ich war etwas privilegiert. Polnische Künstler waren kaum bekannt, und plötzlich tauchte dieser Mann aus einem Transformationsland auf, und half, die Situation neu zu definieren. Durch Zufall war ich dieser Mensch, ungewollt wurde ich zum Pionier, dem eine ganze Generation folgte".

Außerdem: Der Historiker Lukasz Kaminski erstellt eine Zwischenbilanz der Aufarbeitung der "Weißen Flecken" der polnischen Geschichte seit 1989, und kommt zum wenig überraschenden Ergebnis, dass viele Lücken noch zu schließen sind, vor allem, was die Aufarbeitung der kommunistischen Zeit angeht. Und Filip Wroblewski hat Mitleid mit dem Karpfen: Während man in Polen den Tieren aus Bethlehems Stall die Fähigkeit zuspricht, Heiligabend mit menschlicher Stimme zu sprechen, landet der Fisch kommentarlos als traditionelles Gericht auf dem Tisch. Wie eine polnische Redewendung sagt: Fische und Kinder haben nichts zu sagen.

Magazinrundschau vom 24.11.2009 - Tygodnik Powszechny

Dass nun auch Schweden und Finnland grünes Licht für die Ostsee-pipeline gegeben haben, wurde in Polen mit Resignation zur Kenntnis genommen. Einige Stimmen überlegen schon, ob Polen nicht seine Widerstände gegen das projekt aufgeben sollte. Anna Mackiewicz kommentiert trocken: "Die Emotionen, die diese Entscheidung begleiteten, stehen in umgekehrtem Verhältnis zur tatsächlichen Diversifizierung der polnischen Energiequellen - 70 Prozent vom Gas und 90 Prozent vom Erdöl hierzulande kommen von unserem östlichen Nachbarn. Und noch schlimmer: Das rachitische Gasleitungssystem macht es uns eine ernsthafte und schnelle Diversifikation unmöglich. Obwohl wir so viele Jahre die verschiedensten Pläne und Gedanken auf unsere Unabhängigkeit von Russland verwendet haben, zeigt sich hier nur, wie sehr es an einer Strategie zur stabilen Energieversorgung fehlt." Der einzig vernünftige Ausweg besteht für Mackiewicz in dem gesamteuropäischen "Nabucco"-Projekt.

Mit Verwunderung nimmt Joanna Batkiewicz-Brozek die große Identitätsdebatte in Frankreich auf. "Die Debatte wird wie eine Revolution vorbereitet. Das Problem ist nur, dass ein vorgeblich richtiger und wertvoller Gedankenaustausch sich geradewegs gegen die Einwanderer richten kann". Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Kontroversen der letzten Jahre, wie des Kopftuchstreits, ist der Ausgang der Debatte ungewiss. "Nationale Werte sind natürlich sehr wertvoll, aber wozu kann Ignoranz gegenüber anderen Kulturen, verbunden mit plötzlicher Mobilisierung und Distanz gegenüber den Bräuchen der - bis dahin angeblich so großzügig empfangenen - Immigranten führen?", fragt rhetorisch die Publizistin.

Magazinrundschau vom 10.11.2009 - Tygodnik Powszechny

Wojciech Pieciak weiß genau, was er am 9. November 1989 gemacht hat: Er war bei Freunden in Ostberlin, wurde sogar mit der Nachricht von der Grenzöffnung geweckt, befand sie aber für zu schön, um wahr zu sein, und schlief wieder ein. Jetzt erinnert er sich an diese Tage und Gespräche mit den Aktivisten der DDR-Opposition und analysiert: "Noch einige Wochen zuvor, im September und Oktober, glaubten sie, die gesellschaftliche Isolation überwunden zu haben. Dass, wie es in Polen neun Jahre zuvor, Arbeiter, Studenten und Intellektuelle zusammen standen, dass die Opposition endlich Unterstützung bekommt. Schließlich kamen selbst in kleineren Städten zigtausend Menschen zu Demonstrationen. Aber diese Kraft war eine Illusion; ja, sie haben etwas bewegt, aber nur, um einen Augenblick später wieder nutzlos zu sein".

Weiter zu diesem Thema nachzulesen ist die Aufzeichnung einer Expertendiskussion zum Verhältnis von Polen und Ostdeutschen zu kommunistischen Zeiten. Unter anderem erinnert der Historiker Lukasz Kaminski daran, dass die polnische Opposition schon in den 70er Jahren die deutsche Einheit als Grundvoraussetzung für ein neues Europa ansah: "Es lohnt sich, den Hintergrund zu erforschen: Warum forderten die polnischen Oppositionellen bereits in den siebziger oder achtziger Jahren, als die Erinnerung an den Krieg noch viel lebendiger war als heute, die deutsche Einheit?" Darauf antwortet sein Kollegen Andrzej Paczkowski: "Ich glaube, einer der ersten Polen, der über die deutsche Einheit als Bedingung für die europäische Einheit geschrieben hat, war Juliusz Meiroszewski, 1954 in der Pariser Exilzeitschrift Kultura. In einem Kommentar zum Beitritt Westdeutschlands zur Nato schrieb er, dass es ohne wiedervereinigtes Deutschland kein freies Polen geben werde. Eine zweite Schlussfolgerung daraus könnte sein, dass es ohne eine unabhängige Ukraine kein freies Polen geben wird, und umgekehrt. Aber das ist ein anderes Thema."

Berichtet wird ferner vom Joseph-Conrad-Festival mit anschließender Literaturmesse in Krakau. Nachzulesen ist dazu ein Weblog von Grzegorz Nurek. In der Literaturbeilage von "Tygodnik" schreibt Krzysztof Siwczyk über Thomas Bernhards kürzlich ins Polnisch übersetzte Frühwerk "Verstörung": "Darin entwickelt sich sein Prosastil mit wiederholten Sätzen, manischen Rückgriffen auf Schlüsselwörter, fast krankhaften Steigerungen von Adjektiven, die zeigen, wie sehr er das menschliche Wesen verachtet. Schlecht, schlechter, am schlechtesten - das ist der Mensch bei Bernhard". Hingewiesen wird ferner auf das Festival des Russischen Kinos, "Sputnik", das zwei Wochen lang in 26 polnischen Städten gastieren wird.