Anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Gedichtbandes spricht 1974 geborene Dichter und Dramaturg
Krisztián Peer, einer der wichtigsten Autoren seiner Generation, im
Interview mit Róbert Németh über Illusionen und Erkenntnisse der
Wende, die er zusammen mit Dichtern und Schriftstellern wie dem verstorbenen János Térey oder István Kemény, Attila Bartis, Árpád Kun u.a. durchlebt hat. "Wir dachten damals, es würde
von Tag zu Tag besser werden. Denn von Tag zu Tag war die Freiheit größer, wenigstens haben wir es so empfunden und wir dachten damals noch, dass es darüber einen gesellschaftlichen Konsens gibt, dass Freiheit etwas Gutes sei. Vor Kurzem hat mich ein jüngerer Freund scharf kritisiert: Ich würde mich zu viel mit Politik beschäftigen, dabei hätte das politische System auf höchstens zehn Prozent meines Lebens Einfluss. Er konnte sich nur deswegen dermaßen irren, weil er in seinem erwachsenen Leben
nicht für eine Minute Gelegenheit hatte, daran zu glauben, dass er an einem großartigen Ort lebt. (…) Ich muss hinzufügen, ich war lange Zeit in vielen Freundeskreisen der Jüngste, und ich folgte sowohl im Geschmack als auch im Denken den Großen. Bis zur Jahrtausendwende saßen in den sympathischen Kneipen junge Menschen, die
Künstler sein wollten, denn die Kunst ist das prädestinierte Gelände zur Ausübung von Freiheit, kein Beruf, sondern Lebensform. Die heute in den sympathischen Kneipen sitzenden junge Menschen sind eher
Aktivisten, die erbost über den individualistischen Freiheitsbegriff der älteren Generationen sind, die für systematische Zusammenhänge blind waren. Ich neige dazu ihnen Recht zu geben, doch heutzutage verkehre ich in Kreisen, in denen ich der älteste bin. Ein Kind der systemwechselnden Illusionen."