Inspiriert durch einen
Artikel von Angelo Panebianco im
Corriere della Sera überlegt Umberto Eco, ob die Wissenschaft voller Dogmen beziehungsweise
Paradigmen steckt, die das Aufdecken der Wahrheit behindern. Paradigmen haben auch ihr Gutes, sagt Eco mit Blick aufs Internet. "Alle denkbaren Inhalte sind ungeordnet verfügbar, und so kann sich jeder seine eigene persönliche Enzyklopädie zusammenstellen, mit einem eigenen
frei wählbaren System aus Glaubenssätzen, Feststellungen und Werten. In dieser Enzyklopädie könnte stehen, wie es bei vielen menschlichen Wesen der Fall ist, dass Wasser H2O ist oder aber dass die Sonne sich um die Erde dreht. In der Theorie könnte man also bei sechs Milliarden verschiedenen Enzyklopädien anlangen, und die menschliche Gesellschaft könnte aus
sechs Milliarden Indviduen bestehen, die alle eine verschiedene Sprache sprechen, die nur der Sprecher selbst versteht. Das ist nur ein Gedankenspiel, aber genau deswegen unterhält die Wissenschaft eine gemeinsame Sprache, in dem Bewusstsein, dass ein Paradigma
erst dann umgeworfen werden kann, wenn es überhaupt ein gemeinsames Paradigma gibt, dass man umwerfen kann. Paradigmen zu verteidigen birgt sicherlich die Gefahr des Dogmatismus, aber auf diesem Widespruch gründet unser Wissen. Um voreilige Schlussfolgerungen zu vermeiden, halte ich es mit dem Wissenschaftler, der am Ende von Panebianco zitiert wird: 'Keine Ahnung, ein komplexes Phänomen, das muss ich mir anschauen.'"