Magazinrundschau
Ein Faible für Satire und Demokratie
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
22.09.2020. Die London Review erinnert an die Siebziger, als sich die Putzfrauen von London gewerkschaftlich zu organisieren begannen. Ohne Organisation geht gar nichts, lernen auch Aktivisten in Chicago, die Obdachlose in ein Sheraton Hotel einquartierten, erzählt Harper's, das außerdem die Synthesizer-Pionierin Wendy Carlos vorstellt. Pitchfork erzählt, wie Enyas Balladen aus den Achtzigern Melodiker wie Weyes Blood ebenso beeinflusst haben wie die Death Metal Band Blood Incantation oder den Avantgardisten Oneohtrix Point Never. Atlantic warnt die Qualitätspresse: Lügen sind nicht einfach andere Fakten. Das sollte auch Facebook kapieren, meint Bloomberg. Der Guardian spuckt seinen genveränderten Lachs aus.
London Review of Books (UK), 24.09.2020

Wenn die Engländer die Union mit Schottland retten wollen, sollten sie nicht britischer werden, meint der Historiker Neal Ascherson in einem Abgesang auf die zentralistische Monarchie des 17. Jahrhundert, sondern im Gegenteil englischer: "Britannien ist ein eingebildetes Königreich, das in seiner Vorstellung über bloßen Nationalstaaten schwebt; England ist ein Land wie seine Nachbarstaaten. Britannien ist außergewöhnlich und denkt sich selbst in Superlativen (das weltbeste, weltweit führende, effizienteste Land auf dem Planeten); England ist ein mittelgroßes Land mit erstklassigen Wissenschaftlern und einem verkommenen Management. Britannien träumt davon, eine stolze, schwerbewaffnete Freibeutermacht zu werden, die allen internationalen Regeln trotzt; England ist eine bescheidene, skeptische Nation mit einem Faible für Satire und Demokratie."
Guardian (UK), 21.09.2020

Magyar Narancs (Ungarn), 27.08.2020

Artforum (USA), 22.09.2020

Harper's Magazine (USA), 01.10.2020

Im Mai übernahmen Aktivisten in Chicago ein pleite gegangenes vierstöckiges Sheraton Hotel und quartierten dort Obdachlose ein. Ihre Vorstellungen waren heroisch - naiv, aber heroisch, meint Wes Enzinna, der selbst dort mithalf: Autonomie, Teilen, Sex und Drogen sollten erlaubt sein, keine Polizei. Das Experiment lief nach kürzester Zeit aus dem Ruder, aber dennoch: War es schlechter als die Zustände, in denen die Obdachlosen zuvor gelebt hatten? Kurz vor dem Ende des Experiments brach gegen 3 Uhr morgens auf dem Parkplatz vor dem Hotel, eine Schlägerei aus: "Steve, der gerade draußen war und die Menge kontrollierte, kam mit erhobenen Händen rein und sagte: 'Darauf lasse ich mich nicht ein.' Die anderen Freiwilligen taten dasselbe. Am Ende verpuffte der Kampf, aber ich fragte mich, was Steve oder irgendjemand anders getan hätte, wenn die Gewalt noch weiter eskaliert wäre, da klar war, dass die Freiwilligen weder die Fähigkeit noch die Willenskraft zum Eingreifen hatten. Bedeutete keine Polizei wirklich, Menschen gegeneinander kämpfen zu lassen? Waren die AktivistInnen einfach so überwältigt, dass sie aufgaben? Oder mussten sie ihrem Experiment irgendwo eine Grenze setzen, wobei sie entschieden, dass der Parkplatz außerhalb der Reichweite ihrer Ideale lag? Die Antwort war wahrscheinlich etwas von allen dreien. Ich hatte dafür Verständnis. Ich war auch nicht herbeigeeilt, um einzugreifen. Ich hätte es auch nicht gewollt. Ich wusste auch, dass die Polizei die Situation nicht besser gemacht hätte. Sie wäre eher schlechter geworden, insbesondere für zwei Afroamerikaner. Also, nein, es war nicht so, dass der Kampf gezeigt hätte, dass wir die Polizei brauchten, oder dass die Abolitionisten naive Idealisten waren - sie wollten nicht tausend Sheratons, sie wollten eine Welt, in der keine Sheratons notwendig waren - aber es zeigte doch, dass die Abolitionisten nicht wussten was sie tun sollten, wenn die Handlungen einiger das Wohlergehen anderer bedrohten."
The Atlantic (USA), 22.09.2020

Bloomberg Businessweek (USA), 22.09.2020

Pitchfork (USA), 22.09.2020
Für skeptischere Hörer mögen Enyas Balladen klingen wie verlangsamte, seifige Achtziger-Jahre-Balladen. Einem weiteren Publikum in Deutschland in Deutschland mag der pompöse Synthesizer-Ethnomythos-Jugendstil-Kitsch von "Orinoco Flow" bekannt sein.
Aber Enya ist ganz offenbar auch eine Musikerin für Musiker, eine, die sehr sehr viele heutige Popmusiker durch ihre Art der Studioarbeit beeinflusst hat, und zwar die allerunterschiedlichsten, erzählt Jenn Pelly. Sie hat mit einigen von ihnen gesprochen Zum Beispiel mit der großartige Melodikerin Weyes Blood, mit den Musikern der Death Metal Band Blood Incantation, die Enya so sehr verehren, dass sie sich ihren Namen auf ihre Joppe sticken. Und gar mit dem verrückten Avantgardisten Oneohtrix Point Never, alias Daniel Lopatin. "Enyas Studio-Innovationen standen nicht immer im Zentrum ihres Narrativs, aber sie sind zentral, wenn Lopatin sagt, dass er sie 'fast als eine Göttin' betrachtet. In den zehner Jahren stand Lopatin an der Spitze einiger Underground-Musiker, die Experimentelles, Elektronik, Noise und New Age verschmolzen. Im Alter von sechs Jahren, in den Achtzigern, sah er Enya zum ersten Mal im Fernsehen - sie spielte 'Boadicea', ihre Hände auf dem Roland Juno-6 keyboard - und er hatte eine Offenbarung: Den gleichen Synthesizer hatte sein Vater im Keller und benutzte ihn für seine Gigs. 'Aber als ich auf dem VH1-Video sah, wie sie ihn spielte, blitzte es in mir auf: Man kann mit diesem Instrument also auch zaubern', sagt Lopatin. 'Das ist der Ursprung meiner Kreativität.'"
Hier "Boadicea":
Und hier "The Station" von Oneohtrix Point Never:
Aber Enya ist ganz offenbar auch eine Musikerin für Musiker, eine, die sehr sehr viele heutige Popmusiker durch ihre Art der Studioarbeit beeinflusst hat, und zwar die allerunterschiedlichsten, erzählt Jenn Pelly. Sie hat mit einigen von ihnen gesprochen Zum Beispiel mit der großartige Melodikerin Weyes Blood, mit den Musikern der Death Metal Band Blood Incantation, die Enya so sehr verehren, dass sie sich ihren Namen auf ihre Joppe sticken. Und gar mit dem verrückten Avantgardisten Oneohtrix Point Never, alias Daniel Lopatin. "Enyas Studio-Innovationen standen nicht immer im Zentrum ihres Narrativs, aber sie sind zentral, wenn Lopatin sagt, dass er sie 'fast als eine Göttin' betrachtet. In den zehner Jahren stand Lopatin an der Spitze einiger Underground-Musiker, die Experimentelles, Elektronik, Noise und New Age verschmolzen. Im Alter von sechs Jahren, in den Achtzigern, sah er Enya zum ersten Mal im Fernsehen - sie spielte 'Boadicea', ihre Hände auf dem Roland Juno-6 keyboard - und er hatte eine Offenbarung: Den gleichen Synthesizer hatte sein Vater im Keller und benutzte ihn für seine Gigs. 'Aber als ich auf dem VH1-Video sah, wie sie ihn spielte, blitzte es in mir auf: Man kann mit diesem Instrument also auch zaubern', sagt Lopatin. 'Das ist der Ursprung meiner Kreativität.'"
Hier "Boadicea":
Und hier "The Station" von Oneohtrix Point Never:
Kommentieren